Geschichte ist mehr als nach dem zu fragen, was in der Vergangenheit geschah. Im Idealfall kann die Geschichte auch Fragen der Gegenwart beantworten.
Jahreszahlen pauken, die Namen längst verstorbener historischer Größen auswendig lernen – das ist das, was viele Schüler mit dem Fach Geschichte verbinden. Was in der Schule oft als Fach des Wissens gelehrt wird, ist an Universitäten eines der grundlegenden Fächer der Geisteswissenschaften, in denen Verständnis und Kombinationsfähigkeiten eine zentrale Rolle spielen.
An Universitäten wird die Geschichte in drei große Phasen aufgeteilt – nicht alle Universitäten bieten im Studiengang Geschichte jede dieser drei Phasen an. Alte Geschichte, Mittlere Geschichte sowie Neuere und Neueste Geschichte gelten als eigene Fächer. Die Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg etwa bietet Alte Geschichte separat zur Mittleren und Neueren Geschichte als Studienfach an, in Dresden oder Berlin hingegen kann man auch die bloße Neuere und Zeitgeschichte studieren.
Voraussetzungen für das Studium
Im Alltag wird Geschichte häufig als Bestandteil des Allgemeinwissens wahrgenommen. Das ist natürlich nicht falsch. Um die Vergangenheit des eigenen Landes zu bewältigen oder die Kultur anderer zu verstehen, ist es selbstverständlich von Bedeutung, eine gewisse Geschichtskenntnis mitzubringen. Studenten der Geschichtswissenschaft benötigen jedoch in erster Linie andere Qualitäten als pures Wissen – mit auswendig gelernten Jahreszahlen oder Namen aus Schulzeiten kommt man an der Uni nicht weit. Daher ist es auch keine Voraussetzung, in der Schule einen Geschichts-Leistungskurs besucht zu haben, auch wenn Universitäten mit Auswahlverfahren dies natürlich gern sehen.
Wichtiger als bereits vorhandenes Wissen ist im Blick auf das Geschichtsstudium die Bereitschaft, viel zu lesen sowie die Kenntnis mehrerer Sprachen. Wer Alte oder Mittlere Geschichte studiert, muss ein Latinum nachweisen können. Keine Panik für alle, die in der Schule noch nicht Latein gelernt haben – alle Universitäten bieten selbst Schnellkurse an, in denen das Latinum nachgeholt werden kann. Das Nachholen der lateinischen Sprache ist jedoch sehr arbeitsintensiv. Wer Zeit hat, sollte sich frühzeitig mit der komplexen Grammatik auseinandersetzen. Einen Vorteil genießt zudem jeder, der in der Schule schon Französisch gelernt hat. Neben Englisch gilt an vielen Universitäten auch die französische Sprache als obligatorisch für angehende Historiker. In Heidelberg zum Beispiel müssen im Rahmen von Sprachklausuren am Ende der jeweiligen Proseminare Latein, Englisch und eine weitere moderne Fremdsprache nachgewiesen werden.
Quellen und Sekundärliteratur
Während Lehrer auch einmal ein Auge zudrücken, wenn Schüler mit Informationen zu Referaten antreten, die sie Wikipedia entnommen haben, reagieren Universitätsprofessoren und Dozenten eher sensibel auf derartige Literaturangaben. Im Geschichtsstudium ist es sehr wichtig, möglichst viel und differenziert zu lesen sowie gleichzeitig die Quellen im Original zu lesen und zu verstehen, auch wenn sie in einer Fremdsprache verfasst sind und eine Übersetzung ins Deutsche bereits vorhanden wäre.
Wo bei der wissenschaftlichen Lektüre sowie beim Schreiben strenge Regeln gelten, die unbedingt eingehalten werden müssen, genießen Geschichtsstudenten viel mehr als andere Studenten Freiheiten in Bezug auf die Auswahl ihrer Seminare und Vorlesungen. Die einzige Vorgabe der Universitäten lautet, eine bestimmte Anzahl an Seminaren und Vorlesungen zu den großen Phasen der Geschichte – Alte Geschichte, Mittlere Geschichte, Neuere und Neueste Geschichte – zu besuchen. Mit welchen Themen er sich innerhalb dieser Phasen beschäftigt, bleibt dem Studenten jedoch freigestellt. Diese Freiheit erfordert natürlich auch ein gewisses Maß an Selbstständigkeit. Um den Erwerb seiner Scheine oder ECTS-Punkte muss der Student sich weitestgehend selbst kümmern.
Verwandtschaft zu anderen Fächern
Weil sämtliche Studienfächer eine Geschichte hinter sich haben, kann man sich auch innerhalb der Geschichtswissenschaft mit verwandten Wissenschaften beschäftigen. Häufig werden zum Beispiel Seminare oder Vorlesungen über die Geschichte der Medizin oder Rechtsgeschichte angeboten. Auch soziologische oder wirtschaftsgeschichtliche Themen stehen nicht selten im Vorlesungsverzeichnis. Man muss am Ende seines Geschichtsstudiums also keineswegs über sämtliche Bereiche der Geschichte Bescheid wissen. Wichtiger ist vielmehr, sich mit einem bestimmten Aspekt des eigenen Interesses konzentriert auseinandersetzen zu können. Wie man recherchiert, was man in Quellen interpretieren kann und darf, was Zeitzeugen uns nützen – das sind die Dinge, die das Geschichtsstudium vermittelt.
Zukunftsperspektiven
Am Ende eines erfolgreichen Geschichtsstudiums steht ein Historiker. Sein Beruf ist nicht klar definiert. Er kann entweder weiter wissenschaftlich arbeiten und als Forscher an der Universität, Instituten oder Museen arbeiten. Auch Gedenkstätten bieten Plätze für Historiker, wobei diese immer rarer werden. Viele Historiker landen auch bei Medien oder in der Kultur: Als Veranstalter, bei Kulturdezernaten von Städten oder Ländern, aber auch bei Institutionen wie dem Goethe-Institut im Ausland können Historiker unterkommen. Wer sein Staatsexamen ablegt, kann damit letztendlich auch Geschichtslehrer werden.