Alle Jahre wieder testet die GWUP Wahrsager, Astrologen, Hellseher und ihre Prognosen – alle Jahre wieder mit dem gleichen Ergebnis: Sie können’s nicht.
Wer wüsste nicht gern, was ihn in Zukunft erwartet? Wie geht’s weiter in der Welt, was kommt – an Gutem und an Schlechtem – auf uns zu? Wie steht’s um die eigene Gesundheit, um die Liebe, um den Beruf? Das ist das Metier der Wahrsager, Astrologen und Hellseher. Rund 20.000 soll es davon in Deutschland geben – einen auf je 4.000 Einwohner. Geschätzter Jahresumsatz der Branche: über 500 Millionen Euro.
Doch liegen die selbsternannten Propheten auch richtig mit ihren Vorhersagen? Enthüllen uns Venus, Neptun und Co. wirklich die Zukunft? Das prüft seit zehn Jahren die GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften), die sich darüberhinaus auch mit anderen fragwürdigen Themen, etwa der Homöopathie oder Schüßlersalzen befasst. Der Mainzer Mathematiker Michael Kunkel sammelt dazu die Prognosen und ermittelt am Jahresende, was davon eingetroffen ist und was nicht. Grundlage seiner Analysen für das zu Ende gehende Jahr waren insgesamt 140 Vorhersagen von 70 Hellsehern, Astrologen und Wahrsagern. Drei Viertel der Prognosen fand er im Internet, der Rest stammt aus Zeitungen, Zeitschriften und Büchern.
Pleiten, Pannen und Propheten oder Je konkreter, desto nichts
Da kommt im Laufe eines Jahres allerhand zusammen. Die kanadische Hellseherin Niki Pezaro etwa behauptete ebenso wie ihr Kollege Blair Robertson, der Vulkan Vesuv werde ausbrechen. Doch der dachte gar nicht daran – offensichtlich hatte er die Verlautbarungen der beiden Spökenkieker nicht gelesen. Der inzwischen 83jährige Münchner Bestsellerautor Kurt Allgeier, einer der bekanntesten Astrologen Deutschlands, unkte, Ende Juni und Mitte Juli werde es zu Naturkatastrophen kommen, „die wohl sogar noch heftiger sein werden, als wir sie zuletzt erlebt haben“ – sie blieben ebenso aus wie die von seiner österreichischen Kollegin Susanne Eder ebenfalls für Mitte Juli vorausgesagten „Bombenattentate, Terroranschläge, Flugzeugunfälle und andere Katastrophen“. Schon vor Jahren hatte Allgeier übrigens für das Jahr 2002 oder 2006 eine „atomare Explosion“ mit sieben Millionen Toten für den Großraum Stuttgart vorhergesagt. Da haben wir also gerade noch mal Glück gehabt. Obwohl, andererseits, hätte ja auch seine Vorteile gehabt – um Sinn und Kosten für Stuttgart 21 bräuchten wir uns dann keine Sorgen zu machen.
In Zeiten der Eurokrise nehmen sich die Sterndeuter auch zunehmend der wirtschaftlichen Zukunft an. Die Wiener Hellseherin Rosalinde Haller etwa prophezeite für dieses Jahr das Ende von EU und Euro, ihre Kollegin Christiane Durer aus München sah gar gleich eine Währungsreform und den „kompletten Zusammenbruch des derzeitigen Wirtschafts- und Finanzsystems“ voraus.
„In Rom wird der Sitz des Oberhauptes der katholischen Kirche gestürmt, auch der Papst stirbt“
Noch einen Zacken weiter ging Thomas Ritter, im Hauptberuf Veranstalter von Reisen, vor allem nach Asien. Ritter schöpft seine Prophezeiungen aus geheimnisvollen Palmblattbibliotheken Indiens und aus Kristallschädeln der Maya. Diese Quellen „uralten Wissens“ hatten ihm verraten, dass es 2012 zu Aufständen und Plünderungen in verschiedenen europäischen Hauptstädten kommt: „Besonders blutige Kämpfe werden sich in Paris und Rom, aber auch in Madrid, London und Prag abspielen. In Rom wird auch der Sitz des Oberhauptes der katholischen Kirche gestürmt. Zahlreiche Würdenträger sterben bei den Plünderungen, auch der Papst, der zwar zunächst fliehen kann, jedoch außerhalb von Rom in einen Hinterhalt von Plünderern gerät.“
Bis jetzt trat nichts davon ein, aber keine Sorge, Haller, Durer und Ritter haben ja auch noch gut 14 Tage Zeit bis zum Jahresende… Vielleicht sollte sich Papst Benedikt XVI. diesmal bei seiner Weihnachtsansprache aber mit einer schusssichern Weste wappnen.
Der Klassiker des Hellseher- und Astrologen-Gewerbes: Schwangere Königskinder
Die Klassiker unter den Vorhersagen sind jedoch frisch verheiratete Königskinder – denn die tun gemeinhin das, was normale Sterbliche auch tun: Nachwuchs zeugen. Wer da von einer Schwangerschaft orakelt, ist fast automatisch auf der sicheren Seite, wie beim britischen Prinzen William und seiner Kate. Die Wahrsager Blair Robertson und Nikki Pezaro lagen hier 2012 denn auch goldrichtig. Die Sache hat nur einen kleinen Schönheitsfehler: Pezaro hatte die Schwangerschaft, ebenso wie ihre Kollegin Casia Cheyenne, für das Jahr 2011 schon einmal vorausgesagt – knapp vorbei ist auch daneben.
