Wie äußert sich eine Psychose im Wochenbett und was müssen Betroffene und Angehörige darüber wissen?
Bei der Wochenbettpsychose handelt es sich um ernstzunehmende, sehr schwerwiegende psychische Erkrankung, die schnelles psychiatrisches und psychotherapeutisches Handeln erforderlich macht. Zum Glück tritt sie im Vergleich zu Depressionen im Wochenbett relativ selten auf. Von einer Wochenbettdepression sind etwa 10 bis 15 Prozent der Frauen nach der Entbindung betroffen, während es nur bei 0,1 bis 0,2 Prozent der frischgebackenen Mütter zu einer Wochenbettpsychose kommt.
Was versteht man unter einer Psychose?
Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht man dann von einer Psychose, wenn eine seelische Störung den davon Betroffenen so stark beeinträchtigt, dass derjenige aufgrund von mangelndem Realitätsbezug nicht mehr in der Lage ist, die üblichen Anforderungen des alltäglichen Lebens zu erfüllen. Die Selbst- und Außenwahrnehmung verändert sich, zum Beispiel durch Halluzinationen oder Fehlinterpretationen von alltäglichen Ereignissen. Denken, Fühlen, Antrieb und Verhalten können sich sehr stark verändern. Es kann zusätzlich eine manische Hochstimmung oder eine Depression vorliegen oder sogar ein Mischzustand von beiden Stimmungslagen.
Von einer Wochenbettpsychose spricht man, wenn eine Psychose kurze Zeit nach einer Geburt auftritt. Meistens tritt sie in den ersten drei Wochen nach der Entbindung, am häufigsten beginnt sie zwischen dem 2. und 4. Tag nach der Entbindung. Sowohl ein schleichender als auch ein plötzlicher Beginn ohne vorherige Symptome sind möglich.
Woran erkennt man eine Wochenbettpsychose?
Besonders für Laien besteht das Problem, dass eine Wochenbettpsychose ziemlich schwer zu erkennen ist, da man Halluzinationen oder irreale Befürchtungen und Wahnvorstellungen den Betroffenen meistens nicht ansieht und diese auch gar nicht so selten von den Psychosebetroffenen verschwiegen werden, aus Angst für verrückt gehalten zu werden. Außerdem wechseln die Symptome oft sehr schnell. Die Betroffenen können durchaus zwischendurch völlig gesund wirken und im nächsten Moment wieder psychotisch dekompensieren.
Besonders schwer lassen sich psychotische Symptome erkennen und als solche einordnen sowohl von den Betroffenen selbst als auch von deren Familien und Angehörigen, wenn eine Psychose zum ersten Mal auftritt. Die Unterscheidung von einer Wochenbettdepression kann unter Umständen sogar für Fachleute schwierig werden. Hinzu kommt noch, dass sich in seltenen Fällen aus einer schweren Wochenbettdepression auch eine Psychose entwickelt.
Folgende Symptome treten bei einer Wochenbettpsychose recht häufig auf:
- Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen oder auch falsche Erinnerungen an zurückliegende Ereignisse.
- Gedankenunterbrechungen, zerfahrenes Denken oder Gedankenrasen, was sich auch oft beim Sprechen bemerkbar macht.
- Antriebsminderung oder -steigerung, sozialer Rückzug, Bewegungsunruhe oder Bewegungsstarre, Erregungszustände.
- Die Stimmungslage kann euphorisch, gereizt, aggressiv, stark ängstlich oder depressiv, hoffnungslos und verzweifelt sein. Oft wechselt die Stimmung sehr stark zwischen verschiedenen extremen Zuständen ab.
- Eher selten treten auch Zwangsgedanken, -impulse oder Zwangshandlungen innerhalb der Psychose auf.
- Fast immer bestehen Ein- oder Durchschlafstörungen oder ein insgesamt vermindertes Schlafbedürfnis.
- Unter dem Einfluss der psychotischen Symptome oder auch wenn die Psychose am Abklingen ist, kommt es oft zu Suizidgedanken, im schlimmsten Fall auch zu Suizidhandlungen
- Körperlich lässt sich entweder Energiemangel oder übergroße Energie beobachten. Die Betroffenen leiden oft unter körperlichen Missempfindungen oder Schmerzen ohne organische Ursache.
- Meistens liegen produktiv-psychotische Symptome wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Beeinflussungserlebnisse oder illusionäre Erkennungen vor.
