Flugzeuge unter dem Christie’s-Hammer im Imperial War Museum in Duxford: die Auktion läuft.
„Ladies and Gentlemen, Lot Number 148, die Menuekarte für das Festessen anläßlich des ersten Kanalflugs zu Ehren von Monsieur Blériot im Hotel Cécil in London! Wer bietet?” Man dinierte am 5. September 1909, aß Fisch nach Art „Calais-Dover” zum Hauptgang und feierte das Ereignis gebührend mit diversen Toasts: auf den König, auf die Königin, den Prinzen und die Prinzessin von Wales und den Rest der königlichen Familie, auf den Fortschritt der Fliegerei, auf Monsieur Blériot, auf die Besucher und schließlich auf den Vorsitzenden des Abends. Wer danach noch bei Besinnung war, ergötzte sich an Puccini, Offenbach, Bizet und am Marsch von Rubinstein, gespielt vom Imperial Vienese Orchestra unter der Leitung von Maestro Lawrence Rubinstein höchstpersönlich. Eine doch recht elitäre Veranstaltung, nicht wahr?
Ein paar Jahre später dezimierten sich die Herren der elitären Fliegerclubs dann untereinander. Und schrieben Bücher darüber, wie ein gewisser Major Gordon Burges über die „Aktivitäten der Pioneer Night Bombing Squadron 100 in Frankreich von März 1917 bis November 1918, inklusive der Operationen gegen deutsche Städte.” 35 Euro bringen die Geschichten vom Tod aus der Luft.
Lot Number 151 hängt ziemlich unbeachtet an einer Zeltwand: ein abgebrochenes Stück Holzpropeller einer deutschen Maschine. Erst beim Umdrehen zeigt sich die wahre Bestimmug: das Stück Holz ist eine riesige Postkarte. Auf der einen Seite hat ein unbekannter Künstler den Luftkampf um die abgebrochene Spitze aufgemalt. Auf der Rückseite sind ein paar Worte gerade noch lesbar – der Sieger des Zweikampfs konnte die Trophäe noch nach Hause schicken, an Mrs. C. J. Chick, Bristol Road, Bridgewater/ Somerset. Zusammen mit einem Modellautomobil bringt beides knapp zweihundert Euro.
Spielzeug steht hoch im Kurs. Ein Gummimotor-Blechflugzeug von 1930 bringt 260, 120 Euro kostet allerdings die Pappschachtel drumrum. Sammler haben eigenartige, kaum vorhersehbare Wertmaßstäbe. Das bemalte Holzmodell des Royal Navy-Doppeldeckers, komplett mit Torpedos, Bomben, Maschinengewehren und 51 Zentimetern Spannweite ist derart häßlich, daß James Knight es eigentlich nicht in den Katalog aufnehmen wollte. Wenn der Kunde nicht noch ein anderes, wichtiges Stück zur Auktion gebracht hätte. Also kam das häßliche Entlein unter den Hammer – und für 90 Euro an einen neuen Besitzer.
Der Sitzfallschirm von 1969 wird ohne Garantie verkauft. „Wer nach dem Ausprobieren nicht damit zufrieden ist, kann sich nachher sowieso nicht mehr beschweren.” James Knight hat zu seinen Exponaten manchmal ein fast romantisches Verhältnis. Die U.S-Army-Fliegerjacke, mit Lammfell gefüttert und Original-Einschußlöchern im Rücken hat es ihm besonders angetan. „Wenn die für 50 keiner haben will, kaufe ich sie selber.” Pech gehabt. 150 Euro sagt der Mann mit dem Schraubenschlüssel. Immer noch nicht viel für das gute Stück, aber trotzdem, echt ist eben echt – und dabei hat James via Video so schön die großen Löcher demonstriert…
Langsam werden die Auktionsteile größer. Riesige Propeller, Auspuffkrümmer, Tragflächenstücke, ein Lysander-Öltank, dann eine Nockenwelle für einen Rolls Royce-Merlin-Motor. Verkauft für 1000. Zwischen 4000 und 6000 Euro soll das Bristol Siddeley Sapphire-Triebwerk bringen, komplett mit Kundendienst und 1340 Betriebsstunden. Doch der schwere Brocken geht nicht wie gewünscht. Bei 1700 Euro, nach zähem Hin-und-Her kommt endlich der Zuschlag. Wozu der Mann den wohl brauchen kann?
Dann, nach weiteren zehn Düsentriebwerken und Motoren – alle verkauft übrigens – kommt plötzlich Unruhe auf, zwei Telefone klingeln, dezente Hektik am Auktionstisch: jetzt gibt es echte, komplette Flugzeuge im Sonderangebot! Nummer 212, eine Auster J/IN, Baujahr 1943. Eher unauffällig blau/weiß bemalt. Diesem Image wollte Major Christopher Draper im Jahre 1953 wohl abhelfen und flog damit, eine nach der anderen, unter fünfzehn Londoner Themse-Brücken durch, von Blackfriars bis Kew. Den Pilotenschein haben sie ihm damals tatsächlich gelassen. 5817 Stunden war die runde Tonne Flugzeug schon in der Luft, 9000 Euro soll sie noch kosten – tatsächlich Fliegen zum Spartarif.
