Wenn Angst krankhaft ist, sollte sie behandelt werden. Doch auch vor der Behandlung haben Angstpatienten Angst.
Angst ist eine der menschlichen Ur-Emotionen. Ohne Angst schätzen wir Situationen falsch ein und treffen dadurch möglicherweise Entscheidungen, die lebensbedrohliche Konsequenzen haben können. Wenn Angstgefühle und Unruhezustände jedoch ohne wirklichen Grund entstehen, bleiben und den Alltag bestimmen, ist die Angst krankhaft.
Aktuelle repräsentative Studie: Fast ein Viertel leidet unter Angstzuständen
Weil die Betroffenen ihre Angstzustände kaschieren, haben sie gleichzeitig das Gefühl, mit ihren Problemen alleine dazustehen. Doch die epidemiologischen Daten sagen etwas anderes. Eine von der Spitzner Arzneimittel GmbH in Auftrag gegebene repräsentative Online-Befragung mit 1.050 erwachsenen Männern und Frauen, die im Juni und Juli 2011 durchgeführt wurde, besagt, dass 22 % der Befragten regelmäßig oder wiederholt an belastenden Angst- und Unruhezuständen leiden. Während sich bei der Geschlechterverteilung zeigte, dass Frauen wesentlich häufiger unter solchen Störungen leiden, fand sich in dieser Studie hinsichtlich der Altersverteilung ein sehr homogenes Bild über alle Arbeitsgruppen.
Die persönliche Zukunft macht Angst
Befragt nach den Gegenständen, Themen und auch ursächlichen Ereignissen von Angstzuständen erbrachte die Studie ein sehr klares Ergebnis: Für die meisten Patienten stehen nicht etwa global bedrohliche Themen wie die Finanzkrise, Seuchen wie EHEC oder Atomkatastrophen im Mittelpunkt ihrer ständig kreisenden Gedanken, sondern die eigene und familiäre wirtschaftliche Perspektive mit der Angst vor einem sozialen Abstieg und der Befürchtung, kein selbstbestimmtes Leben mehr führen zu können. Diese Ängste haben sowohl jüngere als auch ältere Menschen. Beide Gruppen unterscheiden sich allenfalls in Nuancen: Jüngere Menschen haben häufiger Angst vor dem Verlust der Partnerschaft, vor dem Alleinsein, aber auch vor dem Arbeitsplatzverlust, während Krankheit und der Verlust der Selbständigkeit im Fokus beider Altersgruppen steht.
Mehr Informationen – mehr Angst?
Die Vermutung, dass eine immer stärkere und schnellere Überflutung mit Reizen und Informationen unser neurophysiologisches System der Reizverarbeitung und Weiterleitung schlichtweg überfordert, lässt sich durch neurophysiologische Untersuchungen belegen. Bei einer chronischen Überlastung oder einem traumatisierenden Ereignis kommt es im Nervensystem zu einer gestörten Balance zwischen erregenden und hemmenden Botenstoffen der Informationsweiterleitung. Wenn dieser „Reizfilter“ defekt ist, prasseln zu viele Informationen völlig ungefiltert auf das zentrale Nervensystem ein. Von den Betroffenen werden dadurch relativ überschaubare und berechenbare Situationen bereits als angstauslösend empfunden.
German Angst – keine Befindlichkeitsstörung
Diese Ängste sind keine Befindlichkeitsstörung, sondern behandlungsbedürftig. Denn selbst bei weniger stark ausgeprägten Angststörungen leiden Patienten unter massiven Einschränkungen ihrer Lebensqualität. Sie fehlen im Schnitt zwei Tage in der Woche in ihrem Beruf und sind auch in der Familie nur eingeschränkt leistungsfähig. Doch bevor diesen Menschen eine wirksame Therapie zuteil wird, vergehen oft Jahre. In dieser Zeit suchen Patienten eigene Bewältigungsstrategien, wie Lesen oder Fernsehen als Ablenkung, Gespräche mit Familienmitgliedern und/oder engen Freunden oder auch Entspannungstechniken wie z. B. autogenes Training oder Joga.
Erst wenn diese Strategien nicht zum Ziel führen oder sich die Symptomatik weiter verschlechtert, stellt man sich beim Hausarzt vor. Dort wird jedoch die Problematik oft nicht eindeutig geschildert. Die Patienten sprechen von Schlafstörungen, Reizmagen- oder Reizdarmbeschwerden, chronischen Kopfschmerzen oder immer wiederkehrenden Rückenschmerzen. Ärzte, die diese Beschwerden diagnostisch abklären wollen, finden kaum einen Befund. Häufig genug wechselt der frustrierte Patient den Arzt und das Spiel beginnt von Neuem.
Das Dilemma der Angstpatienten
Angst als Diagnose können viele nicht zulassen, denn sie haben zusätzlich Angst, aufgrund der psychiatrischen Diagnose sozial geächtet zu werden und sie haben Angst vor Psychopharmaka. Die Untersuchung von TNS Infratest bestätigt, dass die Patienten Wesensveränderungen, Abhängigkeit, Sedierung und Hang-over-Effekte fürchten. Für diese Patienten sind pflanzliche Medikamente eine denkbare Alternative.