Mögliche Ursachen einer Wochenbettpsychose
Nach der Entbindung kommt es bedingt durch den Abgang der Plazenta, auch als Mutterkuchen oder Nachgeburt bezeichnet, zu einem starken, plötzlichen Hormonabfall der beiden Hormone Östrogen und Progesteron. Dadurch lassen sich allerdings hauptsächlich die Entstehung der Heultage erklären, die etwa bei 50 bis 70 Prozent der Frauen, zwischen dem 2. und 4. Tag nach der Entbindung auftreten.
Bei der Entstehung einer Wochenbettpsychose spielen meistens noch weitere Ursachen eine Rolle. Man geht von einer ,,multifaktoriellen“ Verursachung aus. Meistens liegt eine ,,Vulnerabiltität“ für psychische Störungen durch erbliche Einflüsse vor, besonders wenn es bereits psychische Störungen bei Verwandten ersten Grades gibt. Eigene psychische Erkrankungen in der Vorgeschichte oder das Vorliegen psychischer Krankheitssymptome in der Schwangerschaft erhöhen des Erkrankungsrisiko. Weiterhin spielen auch psychosoziale Belastungen eine große Rolle wie zum Beispiel fehlende Unterstützung durch den Partner oder das familiäre Umfeld, soziale Isolation oder eine ungesicherte finanzielle Situation.
Behandlung und Prognose
Je nach Erkrankungsbild wird in der Regel mit Medikamenten wie Neuroleptika (Antipsychotika), Antidepressiva und eventuell Tranquilizern am besten in Kombination mit einer unterstützenden Psychotherapie behandelt. Die Notwendigkeit mit Medikamenten zu behandeln, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Mutter abstillen muss. Es gibt Psychopharmaka, die während der Stillzeit gegeben werden dürfen. Gerade die Möglichkeit, trotz der Erkrankung weiter stillen zu können, fördert die Beziehung zwischen Mutter und Kind.
Bei einer so schweren Erkrankung wie einer Wochenbettpsychose sollte eine stationäre Behandlung erfolgen, da eine psychotische Mutter meistens nicht mehr in der Lage ist, alleine für ihr Kind zu sorgen und bei vielen Psychosen durchaus die Gefahr eines Suizids oder sogar eines erweiterten Suizids besteht. Allerdings sollte möglichst eine Mutter-Kind-Station einer psychiatrischen Klinik gewählt werden, damit Mutter und Kind nicht getrennt werden müssen. Leider gibt es in Deutschland bisher nur sehr wenige psychiatrische Kliniken, die psychisch kranke Mütter zusammen mit ihren Kindern im Akutfall aufnehmen und noch weniger, die ein spezielles Therapieprogramm für psychisch kranke Mütter im Wochenbett anbieten. Eine Liste von Kliniken findet man auf den Internetseiten der überregionalen Selbsthilfegruppe ,,Schatten & Licht“.
Nach Abklingen der akuten Psychose empfiehlt sich in einer Psychotherapie, die Erlebnisse in der Psychose aufzuarbeiten. Auch eine Mutter-Kind-Therapie ist wichtig, die der Mutter wieder Sicherheit und Kompetenz im Umgang mit ihrem Kind vermittelt, die durch die akute Erkrankung oft verloren geht.
Besonders wenn eine Wochenbettpsychose zum ersten Mal auftritt und rechtzeitig erkannt und behandelt wird, bestehen recht gute Chancen, dass sie vollkommen abklingt und keine Restsymptomatik zurückbleibt. Allerdings bleibt das Risiko für weitere psychotische Episoden lebenslang erhöht. Jedoch muss das nicht zwangsläufig heißen, dass eine Wochenbettpsychose nach einer weiteren Geburt erneut auftritt. Die meisten Wochenbettpsychosen treten nach der ersten Entbindung auf. Das höchste Erkrankungsrisiko besteht bei Psychosen mit manischen Anteilen. Es hängt aber auch immer sehr von individuellen Risikofaktoren ab, wie groß die Gefahr einer erneuten Erkrankung nach einer weiteren Entbindung ist. Es besteht jedenfalls kein Grund, Frauen, die einmal eine Wochenbettpsychose oder unabhängig von der Geburt eines Kindes an einer Psychose erkrankt waren, generell davon abzuraten, ein Kind oder weitere Kinder zu bekommen.