Vegetarismus und Feminismus: gibt es einen Zusammenhang? Gibt es Verbindungen zwischen Engagement für Gleichberechtigung von Mann und Frau, und für Tierrechte? Ernähren sich Feministinnen häufiger vegetarisch?
In ihrem Buch „The sexual politics of meat“ („Die sexuelle Politik von Fleisch“) beschreibt Carol J. Adams die Zusammenhänge zwischen Feminismus und Vegetarismus. Das Bewusstsein einer feministischen Frau ist ihrer Meinung nach besonders feinfühlig für Ungerechtigkeiten und Kontradiktionen. Eines Tages wurde ihr Pferd erschossen. Als sie am selben Abend in ein Stück Rindfleisch biss, fragte sie sich, wie sie gleichzeitig über ein totes Tier trauern, und ein anderes totes Tier essen konnte. Sie war nicht dazu in der Lage eine vernünftige Rechtfertigung dafür zu finden, dass die tote Kuh von ihrem Mitgefühl ausgenommen war, nur weil sie sie nicht persönlich kannte.
Sind auffällig viele Feministinnen gleichzeitig Vegetarierinnen?
Und auffällig viele Vegetarierinnen Feministinnen? Carol J. Adams stieß in ihren Recherchen über Feminismus, in feministischer Literatur, und bei ihren Kolleginnen so oft auf Vegetarierinnen, dass sie begann über einen Zusammenhang nachzudenken. Die Nahrungsmittelauswahl sei Ausdruck der Einstellungen und Weltanschauungen von Menschen. Wer gegen die Unterdrückung von Frauen kämpft, sei womöglich auch prädestiniert für den Kampf gegen die Unterdrückung von Tieren.
Eine Statistik zu dieser Fragestellung gibt es nicht, jedoch stößt man auch auf feministischen Internet-Seiten auffällig häufig sowohl auf vegetarische Artikel und Blogs, als auch auf allgemeinen Tierschutz-Content.
Sind Tiere als Ware vergleichbar mit Frauen als Ware?
Das Titelbild des Buches zeigt die Zeichnung einer Frau, die – wie üblicherweise Zeichnungen von Schlacht-Tieren – unterteilt ist in Rippchen, Karree und ähnliches. Damit unterstreicht Carol J. Adams die Idee, dass Frauen gleichermaßen wie Tiere oft als Fleisch, oder als Ware angesehen werden. Und dass dabei vergessen wird, dass es sich nicht um ein „Es“ handelt, sondern um einen „Jemanden“. So wie lebende Tiere durch ihren Tod zu essbarem Fleisch abstrahiert werden, so werden Frauen ihrer Meinung nach zu Sex-Objekten, Haushalts-Sklaven, und Gebär-Maschinen abstrahiert.
Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen seien vergleichbar mit jenen zwischen Menschen und Tieren, so die Autorin des Buches. Das darin enthaltene Unrecht könne von vielen nicht wahrgenommen werden, da es in unserer Gesellschaft allgegenwärtig sei, und die Einstellung der dominanten Kultur wiedergebe.
Auch seien sowohl der Umgang mit Frauen als auch der Umgang mit (Nutz-)Tieren mit Begriffen von Männlichkeit assoziiert: ein „echter“ Mann isst keine Quiche, und ein „echter“ Mann schrubbt nicht den Boden. Oder? Hat sich seit der Erstveröffentlichung des Buches im Jahr 1976 hat sich diesbezüglich etwas getan? Im Jahr 2001 lautet Carol J. Adams´ Antwort: nein. Sie ist der Meinung, dass Fleisch immer mehr an Bedeutung als „männliches“ Essen gewinnt. Und unbestritten ist, dass der Fleisch-Konsum in Industrie- und Schwellenländern permanent steigt.
Reaktionen auf die Theorie
Die Veröffentlichung entfachte eine heftige Diskussion. Einerseits gab es viele Menschen, die durch Carol J. Adams´ Theorie zum Nachdenken angeregt wurden, und das Buch sehr gut fanden. Andererseits wurden auch kritische Stimmen von Fleisch-Essern laut. Sie sagten, dass diese Theorie zu weit gehe, und reine Spekulation sei. Weiters empörten sich auch Menschenrechtsaktivisten, die meinten, man solle erst all den armen Menschen helfen, bevor man sich über solche Dinge Gedanken machte. Die Autorin des Buches ist jedoch der Meinung, dass Menschen- und Tierrechte Hand in Hand gehen können und sollen.