Diktate sollen laut Sprachexperten abgeschafft werden, da sie nur wenig Auskunft über die Rechtschreibkompetenz geben. Berichtigungen verlaufen mangelhaft.
Diktate sollen laut Martin Fix, Sprachdidaktiker und Rektor der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, und dem pädagogischen Psychologen Peter Birkel Fokus Schule zufolge abgeschafft werden. Ihrer Meinung nach fehle die Objektivität zur Beurteilung der Rechtschreibkompetenz. Aus diesem Grund sei nun in Hamburg das Diktateschreiben gänzlich verboten. Stattdessen werden Klassenarbeiten eingesetzt, die gezielt auf den Schwerpunkt des behandelnden Lernstoffes eingehen. Die Bildungsministerien in Hamburg strichen im Lehrplan der Grundschule den Einsatz von Diktaten.
Für Rechtschreibschwerpunkte Klassenarbeiten einsetzen
Die deutsche Rechtschreibung kann man nur umsetzen, wenn die Regeln auch verstanden worden sind. Es muss verstärkt nach Strategien gelehrt sowie geprüft werden, um den wahren Wissensstand jedes einzelnen Schülers abrufen zu können. Das können folgende Dinge sein:
- Das Erkennen der langen und kurzen Laute, damit man sich für doppelte oder für einen einzelnen Konsonanten entscheiden kann, etwa die Wörter Mitte – Miete.
- Endet das Wort „Schub“ mit „b“ oder „p“? Ein Verlängern verdeutlicht dies, aber auch eine deutliche Aussprache. So sollte der Schüler probehalber ein Blatt Papier vor seinem Mund halten. Bewegt sich das Blatt kaum, ist es ein „b“. Umgekehrt, also beim „p“, knickt das Papier sichtbar nach hinten.
- Oder bei der Groß- und Kleinschreibung. Fragen wie: Kann ich es anfassen? Steht ein Artikel, Numeral, eine Präposition oder ein Adjektiv davor, dann wird großgeschrieben.
In den Klassenarbeiten können somit Lückentexte, Schreibweisenbegründungen, diverse Differenzierungen abgefragt werden. Bei den s-Lauten würden sich Unterscheidungen in der zischenden und summenden Lautierung anbieten. Das kann auch ein Mix zwischen Grammatik und Rechtschreibung darstellen. Auf diese Weise würden mehrere Schwerpunkte thematisiert werden. Demzufolge sagen sich die Sprachexperten und Hamburger Schulpolitiker, dass dieser Weg einen deutlicheren Kenntnisstand eines jeden darlegt.
Was spricht gegen Diktate?
Vor dem Diktat werden zwar Schwerpunkte bearbeitet, jedoch tauchen sie zumeist nur minimal im Text auf. „Beim Diktieren werden Kinder zu allen möglichen Fehlern verleitet, statt dass sie ihr Wissen gezielt anwenden können. Die Begrenzung auf einen Übungsschwerpunkt ist nicht möglich“, klärte Martin Fix auf. Seiner Meinung nach verzerre es das Gesamtbild. Der gelernte wahre Schwerpunkt besagt nicht, ob die Strategie auch wirklich verstanden worden ist. So spricht auch die Handhabung der Diktate dagegen: In der Berichtigung sollen die Schüler unterhalb der Note vier einzelne Fehler eine Zeile lang korrigieren, die schlechteren den Text neu abschreiben. An dieser Stelle fragen sich die Gelehrten, wo die Kinder bei dieser Methode etwas im Nachhinein noch lernen können, zumal das Ergebnis auch selten kontrolliert wird.
Ferner behauptet Martin Fix, dass „Diktate nichts mit dem Leben zu tun“ hätten. Seiner Meinung nach gebe es keinen Anwendungszweck in der späteren beruflichen Laufbahn. Der Einsatz sei deswegen „sinnlos“. Der Sprachexperte übersah vermutlich einige Arbeitszweige wie die Sekretärin oder Assistentin, und so gesehen dürften auch die Mathematik-Anforderungen in Zukunft schrumpfen, denn wer braucht schon Algebra?
Was spricht für Diktate?
