Eine Studie amerikanischer Wissenschaftler zeigt, dass Kinder mit der Diagnose ADHS auch ohne Ritalin konzentrierter werden können: mit Hilfe der Natur.
„Seit sich Niklas vor den Hausaufgaben erst einmal richtig in der Natur austobt, ist er wie ausgewechselt.“ Ute Ruhmann beobachtet zufrieden ihren neunjährigen Sohn, der soeben auf einen umgekippten Baumstamm geklettert ist und darauf balanciert. Jeden Nachmittag geht sie gemeinsam mit Niklas in den nahegelegenen Wald spazieren. Hier kann er sich verausgaben, bevor er sich wieder auf die anstehenden Hausaufgaben konzentrieren muss. Sich zu konzentrieren fiel Niklas bisher immer sehr schwer. Schnell ließ er sich ablenken, konnte nicht still sitzen und sprang stattdessen durch die Wohnung. Obwohl er noch in der Grundschule ist, benötigte er mehrere Stunden, bis er mit seinen Hausaufgaben fertig war – bis vor einiger Zeit ADHS bei ihm diagnostiziert wurde.
ADHS, das Zappelphillipp-Syndrom
ADHS, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit der Begleiterscheinung Hyperaktivtät, wird auch als Zappelphillipp-Syndrom bezeichnet. Der Frankfurter Nervenarzt Heinrich Hoffmann (1809-1994) hatte mit seiner Figur des Zappelphilipps aus dem „Struwwelpeter“ die klassischen Symptome der Krankheit in Form einer Erzählung beschrieben. ADHS-Kinder gelten als unaufmerksam und ohne Durchhaltevermögen, und sie lassen sich schneller ablenken als gesunde Kinder. In der Schule fallen ADHS-Kinder häufig auf, weil sie den Unterricht stören und exzessiv reden.
Behandelt wird die Krankheit in der Regel medikamentös mit Methylphenidat, das in der Bevölkerung besser bekannt ist als „Ritalin“. Da die Dosierung bei Kindern schwierig ist und es zudem abhängig macht, ist das Medikament auch unter Experten umstritten. Seit Jahren suchen Wissenschaftler und Ärzte nach Alternativen.
ADHS-Behandlung ohne Ritalin?
Für Familie Ruhmann kam Ritalin nicht in Frage: „Wir wollten nicht verantworten, dass Niklas bereits in seinem Alter regelmäßig Medikamente schlucken muss.“ Bei einem Heilpraktiker haben sie Hilfe gefunden. Statt der Pillen nimmt Niklas nun individuell abgestimmte homöopathische Globuli ein. Zusätzlich haben die Eltern den Rat des Heilpraktikers befolgt, mit Niklas täglich in den Wald oder in einen Park zu gehen.
Dass die Natur beruhigend auf Kinder mit ADHS wirken kann, bestätigt auch eine Studie der Universität Illinois: Andrea Faber Taylor und Frances Kuo haben herausgefunden, dass ein zwanzigminütiger Spaziergang in der Natur hyperaktiven Kindern zu mehr Konzentration verhilft und sie entspannt.
Eine neue Studie zeigt: verbesserte Konzentration durch die Kraft der Natur
Die beiden Wissenschaftlerinnen haben in ihrer Studie untersucht, welche Umgebung beruhigend auf Kinder mit der Diagnose ADHS wirkt. Bereits in früheren Studien konnten sie zeigen, dass sich die Konzentration der Kinder verbesserte, sobald sie sich nicht mehr in einem geschlossenen Raum befanden. Um herauszufinden, welche Umgebung besonders förderlich für die Kinder ist, haben die Forscherinnen mit siebzehn ADHS-Kindern im Alter zwischen 7 und 12 Jahren zwanzigminütige Spaziergänge unternommen. Im Abstand von einer Woche gingen sie gemeinsam durch einen Park, durch die Innenstadt und durch eine Wohnsiedlung. Anschließend wurde die Aufmerksamkeit der Kinder anhand eines speziellen Tests überprüft. Das Ergebnis war eindeutig: Während die Spaziergänge in der Innenstadt und in der Wohnsiedlung kaum Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit der Kinder hatten, hat der Spaziergang im Park die Symptome deutlich verbessert. Die Forscherinnen empfehlen deshalb, regelmäßig mit Kindern, bei denen ADHS diagnostiziert wurde, nach Draußen zu gehen.
Auch Ute Ruhmann ist überzeugt, dass die Natur ihrem Sohn hilft. Auf Ritalin wollen sie mit Hilfe der Homöopathie und durch regelmäßige Spaziergänge deshalb auch in Zukunft verzichten.
Die Studie ist unter dem Titel „Children with attention deficits concentrate better after walk in the park“ in der Fachzeitschrift Journal of Attention Disorders erschienen.