Die Krise oder die angebliche Krise der Geisteswissenschaften, die fehlende Trennschärfe des Faches, diffuse Standards: Was geht das die Studenten an?
Im Foyer der Berliner Humboldt-Universität. Zum Semesterbeginn haben Studentengemeinden, Buchhandlungen und Telefondienstleister Schautische aufgestellt und informieren über ihre speziellen Angebote für Studierende. Auch einige Erstsemester sind unterwegs. Zum Beispiel die Skandinavistik-Studentinnen Skadi, Svenja und Karoline. „Ich war mal so ein Jahr in Norwegen, deswegen ist es dann Skandivanistik geworden“, erzählt Skadi. „Mich interessiert einfach die Kultur aus Nordeuropa“, meint Svenja. „Man weiß einfach zu wenig über Nordeuropa und deswegen: Horizont erweitern“, findet Karoline.
Nordeuropa-Studien aus Überzeugung
Sie haben sich für das Fach entschieden, weil sie Land und Leute, ihre Sprachen, ihre Bücher und ihre Filme interessant finden. Von einer Krise in der geisteswissenschaftlichen Forschung haben die drei noch nichts mitbekommen. Dennoch haben sie bereits vor dem ersten Semester das Ansehen ihres Faches verteidigen müssen. „Dann kommt auch die Frage: Was ist Skandinavistik und dass man damit sowieso nichts machen könne. Die Geisteswissenschaften werden immer als brotlose Kunst betrachtet, man studiert sich quasi arbeitslos. Ich hoffe, dass es nicht so kommt“, macht sich Skadi so ihre Gedanken.
Kultur- und Medienarbeiter
Im Kultur- oder Medienbereich wollen sie arbeiten, genau wissen sie es allerdings noch nicht. Dass sie irgendwo unterkommen, davon gehen sie aus. Eine Hoffnung, die auch Studien des Wissenschaftsrates bestärken. Innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Abschluss haben sich Geisteswissenschaftler im Arbeitsmarkt etabliert, so die Ergebnisse einer Untersuchung. Dass dauert zwar immer noch länger als in anderen Fachrichtungen, aber eine brotlose Kunst sind die Geisteswissenschaften nicht, selbst wenn nach dem Studium die Zukunft erst einmal ungewiss ist. Klare Vorstellungen über ihren weiteren Lebensweg haben die beiden Zwillinge Peter und Steffen. Gemeinsam haben sie überlegt: Wo liegen unsere Begabungen, und in welchem Fach können wir Erfolg haben? Dann haben sie sich für Latein entschieden. „Weil uns Latein im Unterricht am meisten Spaß gemacht hat und weil wir glauben, dass Sprachen uns sowieso liegen. Und wenn wir Englisch noch dazu nehmen, haben wir ganz gute Karten“, sagte Peter und Steffen ergänzt: „Beim Lehramtssttudium weiß man, was man hat und wenn man einfach nur so studiert, was macht man dann damit?“
Zum Beispiel Journalistin werden. Das möchte nämlich Viktoria. Sie studiert Germanistik und Englisch. „Ich bastle gern mit Grammatik rum. Und Englisch fand ich schon immer cool“, sagt sie. „Da dachte ich, mach mal ein Studium. Kann ja nicht schaden.“
Keine Krise für Erstsemester
Die vermeintliche Krise lässt sie ebenfalls kalt, wie die meisten Erstsemester, so die Erfahrung der Studienberater. Zu voll gepackt sei das Bachelor-Studium, sagt auch Viktoria. Da bleibe kaum Zeit, über solche Themen nachzudenken. Vielleicht später einmal im Master-Studiengang. Denn den will sie auf jeden Fall machen; da hat sie wie viele Erstsemester schon eine klare Vorstellung. Dass ihr Fach durchaus Sinn macht, davon ist sie überzeugt, ebenso wie Skandivanistik-Studentin Skadi: „Es vermittelt einem doch ein anderes Bild, da die Geisteswissenschaften keine festen Regeln haben so wie Physik“, philosophiert sie bereits im ersten Semester. „Das ist ja gerade unser Kulturgut, was uns da vermittelt wird. Und das sollte nicht immer diesen niedrigen Status haben, so wie es immer dargstellt wird.“