Geldmangel bedroht auch Intensivstationen. Immer mehr Ärzte wandern in das Ausland ab. Dort ist ihr Ansehen höher und es gibt mehr Geld. Ein Problem, das auch die Fachrichtung der Narkoseärzte umtreibt.
Es lässt sich nicht mehr beschönigen: Das deutsche Gesundheitswesen ist im Umbruch. Und jetzt schlagen die Narkoseärzte Alarm: Ihnen geht der Nachwuchs aus. Ein Thema, das auf einem Fachkongress dieser Fachrichtung in Leipzig breiten Raum einnahm.
Eigentlich müsste die personelle Situation gut aussehen Jährlich schließen rund neunhundert Mediziner ihre Fachausbildung zum Anästhesisten ab. Damit kommen statistisch auf jeden aus Altersgründen ausscheidenden Narkosearzt vier Nachwuchsärzte. Statistisch, denn so Professor Dr. Jürgen Schüttler, Präsident der Fachgesellschaft: „Dieser Überschuss ist nur die halbe Wahrheit. Denn viele Anästhesisten – vor allem Frauen – arbeiten nur in Teilzeit.“
Große regionale Unterschiede
Außerdem gibt es laut Schüttler schon heute große regionale Unterschiede in Deutschland: „Je weiter man nach Norden und Osten kommt, desto ungünstiger stellt sich das Verhältnis zwischen ausscheidenden und nachrückenden Fachärzten dar“.
Erschwerend komme die Abwanderung junger Ärzte ins Ausland hinzu. Noch sei die Situation überschaubar. Jährlich wandern rund 2.600 Ärzte aller Fachrichtungen ab. Aber die Tendenz ist laut Schüttler – im Hauptberuf Direktor der Anästhesiologischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen – steigend. Gründe für die Abwanderung seien neben der höheren Wertschätzung das höhere Einkommen. Hier müsse man ansetzen.
Zahl der Weiterbildungsstellen wurde reduziert
Hinzu kommt, dass die Krankenhäuser die Zahl der Weiterbildungsstellen drastisch gesenkt haben. Es gibt ausreichend Fachärzte. Dadurch ist der Anteil der Weiterbildungsstellen am Stellenkegel von sechzig Prozent im Jahre 1990 auf derzeit vierzig Prozent gesunken. Sollte dieser Anteil auf unter 30 Prozent sinken, sieht Schüttler das Gleichgewicht im System ernstlich bedroht.
Deshalb sollte man nach Ansicht des Präsidenten der Fachgesellschaft schon die Studenten für dieses Fach begeistern. Dazu hat die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin ein Simulatorprojekt entwickelt. Mit dem wird Studenten ein anästhesiologisches und notfallmedizinisches Training in lebensechten computergesteuerten „Dummys“ angeboten. Pupillen- und Atembewegungen der Puppe sorgen für ein realistisches Szenario. Die Studenten können so in einer möglichst wirklichkeitsgetreuen Umgebung für den Ernstfall üben. Das Ansehen dieses Fachgebietes habe so unter den Medizinstudenten deutlich gewonnen, sagt Präsident Schüttler. Darüber hinaus will die Gesellschaft für Ärzte in der Weiterbildung ein Programm anbieten, wobei diese von erfahrenen Kollegen begleitet werden.
Intensivmedizinisches Angebot wird „rationiert“
Problematisch ist allerdings, dass die knappen finanziellen Mittel schon heute die Kliniken zwingen, auch an ihren Intensivstationen zu sparen. Schon heute – so die Fachleute- werden Leistungen „rationiert“. Dies erfolge oft verstreckt und ohne klare Richtlinien. Einerseits haben neue Geräte und Medikamente die intensivmedizinische Versorgung in den letzten Jahren deutlich verbessert. Aber für aufwändige Therapien fehlt häufig das Geld. „Dann stellt sich die Frage, wo man anfängt, medizinische Leistungen einzuschränken“, so Professor Dr. Joachim Boldt, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin am Klinikum Ludwigshafen.
Bei einer Umfrage haben mehr als zwei Drittel von fünfhundert Intensivstationen in Deutschland solche Rationierungen als gegeben dargestellt. Aber nur die wenigsten Kliniken haben dafür feste Regeln. Immerhin: Das Alter oder der Umstand, dass ein Leiden unheilbar ist, sind offenbar hier kein Maßstab.
Es besteht Diskussionsbedarf
Deshalb sprechen sich die Fachleute – insofern in Übereinstimmung mit den derzeit diskutierten Thesen des Präsidenten der Deutschen Ärztekammer – dafür aus, solche Beschränkungen offen zu diskutieren: „Kein Gesundheitswesen funktioniert ohne Rationierung. Auch eine effektive Intensivmedizin wird ohne die Begrenzung von Therapiemaßnahmen künftig nicht mehr möglich sein. Das Thema zum Tabu zu erklären, hilft keinem“, so Professor Boldt. Für verfehlt hält er den Abbau von Betten. Immerhin gibt ein Drittel der Kliniken an, dass gelegentlich oder häufig Patienten fehlender Betten halber abgewiesen werden. . .