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Top ten der Heilpflanzen: Johanniskraut

Johanniskraut steht seit vielen Jahrhunderten im Dienste der Gesundheit. Heute bewährt es sich vor allem bei leichten bis mittelschweren Depressionen.

Seit alters her wird Johanniskraut als Arzneimittel genutzt. Bei dem römischen Naturforscher und Arzt Plinius (23 – 79 n. Chr.) findet sich beispielsweise ein Hinweis, wonach ein Kraut namens »Hypereikon« ein probates Mittel gegen Verbrennungen sei. Weiterhin wird Johanniskraut als Zutat eines Heiltranks aufgeführt, den Kaiser Nero von seinem Leibarzt Andromachus (1. Jh. n. Chr.) erhielt. Johanniskraut wurde auch schon früh bei seelischen Beschwerden eingesetzt. So steht in einem Kräuterbuch aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu lesen: »Johanniskraut hilft gegen den Schwindel und gegen die fürchterlichen melancholischen Gedanken«.

Johanniskraut – Von anno dazumal bis heute

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nutzte man Johanniskraut erstmals gegen psychische Beschwerden. Damals freilich noch als »fuga daemonum«, als Mittel, das den Teufel austreiben sollte. Und so avancierte das Johanniskraut alsbald zum unentbehrlichen Requisit beim Exorzismus: die katholische Kirche setzte Zubereitungen mit Johanniskraut gezielt dazu ein, um den Teufel und anderes Ungemach aus den Körpern der »Besessenen« zu vertreiben. Ferner sollten die Hypericum-Trunke auch Gefolterten, denen der Tod auf dem Scheiterhaufen drohte, das Geständnis abringen, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Heute wird angenommen, dass die Johanniskrautauszüge zum Ziel hatten, psychisch Kranke, die einst als »vom Teufel besessen« galten, zu beruhigen und ihre depressive Stimmung zu lindern. Ähnliches vermutet man von den »Geständnistrunken«: Sie sollten den unter qualvollen Schmerzen Leidenden die Tortur wenigstens psychisch ein wenig erleichtern.

Botanische Eckdaten

Die bei uns bekannteste Art ist das Tüpfel-Johanniskraut, dessen Blätter kugelige Sekretbehälter enthalten. Sobald Licht durch die Blätter scheint, sehen die Blätter dadurch wie durchlöchert aus, woraus sich auch der botanische Name »perforatum« herleitet. Hypericum ist eine weit verbreitete und krautige Pflanze, die bis zu sechzig Zentimetern hoch wird und bevorzugt an trockenen, sonnigen Standorten wie Wegrändern und Bahndämmen wächst. Die hübschen gelben Blüten des Johanniskrauts stehen um Mitte Juni herum in voller Blüte; dann erfolgt auch die Ernte.

  • Wissenschaftlicher Name: Hypericum perforatum
  • Volksnamen: Blutkraut, Teufelsflucht, Teufelsfuchtel, Teufelsbanner, Jageteufel, Johannisblut, Wundkraut, Konradskraut, Jesuwundenkraut
  • Familie: Hartheugewächse (Hypericaceae)
  • Blütezeit: Juni bis Juli
  • Sammelzeit: während der Blütezeit
  • Vorkommen: Johanniskraut ist im gesamten europäischen Raum und weltweit in gemäßigten Klimaregionen verbreitet.
  • Verwendete Pflanzenteile: Arzneiliche Verwendung findet das ganze Kraut, ohne die Wurzeln.

Sinnbild des Glückes

Johanniskraut galt einst auch als Sinnbild des Glückes: Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hinein wurden junge Burschen in der Johannisnacht am 24. Juni mit Johanniskraut umkränzt. Teufel, bösen Geistern und allen Mächten der Finsternis, so war man ehedem überzeugt, konnten sie so widerstehen.

Zerreibt man die gelben Blüten des Johanniskrauts zwischen den Fingern, tritt ein dunkelroter Saft heraus. Hierbei, so will es die Legende, soll es sich um das Blut des Märtyrers Johannes handeln, der für seinen Glauben auf Wunsch Salomes geköpft wurde. Die Sache mit dem roten Saft hat dem Johanniskraut zu einem weiteren Beinamen verholfen, Johannisblut. Der Besonderheiten nicht genug: hält man die Blätter gegen die Sonne, sehen sie dank ihrer durchschimmernden, an ätherisch Ölen reichen Sekretbehälter wie durchstochen aus. Der Teufel selbst, so ein weiterer alter Volksglaube, soll, erbost über des Johanniskrauts Macht gegen böse Geister, die Blätter eines Nachts wütend durchstochen haben.