Vorhersehbar (sic!) wird die Sache jetzt wohl weitergehen: Junge oder Mädchen? Da sind noch Lorbeeren in der einschlägigen Presse zu verdienen, jedenfalls für die Hälfte der Wahrsager: Immerhin liegt die Wahrscheinlichkeit bei 1 zu 1. Beim Nachwuchs von Victoria von Schweden lag die oben erwähnte Rosalinde Haller 2011 jedenfalls daneben: Statt des vorhergesagten Jungen gebar die Prinzessin ein Mädchen.
Und wenn schon vorhergesagt wird auf Teufel komm raus: Warum, so fragt man sich, hat eigentlich keiner der selbsternannten Zukunftsdeuter den tragischen Skiunfall des niederländischen Prinzen Friso im Februar 2012 vorausgesehen? Na ja, schon klar, so was wahr ja auch nicht zu erwarten.
Schwammige Prophezeiungen, dunkles Raunen, ….
Astrologen und andere Propheten sind deshalb gut beraten, nur nicht zu konkret zu werden, dann kann man sie auch nicht auf ihren Aussagen festnageln. Ein „vielleicht“ ein „könnte“, ein „möglicherweise“, ein „denkbar wäre“ kann da nie schaden –der Astrologe Norbert Giesow aus der Nähe von Kiel macht beim Thema Staatsverschuldung, Griechenland und Euro vor, wie man’s richtig macht: „Möglicherweise ist hier ein möglicher Stillstand in der deutschen Politik angedeutet, der sich vielleicht nur durch Neuwahlen lösen lassen wird.“ Wahrlich, welch’ tiefe Weisheit spricht aus diesen Worten!
Noch besser ist es freilich, gleich in dunkles, rätselhaftes Raunen zu verfallen. Was zum Beispiel wollte uns der österreichische „Kosmobiologe“ Dr. Harald Geir (nach eigenen Angaben ein promovierter Naturwissenschaftler) eigentlich sagen, als er schrieb: „2012 ist das Jahr der Vorbereitung, die Menschen sind dabei aufgefordert an sich zu arbeiten, ihr Bewusstsein zu erweitern und ihre Themen zu klären. Es ist aktuell sehr viel an Heilung möglich und die geistige Welt steht uns unterstützend zur Seite.“
….rätselhaftes Munkeln, verschwurbeltes Geschwafel
Und was meint die Astrologin Ruth Siegenthaler aus dem schweizerischen Richterswil, wenn sie Banalitäten wie diese raunt: “Durch diese Einflüsse dringt mehr Licht zu uns durch. Deshalb kann man von einem „Erleuchtungsprozess“ oder – anders gesagt – von einem „Bewusstseinswandel“ sprechen, der die wirtschaftlichen, politischen und klimatischen Verhältnisse einem immer schnelleren Wandel unterwirft. … Unser Herz ist nicht nur der Sitz der Liebe – es spielt auch eine entscheidende Rolle, wie wir uns selbst, unsere Mitmenschen und das Leben verstehen“.
Mal ehrlich, hätten wir ja alles wirklich nicht vermutet: Alles ändert sich immerfort, und es ist wichtig, wie wir uns, unsere Mitmenschen und das Leben verstehen. Einen Vorteil aber haben derartige Binsen ganz gewiss: Sie lassen sich im Nachhinein beliebig ausdeuten und mit Inhalt füllen.
Morgen geht die Sonne auf, oder: vorhersagen, was ohnehin passiert
Ein anderer Trick der Seherzunft ist es, Ereignisse zu prophezeien, die ohnehin immer wieder passieren: ein Wirbelsturm in der Karibik etwa, oder Überschwemmungen in Bangla Desh, oder Lawinen in den Alpen, oder Waldbrände in Spanien und Griechenland, oder… oder. Da kann man es sogar wagen, ein konkretes Datum zu nennen – das verschiebt man hinterher einfach um ein paar Tage oder Wochen und erklärt es wortreich mit irgendwelchen nicht vorhersehbaren (sic!) kosmischen Störungen.
Sogar Prognosen-Auswerter Michael Kunkel selbst hat das schon erfolgreich praktiziert: 2009 sagte er für die zweite Maihälfte ein Erdbeben der Stärke 4,5 bis 5 auf den Fidschi-Inseln voraus. Genauso passierte es auch, Bingo!!! Der Mathematiker hatte einfach ein wenig gegoogelt und herausgefunden, dass derartig schwache (was aber viele Laien nicht wissen) Erdbeben die Fidschis ein– bis zweimal die Woche heimsuchen.
Themen, die Astrologen gerne meiden
Es gibt aber auch Themen, bei denen sich die Astrologen auffallend zurückhielten – die Fußball-Europameisterschaft zum Beispiel. Der Grund dafür ist einfach: Das Ende von EU und Euro sind einfach zu abstrakt, der Prozess bis dahin ist schleichend, die Folgen treffen alle. Fußballergebnisse dagegen sind überaus und fast schon sinnlich konkret, man kann sie unmittelbar nachprüfen. Leicht vorstellbar ist da, was passiert, wenn ein Fan sich für eine Fußballwette verschuldet und nach dem Abpfiff bei „seinem“ Astroberater auf der Matte steht. Da schiebt man lieber Tiere vor, wie den Kraken Paul, der bei der Weltmeisterschaft 2010 alle Spiele mit deutscher Beteiligung sowie das Endspiel richtig „voraussagte“. Paul starb noch 2010, seine Nachfolger bei der EM waren nicht derart übersinnlich begabt: Schon beim Halbfinale waren sie allesamt aus dem Rennen.
Es bleibt also dabei: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Schon der Grieche Perikles wusste vor mehr als 2.400 Jahren, dass es ohnehin nicht darauf ankommt, die Zukunft vorherzusagen, sondern auf sie vorbereitet zu sein. Und Georg Christoph Lichtenberg spottete vor über 200 Jahren: „Vom Wahrsagen lässt sich wohl leben, aber nicht vom Wahrheit sagen.“