Forscher aus Bonn und Tübingen stimulieren mit konjugierten Linolsäuren (CLAs) an Pankreas-Zellen die Insulinausschüttung: Diabetes-Risiko weiterhin unklar.
Fettsäuren wie den Omega-3-Fettsäuren aus Fischölen werden von der Werbung wahre Wundereffekte zugesprochen, auch konjugierte Linolsäuren (CLAs: Conjugated Linoleic Acids) sollen bei der Reduktion des Körperfetts als Schlankheitsmittel und bei menschlicher Muskelmast wahre Wunder wirken – allerdings treten die CLA-Fettsäuren bei Professorin Dr. Evi Kostenis bislang in das Fettnäpfchen: „Bisher wollen wir nur sagen: Leute, passt auf!“, warnt die Abteilungsleiterin des Instituts für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn am 1. April 2011, „diese Substanzen wirken wie ein Arzneimittel und sind damit nicht ungefährlich.“ Dies zeigt eine wissenschaftliche Studie von Autoren der Universitäten Bonn und Tübingen, die am 8. April 2011 in der Fachzeitschrift „Journal of Biological Chemistry“ erscheint: CLAs stimulieren in Zellkulturen menschlicher Bauchspeicheldrüsen-Zellen die Ausschüttung des Hormons Insulin.
Konjugierte Linolsäuren sind Isomere der Linolsäure
Die essentielle Fettsäure Linolsäure kommt natürlich in Pflanzenölen wie Arganöl, Kürbiskernöl, Nachtkerzenöl und Rapsöl vor; konjugierte Linolsäuren trifft man dagegen natürlich in der Milch von Wiederkäuern an, oder wenn wir das Fleisch von Wiederkäuern wiederkäuen: Bei konjugierten Linolsäuren handelt es sich um acht so genannte Positions-Isomere der Linolsäure, gegenüber der Linolsäure trennt die Doppelbindung in CLA-Linolsäuren nur eine einzelne C-C-Einfach-Bindung. Die natürlichen konjugierten Linolsäuren werden in unnatürlich hohen Dosen in Nahrungsergänzungsmittel-Kapseln angeboten, man findet die CLAs in der Drogerie, im Online-Shop und im Supermarkt: „Sie werden quasi als Allheilmittel angepriesen“, erklärt Frau Prof. Kostenis. „Sie sollen Fett verbrennen, Muskelmasse aufbauen, schön machen, gegen Entzündungen helfen, sogar Krebs vorbeugen.“ Allerdings sind die angepriesenen Wirkungen der Nahrungsergänzungsmittel bisher nicht endgültig bewiesen, die Studienergebnisse sind widersprüchlich, wie immer sind Langzeitstudien rar.
Konjugierte Linolsäuren binden an den Fettsäure-Rezeptor FFAR1/GPR40
Nehmen Menschen mit der Nahrung Fettsäuren auf, erscheinen sie als so genannte Freie Fettsäuren (FFA: Free Fatty Acid) nach der Verdauung in unserem Körper, dann können sie an spezielle Fettsäure-Rezeptoren binden (FFAR1, FFAR2, FFAR3): Hier handelt es sich um so genannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPR) mit sieben membrandurchspannenden Domänen (7TM-Rezeptoren). Die konjugierten Linolsäuren binden auch an die FFAR1-Zell-Rezeptoren der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), dort lösen sie an den Beta-Zellen der Langerhans-Inseln die Ausschüttung des Hormons Insulin aus: „Jetzt kennen wir auch den Mechanismus, mit dem die Substanzen auf die Bauchspeicheldrüsenzellen einwirken“, erklärt Frau Prof. Kostenis.
Die Zellen der Bauchspeicheldrüse schütten Insulin aus
In einigen klinischen Studien nahmen Menschen recht hohe hohen Dosen an konjugierten Linolsäuren auf, dabei schütteten die Zellen des Pankreas mehr oder weniger Insulin aus. Die Wissenschaftler konnten nun in Langzeitstudien an menschlichen Zellkulturen und Mäusen den Mechanismus zeigen, mit CLA-Konzentrationen, die auch im Blutserum vorliegen können, wenn eine Versuchsperson eine Kapsel konjugierte Linolsäuren schluckt. Docken die CLAs am Fettsäure-Rezeptor FFAR1/GPR40 an und ist der Blutzuckerspiegel hoch, schütten die Bauchspeicheldrüsezellen innerhalb weniger Sekunden vermehrt das Hormon Insulin aus.
Fördern CLA-Linolsäuren die Insulin-Resistenz und das Diabetes-Risiko?
Ursachen für die Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus sind eine ungenügende Insulin-Sekretion, oder eine mangelhafte Insulin-Wirkung (Insulin-Resistenz) − oder beide Stoffwechselstörungen zusammen: „Viele Leute schlucken große Mengen dieser Substanzen, weil sie glauben, dass sie ihnen gut tun“, erläutert Frau Prof. Kostenis, „aber wie wir jetzt gesehen haben, beeinflussen konjugierte Linolsäuren auch die Bauchspeicheldrüse. Es ist gut möglich, dass die Zellen dadurch auf Dauer Schaden nehmen.“ Einige Humanstudien lassen den Verdacht aufkommen, das CLAs die Insulin-Sensitivität verringern und Insulin-Resistenz hervorrufen: „Wir wissen nicht, ob Menschen, die regelmäßig mehrere Gramm der Substanzen schlucken, dadurch irgendwann Diabetes entwickeln“, resümiert Prof. Kostenis. Aber auch das Gegenteil wäre denkbar, dass die wiederkehrende Stimulation den Bauchspeicheldrüsenzellen gut bekommt − dann würden sich konjugierte Linolsäuren eventuell als Arzneimittel gegen Diabetes Typ 2 einsetzen lassen.