Die Erscheinung von Riesenwellen wurde einst als Seemannsgarn abgetan, doch seit einigen Jahren wird ihnen nachgespürt – und das nicht ohne Erfolg.
Ein wenig erinnert das tragische Schicksal des Frachters „München“ an die „Titanic“: Ein als unsinkbar geglaubtes Schiff geht unter. Allerdings verschwand der 1978 versunkene Frachter mit der 27-köpfigen Besatzung zunächst spurlos. Ein paar gefundene Einzelteile lieferten die Erklärung, dass eine gewaltige Kraft den Tanker getroffen haben muss. Die Theorie, es sei eine überdimensionale Welle gewesen, schien jedoch unwahrscheinlich, da solche, laut Wissenschaft, nur alle zehn Jahre einmal auftraten. Die durchschnittliche („signifikante“) Wellenhöhe in einer stürmischen See beträgt 12 Meter, eine Welle über 15 Meter kommt laut diesem Modell kaum vor.
Versunkene Schiffe
Doch Geschichten von Schiffen, die plötzlich im Meer versanken, kamen öfter als alle 10.000 Jahre vor: So sank 1980 vor Japan der britische Ozeanfrachter „Derbyshire“, der zu den sichersten Schiffen seiner Zeit zählte, – unerklärlich und ohne Hilferuf. Vor der südafrikanischen Küste verschwand im Durchschnitt ein Schiff pro Jahr. Auch das Fischerboot „Andrea Gail“ fiel 1991 während eines Sturms vor der Küste Neuenglands einer vermeintlichen Riesenwelle zum Opfer. Ihr Schicksal wurde unter dem Titel „The Perfect Storm“ verfilmt. Und die Attacken des Meeres gingen weiter: 1995 schlug eine 26 Meter hohe Welle auf die Draupner Plattform in der Nordsee ein. 2001 wurden zwei bedeutende Passagierschiffe, die „Caledonian Star“ und die „Bremen“, im Südatlantik von Monsterwellen heimgesucht. Da bei Ersterer die Motoren noch intakt waren, konnte sie sich mit letzter Kraft in den Hafen schleppen, anders aber bei der „Bremen“: Der Druck hatte den Strom und damit alle Gerätschaften komplett ausgeschaltet, weshalb das Schiff steuerlos auf dem Ozean herumtrieb und sich dabei quer zu den Wellen legte. Mit etwas Glück konnten letztendlich die Hilfsdiesel gestartet werden und das Schiff entkam knapp seinem Ende.
Ursachen und gefährdete Gebiete
In den meisten Fällen gab es weder Unterwasserhindernisse noch gefährliche Seestürme oder Kollisionen mit anderen Schiffen. Somit wurde die Forschung schließlich dazu gedrängt, sich näher mit der Sache zu beschäftigen. Man fand heraus, dass vor der Ostküste Südafrikas häufiger Riesenwellen auftreten. Dort mischt der Aghula Strom die warmen Strömungen des Indischen Ozeans mit den kalten des Atlantik; wenn starke Winde dagegen drücken, steigt die Gefahr von Freakwaves, weshalb bei entsprechenden Wetterlagen mittlerweile Warnungen ausgesprochen werden.
Weitere Gebiete, in denen Monsterwellen bereits häufiger Schiffe heimsuchten, sind das Bermudadreieck und die Nordsee. Die umfassenden Ursachen für die Entstehung dieser Riesen ist noch nicht ganz geklärt. Es wird u.a. angenommen, dass sich diverse Einzelwellen, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit über die Meere ziehen, an einem Punkt treffen und sich dann zu einer Freak-Welle auftürmen.
Die Freakwaves
Differenziert wird zwischen drei Arten von Brechern: Die Kaventsmänner sind einzelne Wellen, die nur Sekunden bestehen und den normalen Seegang deutlich überragen; die „Drei Schwestern“ („Three Sisters“) sind eine Gruppe mit drei kurz aufeinanderfolgenden Riesenwellen; die „Weiße Wand“ („White Wall“) ist eine einzelne, fast senkrechte Wand, die kilometerweit über das Meer jagt. Letztere durchläuft einen kompletten Sturm, also 300 bis 500 Kilometer, mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h, so dass ein Schiff dieser an jeder Stelle des Sturms begegnen kann. Die Wissenschaft spricht von einer Monsterwelle, wenn diese doppelt so hoch ist wie der Durchschnitt. Dieser liegt in einer stürmischen See bei 12 Metern, eine Freakwave hat demnach eine Höhe von mindestens 24 Metern, die „Caledonian Star“ wurde sogar mit einer Welle von 30 Metern Höhe konfrontiert. Die Ladeluken der Schiffe sind für einen Druck von bis zu 15 Tonnen pro Quadratmeter ausgelegt, die Kraft einer Freakwave kann allerdings bis zu 100 Tonnen betragen!
Vorhersagen und Frühwarnsysteme
Das EU-Projekt „MaxWave“ hat sich eine verlässliche Vorhersage der Monsterwellen zum Ziel gesetzt. Im Labor wird die Entstehung solcher Wellen anhand eines so genannten Wellenkanals simuliert: Mehrere kleine, mittlere und größere Wellen treffen aufeinander und bilden eine Mini-Freakwave. Anhand dieser Experimente soll der Entstehungs- und Ausbreitungsmechanismus dieser Phänomene begriffen und erklärt werden. Auf der Forschungsplattform „Fino“, kurz vor der deutschen Küste, werden alle Daten erfasst, die die Nordseewellen liefern. Der Sinn einer solchen Untersuchung ist, die Prototypen unter den Riesenwellen zu testen. Per Satellitenmessungen aus dem Weltall wird weiterhin beobachtet, wo und wann die gefährlichen Wellenberge entstehen, um sie beizeiten zu meiden. Für eine lückenlose Überwachung wären fünf Satelliten notwendig, doch auch bisher konnte festgestellt werden, dass im Durchschnitt alle 12 Stunden eine Riesenwelle in den Ozeanen der Erde entsteht!