Zur Aktivierung von alten Heimbewohnern. Wie können Bewohner von Altenheimen durch niedrigschwellige gärtnerische Beschäftigung mehr Lebensqualität gewinnen?
Unsere Gesellschaft altert. Wir altern – schneller als den meisten von uns lieb ist. Heute sind es unsere Eltern, um die wir uns Sorgen machen, morgen wir. Dass es jetzt so viele ältere Menschen gibt, verstärkt den Versorgungsauftrag – gerade auch an die, die in Gemeinschaftseinrichtungen, in Heimen wohnen.
Alternde Gesellschaft: Winter
Viele alte Menschen sind noch erstaunlich fit. Oft macht der Kopf nicht mehr so mit, aber diese älteren Menschen, so müde sie oft sind, sind oft auch unglaublich stark. Das ist oft schwer mit anzusehen, weil damit die Gefahr näher rückt, dass diese Menschen bei labiler geistiger Gesundheit, in Verwirrung und Angst, aber mit kräftigen Körpern alt werden, weil ihr Körper noch nicht bereit ist, zu sterben. Die müde sind, aber nicht müde genug, in der Nacht ausreichend zu schlafen. Zu verwirrt, um alleine zum nächsten Kiosk zu geben, aber aufgekratzt und unruhig, weil der Körper mehr will als zu sitzen.
Was wir brauchen sind Gärten – Gärten, so bestätigt es auch die Gerontologie, sind wichtig für alte Menschen, besonders für alte Menschen in Heimen.
Grundlage gärtnerischer Beschäftigung älterer Menschen: Frühling
Hier ist eine der älteren Arbeiten zur Gerontologie interessant: Sie versuchte herauszufinden, ob es etwas ausmacht, ob Alte im Heim ihre Pflänzchen selbst versorgen oder nicht. Alle Alten hatten ein Pflänzlein bekommen, nur eine Gruppe musste sie gießen. Natürlich waren die Gruppen nach Alter und Gesundheitszustand streng parallelisiert. Das Ergebnis war aufregend: Denen, die ihre Pflänzlein selbst versorgten, ging es deutlich besser als denen, die es nicht taten. Sie lebten sogar länger.
Zeit, das Experiment auszuweiten.
Damit könnte man anfangen: Mit einem Blumenkasten vor dem Fenster. Zwei, drei Pflänzchen, die, aus Samen gezogen, als Keimlinge aufgepäppelt werden. Vor Gräsern geschützt, gestützt gegen Winde, von Blattläusen befreit, im Sommer viel gegossen, im Winter gegen Kälte abgedeckt. Viele Blumen lassen sich in Balkonkästen ziehen, auch Kräuter, aber auch Salat und Erdbeeren.
Kooperationen bei gärtnerischer Beschäftigung älterer Menschen: Sommer
Damit könnte man weitermachen: Frau Schmidt und Frau Toepffer pflegen den Vorgarten des Altenheimes, Herr Johann mit Herrn Ratke die Kästen der südlichen Terrasse, Herr und Frau Yildirim kümmern sich um die Zimmerpflanzen im Essbereich…Durch Patenschaften für Pflanzbereiche werden aus bedeutungslosen Plätzen Orte der Hinwendung, der Verantwortung, der Zuständigkeit.
Und so könnte es später sein: Das Altenheim in Beerenburg hat sich entschlossen, den Innenhof zu entsiegeln. Es sind mehrere Beete entstanden. In Kooperation mit der nahen Realschule werden in Gruppen die Beete geplant, bepflanzt und gepflegt. Besonders die Nutzbeete haben es allen angetan: Denn immer wieder kann hier frisches Obst und Gemüse geerntet und verspeist werden. Die Küche profitiert vom Kräutergarten, und die Alten sind stolz, wenn sie Salat essen, der mit „ihrem“ Basilikum gewürzt wurde.
Die Alten halten sich täglich im Garten auf. Sie stehen gern auf, oft führt sie der erste Weg morgens zum Garten. Es gibt immer etwas zu tun, immer etwas zu beobachten. Man kommt ins Gespräch über der Pflege einer Rose oder Tomate, selbst mit Menschen, mit denen man früher nichts anfangen konnte. Selbst im Winter haben alle etwas zu tun – da werden die Beete geplant, und ab Februar lassen sich sowieso wieder Keimlinge ziehen. Als das nahe Autohaus ein kleines Gewächshaus stiftet, ist die Freude groß.
Die, die nicht mehr viel tun können, haben oft ein erstaunliches Wissen – sie dirigieren die anderen vom Rollstuhl oder Rollator aus. Was sie noch nicht wissen, lesen sie sich an, oder fragen andere.
Gärtnerische Beschäftigung als Begegnungsräume: Herbst
Vielen Alten geht es jetzt besser. Durch die körperliche Arbeit sind sie abends müde und schlafen besser. Aber auch psychisch geht es den meisten besser: Vielen gibt der Garten ein Stück Verantwortung, sogar Sinn, den sie mit dem Einzug ins Heim endgültig verloren geglaubt hatten. Es gibt Begegnungsräume und Gesprächsanlässe, die sich natürlich ergeben. Und einige merken auch, wie viel ihr Wissen hier zählt, der hochgebildete alte Professor mit einem Faible für Nusssträucher wie die ehemalige Putzfrau mit einem Händchen für Tomaten. So ist aus einer eher ungeliebten Unterbringung ein Heim geworden.
Die Pfleger müssen sich um das „Grünzeug“ nur noch selten kümmern, auch sie sind entlastet. Die Kooperation mit der Schule kostet etwas Zeit, aber die Schüler bringen auch Leben ins Heim.
Weiterhin wird gestorben. Natürlich. Aber jetzt liegt auf den Särgen immer ein Blumenstrauß, und manche haben auch etwas für den Garten gespendet – damit das Leben weitergeht.