Diktate bieten einem Schüler zumeist einen zusammenhängenden Text, der ihn mit einem altersgerechten Inhalt konfrontiert. So wird er also nebenher sogar unterhalten, obendrein informiert. Die Berührung mit diesen zusammenhängenden Texten wäre eine intensive Auseinandersetzung mit dem Satzbau, was für das freie Schreiben im Aufsatz einen Vorteil bietet. Diktate sind eigentlich dazu da, damit der Schüler seine gelernten Rechtschreibkenntnisse im Text zeigen und anwenden kann. Dazu muss ihm auch regelmäßig der Zugang im Übungsbereich geboten werden. Einmal im halben Jahr einen Text schreiben und diesen am Ende zensieren, stellt keine Lösung dar, sondern eher Frust. Die regelmäßigen Übungen nach einem festen System lösen die Rechtschreibproblematik.
Regelmäßig Fünf-Minuten-Diktate schreiben, mit systematischer Fehlerberichtigung
Regelmäßig kurze Diktate – die so genannten Fünf-Minuten-Diktate – schreiben, biete sich einmal die Woche an. Anschließend wird kontrolliert und nach System verbessert. So existiert beispielsweise im Fant Verlag ein gleichnamiges, in Spiralen gebundenes, handliches Heft, das sich genau mit dieser Thematik auseinandersetzt. Nach jahrelangem bewährtem Konzept müssen die Schüler beispielsweise nicht nur das falsch geschriebene Verb eine Zeile lang stumpf hinschreiben, sondern währenddessen laut buchstabieren. Das bringt den Vorteil, dass sich der Schüler mit dem Wort intensiv auseinandersetzt. Anschließend folgen das Konjugieren, Silbentrennung, Schreibweisenbegründung sowie Wortfamilienauseinandersetzung. Der Lernende hat im Schnitt für einen Fehler drei bis fünf Übungen zu bewältigen. Was für manche auf den ersten Blick als unmotiviert erscheinen mag, bietet einem LRS-Schüler oder jedem anderen eine regelmäßige Rechtschreibübung nach dem Motto: jeden Tag ein bisschen. Wichtig ist aber auch, dass alles am Ende korrigiert wird und die dort entstandenen Fehler im Nachhinein ebenfalls verbessert werden müssen. Nur so ist ein Diktat sinnvoll und die Kinder bleiben in Übung.
Was läuft bei den Diktaten oftmals schief?
In der Grundschule werden zu lange geübte Diktate eingesetzt. Um frühzeitig eine kontinuierliche Rechtschreibkompetenz zu erreichen, muss von Anfang an in kleinen Schritten eine Vielfalt von Prüfungsmethoden eingesetzt werden, wie Wortdiktate, Rätsel aller Art oder der Einsatz von fehlerhaften Texten. Diese Methoden schulen das Auge fühlbar. Unruhe innerhalb der Klasse sowie undeutliche Aussprachen des Lehrers führen ebenfalls zu stark fehlerbehafteten Diktaten. Zudem sind die Schwerhörigkeit des Schülers mögliche Indizien, die genau unter Beobachtung stehen sollten.
Der pädagogische Psychologe Peter Birkel beklagt Folgendes: „Wie viele Fehler in einem Text identifiziert werden und welche Note ein Schüler für das Diktat bekommt, hängt davon ab, welchen Lehrer er hat.“ Seiner Meinung nach vergeben mehrere hundert Pädagogen unterschiedliche Noten für ein und dasselbe Diktat. Wie kann das passieren? Es beginnt mit der Entzifferung der Schrift. So kann ein „b“ schnell als „l“ identifiziert werden. Andere zählen Wiederholungsfehler doppelt und dreifach, was eigentlich verboten ist. Die Umlaut-Punkte werden mal als halber und mal als ganzer Fehler berechnet. Hierbei spielen unzählige Einflüsse eine große Rolle, was zu Notenschwankungen führt.
Rechtschreibung richtig üben und prüfen
Wenn Diktate regelmäßig in kurzen Texten geübt werden, die Nachbearbeitung mit System angewandt wird, können diese weiterhin ihren ursprünglichen Zweck erfüllen. Strategische Anwendung kompensiert mit vielfältigen Prüfmethoden sollten auf Dauer gute Ergebnisse in der Orthographie einbringen.