Für die British Aircraft BA Swallow 2, Baujahr 1935 darf es schon etwas mehr sein: 11.000 Euro für die Tochter aus gutem Hause. Die Schwalbe war eine direkte Weiterentwicklung der britischen Klemm L 25D, die 1927 in Deutschland gebaut wurde. Ihre Jungfernschaft verlor die britische Klemm auf dem zugehörigen Jungfernflug 1933. Ein Siebenzylinder Pobjoy Cataract II mit 85 PS verhalf der Dame zu damals erstaunlichen Flugleistungen. Die Tragflächen konnten abgeklappt werden, dazu doppelte Cockpitausstattung – das treibt den Preis hoch. Und die Erwartungen. Ein kleines Blechschild im Cockpit warnt Heißsporne: „Jeder Dummkopf kann dieses Flugzeug fliegen. Doch dieses Flugzeug kann einen Dummkopf umbringen”. Der Herr mit der Auktionsnummer 224 ist aus der Sturm- und Drang-Zeit aber schon einige Jahrzehnte heraus – Warnung vermutlich nicht mehr notwendig.
Jetzt klingeln die Telefone ununterbrochen. Eine Tiger Moth, Baujahr 1942 kommt unter den Schraubenschlüssel. Der Doppeldecker ist prächtig in Schuß, fast wie neu steht er in der Hallenecke, zwei Dutzend Schaulustige drumherum, während die Sachverständigen auf den Plastikstühlen den Preis hochtreiben. 8800 Stück wurden bis 1945 in Kanada, Neuseeland, Australien und in Cowley bei den Morris-Autowerken gebaut. Diese Tigermotte verließ die Werkshallen 1942, wurde sofort zum Kriegsdienst eingezogen, erst bei der Royal Airforce, ab 1956 zur Navy.
1972 entließ man den Kriegsveteranen ins Privatleben, wo er sich 1980 einer gründlichen Überholung unterzog. Das hat seinen Preis: 30.000. Plus acht Prozent Christie’s- Aufschlag. Genausoviel bringt die DHC 1 Chipmunk, die Nachfolgerin der Tiger Moth. 7.000 Euro für eine Maschine, die nach militärischem Einsatz an einen Ex-Bomberpiloten verkauft, von ihm restauriert und in den Original RAF-Farben bemalt wurde. Bei 800 Euro beginnt Mr. Brooks, einen Haufen Altmetall loszuscheuern. Der Schrott enthält die Überreste einer Tiger Moth, allerdings ohne Motor und Propeller und diverser anderer Kleinteile. Doch das genügt. Ein Telefonbieter steigert bis auf 8000 und erhält schließlich den Zuschlag. Er braucht wohl Ersatzteile.
Feuerrot steht sie da. Und der kleine, schrullige Mann davor ist sichtlich begeistert von der flotten Moth Minor. „Gefällt Ihnen die Maschine?” „Ja, sehr, ich würde sie gerne ersteigern, 1981 hab’ ich es schon mal versucht. Vielleicht diesmal…” „Sind Sie schon mal geflogen?” „Doch, über 40 Jahre lang, mit der Chip Munk, der Hunter, der Vampire, der BC 10, der Concorde…” „Äh, wie bitte, Sie waren Concorde-Pilot?” „Ja sicher, ich halte den Atlantik-Rekord New York-Paris mit der Concorde. Wirklich ein wunderschönes Flugzeug. Schade, daß man sie nicht mehr baut…”, meint John Bradshaw leise. Auch mit der feuerroten Moth Minor hat er kein Glück. 30.000 Euro ist der alte Traum vom Fliegen heute noch wert.
Zwei Morane Saulnier stehen als Nächste auf der Liste. Nicht mehr als ein kurzes Vorspiel vor dem Auftritt des Stars der Auktion, der einzigen Maschine, die vorher getestet wurde. Beeindruckend, wie der große blaue Adler, die North American T6, aus dem Hangar geschoben wird, von vielen helfenden Händen behutsam aufs Rollfeld geleitet, die dann trotzdem mit sanfter Gewalt zu den übrigen Zuschauern hinter die Absperrung gedrängt werden. Der Wasp-Sternmotor von Pratt & Whitney springt mit donnerndem Grollen und einer fetten Rauchfahne an. Jetzt ist auch der einsame Fluglotse im Duxford-Tower aufgewacht und erteilt dienstbeflissen Starterlaubnis. Die T6 rollt an, zieht hoch und schießt nach der ersten Platzrunde sofort in den ersten Looping, gleich noch einer mit angehängter Schraube. Der Testpilot des zukünftigen Eigners versteht sein Handwerk. Wie abgezirkelt stehen die Flugfiguren des Ex-Todesengels im gewitterschweren Himmel. Da werden Träume wach. Alpträume auch.
„23.000… zum Dritten!” Der kleine Schraubenschlüssel hat das letzte Wort. Der Adler ist gelandet. Die Auktion ist zuende. Die Schlange der glücklichen Käufer mit gezückten Scheckbüchern reicht über 30 Meter. Paul Shipton, der junge Direktor des Number-One-Hangars lächelt noch immer. „Wissen Sie, ich hab’s mir nochmal überlegt. 23.000 sind mir doch zuwenig für den Spaß, den mir der blaue Adler gemacht hat. Ich nehme ihn wieder mit.
I’ll take him home.