Frau und Mann als Freunde – Eigenheiten der gegengeschlechtlichen Freundschaft

In einer Schublade passt diese Art von Freundschaft bestimmt nicht. Sie wird von der Gesellschaft misstrauisch beobachtet. Die Wissenschaft versucht sich ihr zu nähern.

Die Freundschaft zwischen Frau und Mann ist viel mehr verbreitet, als dies wahrgenommen wird. Die Untersuchungen ergeben Zahlen von 40 bis zu 90% Frauen und Männer, die sich dazu bekennen.

Der Volksmund behauptet dagegen, dass solch eine Beziehung nicht möglich und nicht normal sei. Allgemein versteht man sie als Zwischenstufe auf dem Wege zu einer „richtigen“ Paarbeziehung oder als Ersatz, wenn jene Paarbeziehung aus irgendeinem Grund nicht möglich ist. Harry und Sally aus dem gleichnamigen Film veranschaulichen in beeindruckender Weise die These, dass eine Freundschaft zwischen Mann und Frau zwangsläufig – wenn sie bestehen will – in der Liebe münden muss.

Auch in der wissenschaftlichen Diskussion tut man sich schwer mit dieser Erscheinung. Vor allem ist es schwierig, die gegengeschlechtliche Freundschaft eindeutig zu platzieren. Sie wankt zwischen zwei paradigmatischen Beziehungen: „der gleichgeschlechtlichen Freundschaft als prototypischer Form der Freundschaft und der romantischen Liebesbeziehung als prototypischer Form der Mann-Frau-Beziehung“.

Weniger unterstützend

Die „ungleiche“ Freundschaft ist anders: weniger intim und weniger stabil als die gleichgeschlechtliche. Der Grad von Intimität scheint dabei vom Familienstand abzuhängen: Die Unverheirateten sind eher bereit, sich anzuvertrauen.

Die Studien zeigen, dass solch eine Freundschaft als weniger unterstützend empfunden wird. Die „ungleichen“ Freunde haben nicht zu viele gemeinsame Interessen.

Geschlechtliche Perspektive

Diese allgemeine Einschätzung ändert sich, wenn man die geschlechtliche Perspektive heranzieht: Die gegengeschlechtlichen Freundschaften werden von Männern und Frauen anders wahrgenommen.

Für Männer scheinen die Unterschiede zu überwiegen: im positiven Sinne. Sie bewerten die Freundschaften mit Frauen als offener und emotionaler. So sind Gespräche mit einer Freundin tiefer und mehr von Gefühlen gefärbt. Insgesamt benoten Männer ihre Freundschaften zu Frauen „in Bezug auf Qualität, Intimität und Vergnügen“ höher. Dagegen unterstreichen sie in den gleichgeschlechtlichen Kameradschaften die gemeinsamen Aktivitäten und andauernde Konkurrenz.

Frauen betonen vor allem Gemeinsamkeiten und verstehen ihre Freundschaften zu Männern als ähnliche Beziehungen wie zu Frauen. Der männliche Kamerad unterscheidet sich dennoch einwenig. Frauen berichten, dass der Mann als Freund weniger Neid zeige, verlässlicher und ehrlicher sei.

Also doch!

Aus einer in Oldenburg an 379 Personen zwischen 16 und 82 Jahren geführten Untersuchung geht es hervor, dass Männer ihrer gegengeschlechtlichen Freundschaft „eine deutlich sexuelle bzw. romantische Betonung geben“.

Dafür schicken sich verschiedene Erklärungsmöglichkeiten: In Rahmen der Sozialisation in einer patriarchalischen Gesellschaft werden Männer darauf ausgerichtet, in Frauen potenzielle Sexualpartner zu sehen. Wahrscheinlich unterliegen Männer mehr als Frauen strikten Rollenvorschriften und definieren das Verhältnis der Geschlechter eindeutiger. Aus diesem Grund würde „eine völlig asexuelle gegengeschlechtliche Freundschaft das eigene Gefühl von Männlichkeit in Frage stellen“.

Weit ausgeholt scheint ein evolutionspsychologischer Ansatz. Demnach biete eine gegengeschlechtliche Freundschaft kurzzeitig die Möglichkeit sexueller Aktivitäten und dadurch Erhöhung der Reproduktionschancen.

Vorteile

Die Freundschaft zwischen Frau und Mann kann – trotz aller Vorbehalte – als Chance betrachten werden. Vorteile liegen für beide Geschlechter auf der Hand: von geschlechtstypischen Stärken des Anderen profitieren und sich in der Verschiedenheit ergänzen.

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