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Eine Pille gegen Übergewicht?

Ein Milliardengeschäft: Die Suche der perfekten Schlankheitspille. Könnte das körpereigene Hormon PYY3-36 ein neues Wundermittel im Kampf gegen Übergewicht werden? Oder droht ihm das gleiche Schicksal wie einst Leptin?

Gibt es die perfekte Schlankheitspille? Der Molekularbiologe Jeffrey Friedman entdeckte 1994 das Hormon Leptin (aus dem Griechischen: Leptos = dünn). Das Hormon hemmt das Auftreten von Hungergefühlen und spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Fettstoffwechsels bei Säugetieren.

Eine weltweite Epidemie und großes Geschäft

Es ließ mollige Mäuse mager werden und schürte die Träume der Pharmaziekonzerne. Diese rochen ein Milliardengeschäft, denn allein in den USA geben die Menschen jährlich zwischen 30 und 45 Milliarden Dollar für Schlankheitsprodukte aus. Im Jahre 1995 waren weltweit noch 200 Millionen Erwachsene adipös oder fettsüchtig, 2000 waren es schon 300 Millionen, davon 115 Millionen in Entwicklungsländern, so verkündet die Weltgesundheitsorganisation.

Ein Pharmaziekonzern ließ sich Leptin für 25 Millionen Dollar patentieren. Was bei Mäusen wirkte, blieb bei Menschen erfolglos. Es zeigte sich, dass die meisten fettleibigen Menschen hohe Spiegel dieses Hormons aufweisen. Diese häufig hungrigen Patienten weisen keinen Mangel an Leptin (Leptindefizien) auf, sondern leiden vielmehr an einer sogenannten Leptinresistenz.

PYY3-36 – Ein körpereigenes Hormon das Sättigung signalisiert

Ein neuer Kandidat wurde jetzt patentiert: Das Hormon PYY3-36. Welche Chance hat die Pille gegen Pfunde? Das körpereigene Hormon PYY3-36 zügelt den Appetit des Menschen, indem es dem Gehirn Sättigung signalisiert. Ein Team von Wissenschaftlern um Professor Steve Bloom am Imperial College arbeitet schon seit langer Zeit an dem Hormon.

Bereits im Jahr 1983 konnte Professor Bloom zeigen, dass Peptide der YY-Familie im Gehirn vorhanden sind und dass diese auch im Magen-Darm-Trakt vorkommen. Im Jahr 2002 publizierte er eine Studie in Nature, die bewies, dass Peptide der YY-Familie sowohl als Hormone, wie auch als Neurotransmitter wirken. Bloom zeigte, dass Übergewichtige dieses Hormon nicht in der gleichen Menge produzieren wie Normalgewichtige. In weiteren Tests ließ Bloom Freiwillige nach einer Hormoninfusion mit PYY3-36 zu einem reichhaltigen Büfett schreiten. Die Probanden bedienten sich nur mit Zurückhaltung: Sie nahmen ein Drittel weniger Kalorien zu sich als unbehandelte Testpersonen.

PYY3-36 wird normalerweise nach dem Essen von Zellen ausgeschüttet, die den Darm auskleiden. Sein Spiegel im menschlichen Körper steigt nach jeder Mahlzeit an und kontrolliert damit das Hungergefühl. Das Hormon wandert in eine bestimmte Gehirnregion, den Hypothalamus, und schaltet dort Nervenfasern aus, die die Nahrungsaufnahme regulieren. Prof. Bloom wollte Pillen, Nasensprays oder Kaugummis entwickeln, die Wirkstoffe ähnlich der Darm-Hormone enthalten, um die Reaktion des Körpers auf einen vollen Magen nachzuahmen. Die Pharmaziekonzerne Merck & Co und Nastech stiegen ein. Merck hat sich inzwischen wieder verabschiedet, Nastech bleibt dabei das Nasenspray auf Grundlage von PYY3-36 entwickeln zu wollen. Bloom macht inzwischen mit einem Kaugummi Schlagzeilen.

Die magische Schlankheitspille erlebt einen Einbruch

Schon damals warnte der Professor vor übertriebenen Hoffnungen auf ein Allheilmittel. „Versuchspersonen essen vielleicht nur zwei Portionen anstatt der üblichen drei“ sagt Bloom. Damit sah es so aus, als könnte PYY3-36 zumindest jenen helfen, die Hungerattacken während und nach Diäten überwinden wollen.

Trotz Warnungen wurde das Hormon bald als magische Schlankheitspille gehandelt, denn es sollte den Appetit zügeln, ohne ein Hungergefühl auszulösen. Am Deutschen Institut für Ernährungsforschung wurden die Tests des Imperial College an Mäusen wiederholt unter den Augen von 36 Wissenschaftlern aus aller Welt.

Doch die internationale Gruppe wurde zu ihrer eigenen Überraschung enttäuscht, wie sie in „Nature“ berichtete. Statt den Tieren wie erwartet den Appetit zu verleiden, fraßen in 37 von 39 Versuchen die Mäuse mindestens genauso viel, manchmal sogar etwas mehr. Die Nager verloren über kurz oder lang offenbar auch kein Gewicht.

Die Forscher des Imperial College schlugen zurück und warfen der Gruppe vor, Abweichungen bei den Versuchsanordnungen vorgenommen zu haben, die zu dem widersprüchlichen Ergebnis führten. Was soll aber ein Schlankheitsmittel nützen, wenn es nur in ganz speziellen Situationen und nur nach einem Hungerfrust wirkt?

Neue Wundermittel warten in den Startlöchern

Neue Mittel warten an allen Ecken, um den Wunderkandidaten endgültig von seinem Thron zu stoßen: RIP140 ist ein neuer Wunderknabe, der in den Energiestoffwechsel von Mäusen eingreift und ein am Wärmehaushalt beteiligtes Eiweiß so beeinflußt, dass der Körper mehr Energie verbraucht als üblich. Daneben taucht das Hormon Ghrelin auf, das für das Hungergefühl verantwortlich ist. Bei schlanken Menschen steigt dieser Botenstoff nachts an. Der Phantasie der Forscher scheint bei der Jagd nach der Schlankheitspille keine Grenzen gesetzt: Eine Art „Abschmelzen“ der Fettpolster wollen amerikanische Wissenschaftler von der Universität in Texas erreichen, die in der Zeitschrift ,,Nature Medicine“ über ihr Verfahren des „molekularen Fettabsaugens“ schrieben. Sie wollen ein künstlich hergestelltes Peptid in Fettzellen einschleusen und den programmierten Zelltod einleiten. Dies sei ihnen wenigstens im Tierversuch gelungen.

Der komplexe und noch längst nicht komplett verstandene Fettstoffwechsel ist nicht mit einfachen Rezepten zu kontrollieren, soviel scheint offensichtlich. Doch die Suche nach der schnellen Lösung geht noch immer mit Vollgas voran.