Wie uns Johanniskraut hilft

Johanniskraut enthält Flavonoide (Rutin, Hyperosid, Querzitrin), ätherisches Öl, Harze, Gerbstoffe und Rhodan sowie Hypericin und Hyperforin. Letzteres ist maßgeblich an der Wirkung beteiligt:

Hyperforin hemmt bereits in relativ geringen Konzentrationen die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Dies führt zur Erhöhung der Konzentration dieser beiden Nervenbotenstoffe – der Wirkmechanismus aller Antidepressiva. Johanniskraut löst also ähnliche Vorgänge aus, wie synthetische Medikamente gegen Depressionen. Allerdings hat es eine breitere Wirkpalette: Eine ähnlich starke Hemmwirkung wie auf die Wiederaufnahme von Serotin und Noradrenalin besteht auch für Dopamin, Gammaaminobuttersäure (GABA) sowie L-Glutamat. Bei letzteren handelt es sich um Nervenboten, die bei der Entstehung depressiver Störungen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Hyperforin beeinflusst insgesamt also fünf Neurotransmitter – ein richtiger »Breitbandhemmer«. Keines der bekannten Standardmittel gegen Depressionen hat eine ähnlich große Palette an Wirkungen. Denn andere Antidepressiva greifen auf nur einer oder maximal zwei Ebenen an.

Anwendung von Johanniskraut

Johanniskraut ist eine hochwirksame Therapie bei leichten und mittelschweren depressiven Störungen – ebenso gut wie synthetische Antidepressiva. Worin es diesen jedoch überlegen ist, sind seine Verträglichkeit und seine wesentlich geringeren Nebenwirkungen. Johanniskraut wird auch wesentlich zuverlässiger von den Patienten eingenommen als seine Kollegen mit synthetischen Wirkstoffen. Denn bei Antidepressiva, einerlei ob synthetisch oder pflanzlich, dauert es immer eine Weile, bis die Wirkungen eintreten; viel schneller jedoch spürt der Patient die Nebenwirkungen. Dies, »Nebenwirkungen ohne Wirkungen«, ist ein häufiger und verständlicher Grund zum Frust. Für viele Patienten Grund genug, um die Behandlung abzubrechen.

  • Risiken und Nebenwirkungen: Johanniskraut erhöht die Lichtempfindlichkeit der Haut. Dieser Photosensibilisierung genannte Effekt betrifft vor allem hellhäutige Menschen. Während der Einnahme von Johanniskraut sollten Sie also mit dem Sonnenbaden vorsichtiger sein und sicherheitshalber einen höheren Lichtschutzfaktor als sonst verwenden.
  • Gegenanzeigen: Bei bekannter Lichtüberempfindlichkeit sollten Johanniskrautpräparate nicht angewendet werden.

Hilfe bei Winterdepression und Spannungskopfschmerzen

Johanniskraut hilft auch gegen den winterlichen Trübsinn – bekannt als saisonal abhängige Depression, kurz SAD. Bei dieser leichten Form depressiver Störungen, die typischerweise ausschließlich in den Wintermonaten auftritt, zeigt die Behandlung mit Johanniskrautextrakten ebenfalls gute Erfolge. Und, der Jageteufel verjagt auch Spannungskopfschmerzen – die häufigste Kopfschmerzart überhaupt. Da chronische Spannungskopfschmerzen häufig mit Depressionen einhergehen, zeigen antidepressiv wirksame Medikamente gute Wirkungen. Allen voran Johanniskrautextrakte, wie placebo-kontrollierte Studien bei Patienten mit Spannungskopfschmerzen gezeigt haben.

Im Licht der Wissenschaft

Johanniskraut hat in den letzten Jahren viele wissenschaftliche Prüfungen bestanden: Seine Wirksamkeit und Verträglichkeit stellte es bereits an vielen tausend Patienten mit leichten, mittelschweren und schweren Depressionen unter Beweis. Johanniskraut ist ebenso wirksam wie synthetische Antidepressiva. Worin es ihnen jedoch überlegen ist, sind seine Verträglichkeit und seine wesentlich geringeren Nebenwirkungen. Nicht umsonst laufen die Extrakte bei der Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen ihren synthetischen Pendants den Rang ab.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben überdies ergeben, dass die Inhaltsstoffe dieser Heilpflanze auch auf Herz und Kreislauf einen günstigen Einfluss haben. Johanniskraut hat eine »kardioprotektive« Wirkung – schützt mithin das Herz.

Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker

Empfehlenswerte Präparate mit Extrakten aus Johanniskraut sind beispielsweise:

  • Felis
  • Jarsin
  • Kira
  • Neuroplant