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Gebrochenes Herz

Traumatisches Erlebnis kann scheinbaren Herzinfarkt verursachen. Nicht jeder Infarkt ist auch einer. So mancher Patient leidet vielmehr an einem gebrochenen Herz. Neue Erkenntnisse für Diagnose und Behandlung.

Rettungseinsatz in Hildesheim – Die Patientin M. L. klagt über starke, drückende Schmerzen in der linken Brust. Die sind ganz plötzlich und unerwartet aufgetreten. Erste Diagnose des Rettungsarztes: Herzinfarkt. Noch im Rettungswagen wird ein EKG erstellt. Die Patientin hat Glück im Unglück. Im Hildesheimer Bernwart Krankenhaus ist man auf die Behandlung von Infarkten spezialisiert. Das weiß der Rettungsarzt und lässt bei Verdacht auf Infarkt nicht die nächstgelegene Klinik anfahren, sondern bringt die Patientin direkt zur Spezialklinik. Das hilft kostbare Zeit zu sparen.

Sofortmaßnahmen im Krankenhaus

Mehr als 300 Mal im Jahr rettet ein Spezialistenteam im Bernwart Krankenhaus Herzinfarktpatienten das Leben. Sie untersuchen das Herz, befreien die verstopften Herzkranzgefäße vom Gerinnsel. Auch diesmal wollen sich die Ärzte mit dem Röntgengerät ein Bild vom Herzinfarkt machen. Starke Herzschmerzen, Atemnot, das charakteristische EKG lassen auch heute nur einen Schluss zu: Herzinfarkt. Dabei verstopfen die Herzkranzgefäße – zum Beispiel mit einem Blutgerinnsel. Der Herzmuskel wird nur noch unzureichend durchblutet. Teile des Muskels sterben unwiderruflich ab. Bei M. L. werden ein Katheter durch eine Arterie geschoben und ein Kontrastmittel Richtung Herz gespritzt. So soll sichtbar werden, wo die Gefäße verstopft sind. Doch dann die Überraschung für’s Team: bei M. L. sind alle Gefäße offen und werden normal durchblutet. Von Verstopfung also keine Spur.

Kein Infarkt, was dann?

Das Katheterteam traut seinen Augen nicht: dieses Herz hat keinen Infarkt. Doch was hat es dann? Was führt bei M. L. zu starken Brustschmerzen? Der Oberarzt ruft seinen Chef hinzu. Doch das seltsame Bild im OP kann auch Prof. Karl Heinrich Scholz zunächst nicht deuten. Immer wieder geht der Kardiologe die Krankenakte durch. Dann eine mögliche Spur: die Patientin hatte einen Schock erlitten. M. L. liebt ihren Hund fast so wie ihre eigenen Kinder. Um ihm das Leben zu retten, hat sie sich vor einen angreifenden Kampfhund geworfen und wurde dabei verletzt. Schlimmer als die Verletzung aber war der Schock. Danach fingen die Herzschmerzen an.

Die brocken heart-Studie

Der Auslöser der Herzattacke bringt Prof. Scholz auf die richtige Fährte. Erst vor kurzem hat er von einer US-amerikanische Studie gelesen. Darin werden 19 Fälle von Patienten/-innen beschrieben – übrigens fast nur Frauen – die an einer „stressbedingten Kardiomyopathie litten, dem „broken heart syndrome.“ Zu deutsch: an gebrochenem Herzen. Wenn man die Patienten der Studie miteinander vergleicht, scheinen sie nichts gemein zu haben. Bis auf Eins: sie alle erlebten einen gewaltigen Schock. Etwa den Tod eines nahen Verwandten, einen Autounfall oder einen bewaffneten Überfall. Danach löste das Gefühlszentrum im Gehirn eine massive Produktion von Stresshormonen aus, die das Herz lähmen.

Kontrastmittel verschafft Klarheit

Sollte M.L. etwa auch an „gebrochenem Herz“ leiden? Klingt eher nach Romantik aus billigen Kitschromanen! Eine weitere Untersuchung verschafft Prof. Karl Heinrich Scholz Klarheit. Das Team spritzt große Mengen eines Kontrastmittels direkt in die linke Herzkammer. Im Röntgenbild wird das Unerwartete sichtbar: Tintenfischartig verformt sich das Herz mit jedem Schlag. Der Vergleich mit dem Befund der amerikanischen Patienten ist eindeutig: der untere und mittlere Teil der Herzkammer bleiben schlaff. Ein „gebrochenes Herz“.

Broken heart-Behandlung

Die Infusion mit den üblichen Infarktmedikamenten wird sofort abgestellt. Das wäre jetzt die falsche Therapie. Stattdessen lässt man das Herz in Ruhe. Beruhigt die Patientin. Schon nach wenigen Stunden zeigt eine Ultraschalluntersuchung: das Herz von M. L. fängt an, sich zu erholen.

Doch warum ist das so? Warum sind es vorwiegend Frauen, die an einem „broken heart“ leiden? Heilt ein gebrochenes Herz immer so schnell, wie in diesem Fall? Die Ärzte fangen gerade erst an, etwas nachzuvollziehen, was der Volksmund schon seit Jahrhunderten kennt: ein gebrochenes Herz.