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Eigenes Filmtheater: UFA-Filme im Altenheim

Alten- und Pflegeheim richtet sich ein eigenes Kino ein. Im Alten- und Pflegeheim Schwaigwall im Tölzer Land hat das Personal mit viel Liebe zum Detail ein hauseigenes Kino eingerichtet.

Früher, da war er „hübsch oft im Kino“, aber nur, wenn Western liefen. Roland Seidel hebt seinen Arm und formt ihn so, als wäre er ein alter Cowboy mit angelegtem Gewehrkolben, der seinen Gegenspieler im Visier hat – drückt ab und schießt. Roland Seidel ist dement und wohnt seit knapp zwei Jahren im Alten- und Pflegeheim Schwaigwall. Heute ist ein besonderer Tag für ihn und seine Mitbewohner in dem alten Gutshof oben am Hügel. Denn der 73-jährige Seidel, ein Heimatvertriebener aus dem Egerland, wird nicht wie sonst immer nach dem Abendbrot in sein Zimmer gehen und alleine vor dem Fernseher sitzen. Heute Abend feiert das neue, hauseigene Filmtheater Premiere und der alte Streifen von 1958 „Das Wirtshaus im Spessart“ mit Liselotte Pulver steht auf dem Programm. Einmal im Monat soll es künftig Kinoabende im Altenheim geben.

„Heute kommen nur noch Pflegefälle zu uns ins Heim“

Im Speisesaal stehen die Stühle längst in Reihen wie im Kino, mitten drin fehlt eine. „Hier ist Platz für unsere Rollstuhlfahrer“, erklärt Falk Heineck, der junge Ergotherapeut des Hauses. Zurzeit leben rund 50 Bewohner in Schwaigwall, Menschen im Alter von Ende Sechzig bis Mitte Neunzig, rund die Hälfte ist demenzkrank, fast alle schwer behindert und an den Gehwagen oder Rollstuhl gefesselt. „Heute kommen nur noch Pflegefälle zu uns ins Heim“, sagt Heineck. Ein Glück, denn die Menschen werden länger zuhause betreut als früher, das Angebot ist größer geworden: Pflegedienste, ehrenamtliche Nachbarschaftshilfen, Essen auf Rädern und Angehörige, die sich kümmern. Demzufolge sind die Ausflüge in Schwaigwall rar geworden – zu beschwerlich sind die Fahrten, zu anstrengend für die kranken und alten Bewohner. Ein Kinobesuch sei unvorstellbar, sagt der Therapeut. „Das trauen sie sich gar nicht mehr.“ Daher kam dem Betreuungspersonal die Idee eines hauseigenen Kinos. „Wir hatten zuvor einen gemeinschaftlichen Fernsehabend ausprobiert“, erzählt Heineck. „Doch ab der zweiten Reihe sahen und hörten die alten Leute nichts mehr und wurden ungeduldig.“

Weihnachtsbazar um Geld zu sammeln

Um das Geld für die technische Ausstattung zusammen zu bekommen, organisierte das Personal einen Weihnachtsbazar im vergangenen Jahr. Die Fußpflegerin des Heimes, Helga Olschowski, sammelte eifrig das Geld für die Leinwand, und am Heiligen Abend stand unerwartet ein edler Spender vor der Türe und übergab ein Geschenk. „Darin war ein nagelneuer Beamer“, erzählt Heineck.

Viel Liebe zum Detail

Noch sind der Therapeut, mit dem langen Pferdeschwanz im Nacken, und Heimleiterin Michaela Schmiegel emsig am Vorbereiten. Er stellt Kerzen vor die Haustüre; sie prüft das Kinobuffet und die Sektbar im improvisierten Kinofoyer. „Es muss schon alles echt aussehen.“ Dafür hat Heineck sich seit Wochen ins Zeug gelegt, hat alles bis ins Detail durchdacht, wie etwa den Original-Ton eines UFA-Kino-Gongs. Alte Eintrittskarten zum Abreißen von der Rolle, die hat er nicht mehr auftreiben können. Dafür hat er einen Bauchladen gebastelt, den er sich gerade umschnallt, und randvoll mit Eis und Süßigkeiten gefüllt. „Das gehört doch dazu, oder etwa nicht?“, fragt der Ergotherapeut.

Einen Augenblick die Illusion von der Jugend

Langsam rührt sich was im Kinofoyer. Mit einem Gläschen Sekt in der Hand warten schon die ersten rollstuhlfahrenden Kinogänger. Warmes Licht schimmert von der Decke des alten Gewölbeflures und tatsächlich kommt eine Stimmung auf, als wäre man weit in die Vergangenheit zurückversetzt, in die Zeit von Liselotte Pulvers Jugend. Ein paar Damen haben sich schön gemacht, eine trägt ein keckes Schirmmützchen. Es ist ihre Illusion von der Jugend, der sie sich hingibt, nur für den Augenblick, nur für heute Abend. Bevor der Vorhang fällt, der noch die Leinwand verhüllt, geht Heineck mit seinem Bauchladen durch die Kinoreihen. Dann genießen die alten Menschen im halbbesetzten Kinosaal Eis, Süßigkeiten und den Film. Wie, das weiß keiner genau. Nur Heineck weiß, dass er ein wenig enttäuscht ist. „Es sind fast keine Angehörigen gekommen.“