Ein wichtiges psychoanalytisches Verfahren
Ein Gespräch spielt in der Psychoanalyse eine zentrale Rolle. Der Analytiker gewinnt hierdurch Erkenntnisse über den Patienten in seiner Einzigartigkeit.
Der Dialog zwischen dem Patienten und seinem Therapeuten ermöglicht die Ausstellung einer Diagnose. Diese wiederum leitet eine Therapie ein.
Von dem gemeinen Klönen unterscheidet sich solch eine Art der Kommunikation durch eine ungleiche Gewichtung der beiden Teilnehmer. Sie tauschen nicht gegenseitig, wie das beim Plaudern üblich ist, Neuigkeiten und Probleme aus. Der Therapeut zieht sich in dieser Hinsicht zurück. Im Mittelpunkt steht der Patient, der befragt wird oder ermutigt zu sprechen. Aus diesem Grund hat sich in der fachlichen Terminologie der Begriff „psychoanalytisches Interview“ eingebürgert.
Vergiss das Wissen!
Diesen Aufruf hätte sich jeder Analytiker auf seine Fahne schreiben können. Zwar handelt der Therapeut auf der Basis der psychoanalytischen Persönlichkeitstheorie und Krankheitslehre, dennoch bemüht er sich, dem Patienten unvoreingenommen zu begegnen, und ihn in seiner Einzigartigkeit zu akzeptieren. Somit meidet er die Gefahr, den Hilfesuchenden zu schnell in eine „diagnostische“ Schublade zu packen und ein Etikett aufzukleben, etwa wie „typischer Fall einer Zwangsneurose“.
Gefühle als Werkzeuge
Der Analytiker stellt sich also ganz auf den ihm gegenüber sitzenden Menschen ein. Die ersten Informationen erhält er schon bei der Beobachtung der Grundhaltung. Wesentlich mehr findet er aber heraus, wenn er in den anderen „eintaucht“ und mitfühlt. Dies führt folglich zur vollständigen Wahrnehmung und gleichzeitig animiert zu den unterschiedlichen Reaktionen auf sein Gegenüber.
Der Therapeut „reagiert auf alles, was vonseiten des anderen angeboten wird, vor allem auf Gefühle, Affekte oder Emotionen. Er reagiert z. B. verärgert auf ein verächtlich-geringschätziges Verhalten; mit einer leichten Wut gegenüber einem allzu aufdringlichen Benehmen; mit einer gewissen Angst, vereinnahmt zu werden, gegenüber einem Verhalten eines Patienten, der alles von ihm wissen will, der nie genug haben kann“.
Auf dem Wege dieser durchaus kontrollierbaren Gefühle erkundet der Analyst, in welches Beziehungsmuster der Patient ihn hineinzubringen versucht.
Gespräch festhalten
Das Gespräch wird auf dem Tonband festgehalten oder aus dem Gedächtnis als Bericht verfasst. Die Mehrheit der Analytiker wählt indessen den Weg des Fallberichts, wie ihn zuerst Sigmund Freud begangen hatte: „Die persönlichen Eigenheiten eines Menschen werden dabei so anschaulich, so bildhaft und so lebendig wie möglich herausarbeiten“. Der unverwechselbaren Individualität des Einzelnen wird in einer Art vom Portrait gewürdigt.
Vor dem Überschuss der Subjektivität wie auch vor den wechselhaften Einschätzungen einer und derselben Situation kann sich der Analytiker auf verschiedene Weise schützen.
Notwendig ist eine klare Trennung zwischen dem Bericht über Ablauf und Phasen des Gesprächs und dessen Interpretation. Die Interpretation selbst bedarf wissenschaftlicher Argumentation im Einzelnen.
Eine weitere Möglichkeit bietet die Supervision. Der Psychoanalytiker schildert das Gespräch und eigene Interpretationen einem Experten, der sowohl die „blinden Flecken“ entdecken wie auch die fehlerhaften Schlussfolgerungen korrigieren hilft.