Kaum bekannter Heilmittelkatalog – hier kann man erfahren, wie es sich mit Verordnungen und Regelfällen in der Physiotherapie verhält.
Schon 2001 traten in der Gesetzlichen Krankenversicherung die Heilmittelrichtlinien für die Physiotherapie in Kraft, im März 2004 und zum 1. Juli 2011 gab es Neufassungen, die für die praktische Umsetzung in Form des „Heilmittelkataloges“ publiziert wurde. Aber immer noch gibt es auf allen Seiten viel Verunsicherung, sowohl bei den Ärzten als auch bei den Patienten.
Was regelt der Heilmittelkatalog?
Im Heilmittelkatalog ist aufgeführt, welche Verordnung innerhalb der Physiotherapie bei welchen Diagnosen als wirtschaftlich gilt. Zugrunde liegt dem der Versuch, die Ausgaben der Krankenkassen für Heilmittel, zu denen die Physiotherapie zählt, zu senken und in eine Art überschaubaren Rahmen zu führen. So soll den verordnenden Ärzten eine Hilfe an die Hand gegeben sein, um zu erkennen, welche Verordnungen von den Krankenkassen recht anstandslos übernommen werden, da diese als wirtschaftlich gelten. Verordnende Ärzte haben in der Regel einen Heilmittelkatalog in der Praxis, die Physiotherapeuten auch. Den Heilmittelerbringern ist zudem vom Gesetzgeber übertragen worden, die Richtigkeit der Verordnungen zu überprüfen, Fehler gehen zu ihren Lasten. Kürzlich wurde so ein Fall vom Bundessozialgericht Kassel wieder in diesem Sinne entschieden.
Was ist neu an dem Katalog im Gegensatz zu vorher?
Die auffälligste Veränderung ist, dass jetzt alle Krankheiten in Diagnosegruppen eingeordnet sind. Das erscheint erst einmal sehr einleuchtend, hat aber in der Praxis den Nachteil, dass nun alle Patienten in diese Diagnosegruppen passen müssen, was nicht immer medizinisch richtig ist. So gibt es keine Möglichkeit mehr, bei psychosomatischen Beschwerden oder bestimmten gynäkologischen Problemen Physiotherapie zu verordnen, auch wenn es hilfreich wäre. Diese Patienten tauchen dann unter anderem Krankheitsnamen bei den Physiotherapeuten auf, was statistisch zumindest bedenklich ist. Grundsätzlich kann aber jeder kassenzugelassene Arzt Physiotherapie verordnen, vom Zahnarzt über den Hausarzt bis hin zu allen Fachärzten.
Wie wird der Katalog angewendet?
Möchte ein Arzt Physiotherapie verordnen, muss er zunächst die Beschwerden des Patienten innerhalb des Kataloges anhand verschiedener Kategorien einordnen und kann dann ersehen, welche Verordnungsmenge möglich ist. Mit einem akuten Bandscheibenvorfall, der radikuläre Symptome einschließt, also Missempfindungen oder Lähmungen, sind das zum Beispiel sechs Behandlungen in einer Erstverordnung. Ist der Patient danach nicht beschwerdefrei, kann er nach dem Katalog weitere sechs Behandlungen in einer Folgeverordnung verschrieben bekommen. Weitere Verordnungen in der Physiotherapie sind nun nicht mehr möglich. Der Arzt könnte alternativ noch sechs Massagen verordnen, dann ist der Regelfall ausgeschöpft.
Was ist, wenn die Verordnungsmenge nicht reicht?
Ist der Regelfall ausgeschöpft, also alles das, was im Katalog steht, verordnet, dann muss eine Pause eingelegt werden. Erst zwölf Wochen nach dem Ausstellungsdatum des letzten Rezeptes darf eine neue Verordnung ausgestellt werden, hiermit beginnt dann ein neuer Regelfall, den man vollständig ausschöpfen kann, als hätte es den vorherigen nie gegeben. Im oben geschilderten Falle wären das also wieder zwei Rezepte mit jeweils sechs Behandlungen Physiotherapie, dann wären noch sechs Behandlungen für eine Massagetechnik möglich.
Ob während des Regelfalles oder in der Therapiepause ein Quartalswechsel stattfindet oder nicht, ist für die Verordnung unerheblich. Endet ein Rezept am Anfang eines neuen Quartals und man hat einen Anspruch auf eine Folgeverordnung, muss man allerdings wieder zehn Euro Praxisgebühr bezahlen, bevor man die neue Verordnung ausgestellt bekommt.
Was ist, wenn eine Pause kontraproduktiv wäre?
Ist eine Pause von zwölf Wochen für den Patienten nicht zumutbar, weil sich der Gesundheitszustand drastisch verschlechtern würde oder die Lebensqualität erheblich litte oder aber ein erhöhter Pflegeaufwand entstünde, dann kann der Arzt eine Verordnung außerhalb des Regelfalles ausstellen, muss dies aber ärztlich begründen.
Ab jetzt muss er sich auch nicht mehr an die Mengenvorgaben des Kataloges halten und könnte zum Beispiel auf einem Rezept gleich 20 Einheiten Physiotherapie verschreiben. Das wäre sinnvoll, weil der Patient weniger häufig in die Arztpraxis müsste, um eine neue Verordnung zu holen. Andererseits aber auch, weil ja mit jedem Rezept zehn Euro Verordnungsgebühr anfallen, unabhängig davon, wie viele Einheiten verordnet sind.
Die Verordnungen außerhalb des Regelfalles müssen allerdings im Vorfeld von der jeweiligen Krankenkasse genehmigt werden. Im Laufe der Jahre haben sich allerdings immer mehr Kassen entschlossen, auf die Genehmigungspflicht zu verzichten, da der Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen stand.
Wer kann Auskunft geben?
Am ehesten sind die Physiotherapeuten die richtigen Ansprechpartner. Auch für die Fristen, die bei diesen Rezepten einzuhalten sind. Für die verordnenden Ärzte ist der Heilmittelkatalog oft ein Brief mit sieben Siegeln, weil in der Anwendung von ihnen verlangt wird, dass sie physiotherapeutische Techniken und deren Wirkweise und auch Wirksamkeit einschätzen können. Das ist aber oft verständlicherweise nicht der Fall.