Auch die Schulmedizin bedient sich am Wissen aus dem Himalayagebiet
Tibet ist mit seiner uralten Kultur ein geheimnisvolles Land. Unter chinesischer Hoheit stehend, schafft es Tibet, eine Eigenständigkeit zu bewahren, auch medizinisch.
Die tibetische Medizin lebt aus der Erfahrung. Schon im zweiten und dritten Jahrhundert vor Christus war die Heilwirkung von vielen Pflanzen und tierischen Stoffen für den Menschen bekannt. Die Praktiker zogen folgenden Schluss: Wo es ein Gift gibt, gibt es auch ein Gegengift. Ein Standardwerk verfasste der Arzt Yuthog Yontan Gonpo im 12. Jahrhundert – „Die vier Wurzeln“. In dieser Schrift versucht der Verfasser, die verschiedenen Krankheiten ganzheitlich zu erklären. Er untersucht die Physiologie des menschlichen Körpers, die Pathologie, die Diagnostik und darauf folgende Behandlungsmethoden.
Tibetische Medizin
Die tibetische Medizin ist ein Heilsystem, das vorwiegend in den Ländern und Regionen des Hochlandes verbreitet ist. Über den Ursprung der Tibetischen Medizin sind verschiedene Legenden im Umlauf. Fakt ist, dass sich im tibetischen Kulturraum schamanisch-spirituelle Tradition mit magisch-medizinischer Arzneimittelkunde vermischte. Die Qualität tibetischer Heilpflanzen war im antiken China bekannt und wurde bereits in frühen pharmakologischen Texten erwähnt. Mit dem Buddhismus gelangten wichtige Schriften aus Indien nach Tibet, vor allem die erwähnten Grundwerke der tibetischen Medizin. Auch die ayurvedischen Grundlagen wurden integriert. Alles Sein basiert auf den Elementen Erde, Wasser, Feuer, Holz, Metall und dem harmonischen Gleichgewicht untereinander.
Wie wird behandelt?
Fast wie überall in der fernöstlichen Medizin versuchen Ärzte durch Beobachtung eines Patienten körperliche Störungen festzustellen, die eventuell im psychischen Bereich angesiedelt sind. Diagnostisch großer Wert wird auf den Zustand der Zunge und des Urins gelegt. Den Patienten wird aber vor allem eine Lebensweise empfohlen, die Krankheiten gar nicht erst entstehen lässt. Dazu gehören eine richtige Ernährung und eine entsprechende Geisteshaltung. Bei bereits entstandenen Krankheiten wird vor allem homöopathisch behandelt, äußerlich werden auch noch Schröpfen, Aderlass, Massagen, Bädern und Räucherungen praktiziert.
Großer Wert wird in der tibetischen Medizin außerdem auf das Ertasten der Pulsfrequenz gelegt. Dadurch können Rückschlüsse auf gesundheitliche Probleme gezogen werden.
Verlorene Mitte wiederfinden
Medizin verfolgte in ihrer ursprünglichen Form zu allen Zeiten und Kulturen das Ziel, den Menschen auf unterschiedliche Weise zu helfen, ihre verloren gegangene Mitte wiederzufinden. Asiatische Heilverfahren sind diesem Grundsatz von der Historie bis in die Gegenwart treu geblieben. Aber auch die westliche Schulmedizin versucht immer mehr, verschiedene Heilungsmethoden in einen Konsens zu bringen. „Ganzheitliche Medizin mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand“ ist der Zaubersatz, der einiges bewirken kann – oder will.
Die tibetische Heilkunst hat erkannt, was spät, aber doch in die westliche Schulmedizin einfließt. Erkrankungen sind nicht nur vor allem auf körperliche Schwächen zurückzuführen, vielfach entstehen sie bereits im Geist. Asiatische Lebensphilosophie mit ihren Heilkonzepten und westlicher Schulmedizin gepaart, das Beste aus zwei verschiedenen Welten für Patienten herauszuholen, ist vielleicht ein Patentrezept.