Kompostierbarer Kunststoff kann mit konventionellem konkurrieren.
Schon mal was von Polyhydroxybutyrat, kurz PHB, gehört? Der Bio-Kunststoff könnte in Zukunft große Teile des Verpackungsmarktes abdecken, um danach auf dem Komposthaufen zu zerfallen. Möglich wird das paradoxerweise erst dadurch, dass es Wissenschaftlern gelungen ist, den natürlichen Stoff künstlich nachzubilden. Dr. Bernhard Rieger, damals an der Universität Ulm, und Dr.Gerrit Luinstra von der BASF bekamen dafür 2006 den Forschungspreis der Philip Morris Stiftung.
Synthese mit Bakterien ist teuer und schwer zu steuern
PHB kommt in der Natur vor: Bestimmte Bakterien reichern diesen Stoff als Speicher für Kohlenstoff und Energie in ihren Zellen an. Er hat ähnliche Eigenschaften wie Polypropylen, ein vielseitig einsetzbarer Kunststoff, von dem weltweit an die 40 Millionen Tonnen pro Jahr hergestellt werden – aus Erdöl. Bisher hatten Forscher versucht, die PHB-Synthese mit Bakterien nachzustellen. Das ist auch gelungen, allerdings mit erheblichem Aufwand. „Dafür nimmt man Bakterien, die man züchtet oder gentechnisch verändert“, erklärt Dr.Carsten Troll, der zum Team von Bernhard Rieger gehört. Mit diesen Bakterien lasse sich in einem Fermentor, also einem Bioreaktor, unter genau definierten Bedingungen und mit Hilfe von speziellen Enzymen und von Zucker PHB gewinnen. Eine Zeitlang gab es tatsächlich einen auf diese Weise biologisch gewonnenen Kunststoff auf dem Markt. Er kam von einer englischen Firma und hieß ‚Biopol‘, wird aber inzwischen nicht mehr hergestellt: Das Verfahren war aufwändig und teuer, das Produkt zu spröde für Verpackungsfolien und nur schwer zu verarbeiten.
Traumreaktion mit Erdöl und Katalysator
„Das Problem ist tatsächlich, dass die Natur zu perfekt ist“, sagt Troll. Sie baue die Polymerkette so regelmäßig auf, dass sie zwar dauerhaft bestehen könne, aber brüchig sei. Universitätsprofessor Rieger und BASF-Mann Luinstra haben deshalb in einem gemeinsamen Forschungsprojekt getrickst: Ihnen gelang, naturidentisches PHB aus Kohlenmonoxid und Polypropylen herzustellen, also die biologische Erzeugung durch eine synthetische zu ersetzen. Für den Laien klingt das wenig überzeugend, schließlich ist damit wieder Erdöl im Einsatz anstelle eines nachwachsenden Rohstoffes. Doch die Wissenschaftler sprechen von einer „Traumreaktion“, die mit Hilfe eines maßgeschneiderten Katalysators möglich wurde. Das entstehende Plastik ist kompostierbar, seine Synthese lässt sich steuern, so dass PHB mit unterschiedlichen Eigenschaften zustande kommt – hartes, weiches, elastisches, durchsichtiges,…
Erdölverbrauch verringert
Die Komponente Kohlenmonoxid ist ein Verbrennungsprodukt, „das entsteht an jeder Heizquelle, an jeder Müllverbrennung – davon gibt es genug“, sagt Troll. Und beim Erdöl ist immerhin eine Einsparung zu vermelden: Davon wird nur halb so viel gebraucht wie bei der Herstellung von Polyproylen. Ohnehin gingen nur fünf Prozent des weltweiten Erdöl-Verbrauchs in die chemische Industrie und davon wiederum nur ein Teil in die Kunststoffproduktion, unterstreicht Rieger, der inzwischen einem Ruf an die Technische Universität München gefolgt ist.
Konkurrenz zu herkömmlichem Kunststoff
Trotzdem wäre es „natürlich ideal, wenn man auf nachwachsende Rohstoffe bauen könnte“, bestätigt Troll. Er ist überzeugt, dass das in 40 oder 50 Jahren kein Problem mehr sein wird. Schlagendes Argument für PHB ist, dass es dank des neuen Verfahrens sowohl bei den Eigenschaften als auch beim Preis mit herkömmlichem Kunststoff konkurrieren kann. Das ist ein entscheidender Unterschied zu anderem Bioplastik, das es bereits gibt, überwiegend aus Stärke oder Zellulose hergestellt wird und leider noch immer um ein Vielfaches teurer als konventioneller Kunststoff ist. Denkbar sind vielfältige Anwendungen für PHB, sei es die Plastik-Einkaufstüte, die man in den Bio-Müll werfen kann, der Joghurtbecher oder die Babywindel. PHB zerfällt zwar unter Einwirkung von Feuchtigkeit, aber durch Stabilisatoren lässt sich dieser Prozess steuern. Der Löwenanteil wird aber nach Einschätzung von Troll „in Richtung Verpackung gehen.“
Momentan ist das neue PHB noch ein Prototyp, längerfristig könnte es Schritt für Schritt immer mehr Polyproylen ersetzen. Und würden nur zehn Prozent der klassischen Kunststoffe durch Bioplastik abgelöst, entspräche das nach Schätzung des Industrieverbandes European Bioplastics einer Menge von fünf Millionen Tonnen weltweit pro Jahr.