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Fluoridtabletten oder Kinderzahnpasta?

Bei der Fluoridprophylaxe für Kleinkinder scheiden sich die Geister. Was die Kariesprävention mit Fluorid angeht, sind sich Kinder- und Zahnärzte nicht einig. Der Artikel beleuchtet deren Hauptargumente und zeigt das Dilemma der Eltern auf.

Wenn es nach der 1,5-jährigen Melinda ginge, würden morgens keine Zähne geputzt. Wenn Mama Ines Thomä mit der Zahnbürste naht, ergreift Melinda die Flucht. „Egal, Zahnpflege muss sein“, sagt ihre Mutter, die als Zahnarzthelferin schon so manchen kaputten Milchzahn gesehen hat. In der Kinderzahnpasta von Melinda sind 500 ppm Fluorid enthalten. Das „härte“ die Zähne und schütze so vor Karies. In Tablettenform hat Melinda Fluorid nie bekommen. „Meine Chefin hält davon nichts. Sie sagt, Fluorid wirkt am besten direkt am Zahn“, sagt Thomä. Damit ist die Zahnärztin anderer Meinung als Melindas Kinderarzt. Der propagiert die Einnahme von Fluoridtabletten ab dem Neugeborenenalter bis zum vierten Lebensjahr. So wie Thomä sind viele Eltern angesichts der unterschiedlichen Empfehlungen irritiert.

Zahnärzte befürworten die Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasta ab dem Durchbruch des ersten Zahns. Kinderärzte verschreiben Fluoridtabletten meist in Kombination mit Vitamin D, das gegen Rachitis wirkt. „Um eine gute Mineralisierung der Zähne zu erreichen ist die Fluorideinnahme schon vor dem Durchbrechen des ersten Zähnchens wichtig“, sagt Dr. Gunther Döring, Kinderarzt im oberbayerischen Aschheim. Er beruft sich dabei auf Studien, die beweisen, dass Fluorid vom Körper bereits in den ersten Lebensmonaten in den Zahnschmelz eingebaut werden kann.

Zahnpasta schützt direkt auf der Zahnoberfläche

Zahnärzte halten dagegen, dass Fluoride von außen besser wirken als von innen. „Da die Kariesschutzwirkung von Fluoriden vor allem direkt auf der Zahnoberfläche stattfindet, ist die Anwendung der lokalen Fluoridierung zum Beispiel durch Zahnpasten oder fluoridiertes Speisesalz einer systemischen Fluoridierung durch Tabletten vorzuziehen“, heißt es in der Patienteninformation „Mundgesundheit von Anfang an“ der Bundeszahnärztekammer.

Bei der Zahnpaste gebe es jedoch einen Haken, sagt Döring. Säuglinge und Kleinkinder, deren Zähne man mit Paste putzt, schlucken den größten Teil davon. „Zahnpaste ist aber als kosmetisches Mittel nicht zum ständigen Verzehr geeignet“, erklärt der Kinderarzt.

Fluoridtabletten und Kinderzahnpasta nicht parallel einnehmen

Einig sind sich Zahnärzte und Kinderärzte darin, dass Fluoride wesentlich dazu beitragen, die Zahngesundheit von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. So ging die Milchzahnkaries zwischen 1994 und 2004 in 14 Bundesländern um jährlich 0,9 Prozent zurück. (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin – Stellungnahme „Prävention der Milchzahnkaries“). Um ihre Kinder bestmöglich vor Karies zu schützen, verwenden einige Eltern Fluoridtabletten und Zahnpasta parallel. Davon rät Döring dringend ab. „Entweder das eine oder das andere“, sagt er. Sonst könne es zu einer Überdosierung und damit zur sogenannten Dentalfluorose kommen. Dentalfluorose ist die häufigste Nebenwirkung bei der Kariesvorsorge mit Fluoriden. Sie zeigt sich in weiß gesprenkeltem Zahnschmelz und wird bei Kindern vor allem zwischen 0 und 8 Jahren, also im Zeitraum der Schmelzbildung beobachtet.

Zuckerfreie Ernährung zur Kariesprävention

Die drei Kinder von Hebamme Sybil Küchle bekamen im ersten Lebensjahr gar kein Fluorid. „Sie haben heute trotzdem gute Zähne“, sagt Küchle. Wie die meisten ihrer Berufskolleginnen ist die 50-Jährige der Fluoridprophylaxe gegenüber kritisch eingestellt – egal ob in Tabletten- oder Pastenform. In zu hohen Gaben könne Fluorid neben Fluorose noch eine Vielzahl weiterer Krankheiten auslösen. „Ich habe Zweifel am Nutzen einer frühen Fluoridgabe“, sagt sie. Weil Karies durch Zucker begünstigt werde, sei in den ersten Lebensmonaten neben guter Mundhygiene vor allem eine weitgehend zuckerfreie Ernährung wichtig. In ihrer dreißigjährigen Berufserfahrung ist sie neben der Dentalfluorose noch auf eine weitere Nebenwirkung der Fluoridtabletten gestoßen. „In vielen Tabletten ist als Hilfsstoff Laktose enthalten. Der kann bei Säuglingen zu Magen-Darm-Beschwerden führen“, erklärt Küchle.

Als Nachsorge-Hebamme zum Thema Fluorid befragt, wird Küchle nur bei besagten Beschwerden oder wenn sie es mit kritischen Eltern zu tun hat. „Letztlich kann ich dann auch nur raten, auf das jeweilige Bauchgefühl zu hören“, sagt Küchle.