Der „Blues“ kommt mit der kalten Jahreszeit. Die saisonale Depression taucht zum Jahresende auf und verschwindet wieder zum Frühjahr. Aber nicht nur dadurch unterscheidet sie sich von anderen Formen der Depression.
Sobald es draußen früher dunkel wird, werden viele Menschen depressiv. Mittlerweile ist jeder vierte Bundesbürger davon betroffen. Die Ursache ist oft eine Winterdepression, die kurz auch SAD (saisonal abhängige Depression) genannt wird. Im Ganzen zeigt sie sich durch dieselben Symptome wie eine typische Depression, besitzt zu dieser aber auch markante Unterschiede.
Depression und Müdigkeit bedingen sich gegenseitig
Die Begriffe „Depression“ und „Müdigkeit“ gehen in psychologischer und physiologischer Hinsicht Hand in Hand. Wenn das natürliche Bedürfnis nach Schlaf stetig überhört wird, macht sich mit aller Wahrscheinlichkeit irgendwann Erschöpfung breit – und Erschöpfung macht depressiv. Natürlich spielen weitere psychosoziale oder auch organische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung einer Depression, aber im Fall der Winterdepression kann hier die Ursache ausgemacht werden.
Der Wunsch nach Winterschlaf
„Der erschöpfte Mensch wird zur Karikatur des normal müden Menschen“, sagt der Psychologe Pierre Daco über den depressiven Zustand durch Erschöpfung. Es beschreibt genau das, was uns auch in jedem Winter passiert. Wie die meisten Lebewesen haben wir Menschen das Bedürfnis, in einen Winterschlaf zu fallen. Da es im Winter länger dunkel ist, schüttet der Körper verstärkt das Schlafhormon Melatonin aus – man wird müde, fühlt sich energielos und schläfrig. Leider fallen wir nun nicht in den Winterschlaf, sondern werden schlicht anfälliger für Erschöpfung. Die menschliche Karikatur der Müdigkeit macht höchst unzufrieden: antriebslos, lustlos, freudlos und schmerzlichst pessimistisch.
Die Symptome der winterlichen Melancholie
Ein übergeordnetes Merkmal einer Depression ist die Melancholie. Der Leidende ist schwermütig und unbegründet traurig, wobei ihn sogar positive Sachen traurig erscheinen. Er verfällt in nicht endende Grübeleien und denkt schließlich, dass alles hoffnungslos ist. Der „typisch“ Depressive quält sich so sehr, das sich sein Leiden sogar körperlich, etwa in muskulären Verspannungen, Kopf- und Herzschmerzen oder Sehstörungen ausdrückt. Er ist schlaflos, hat keinen Appetit und isst nicht mehr. Der Winter-Depressive (wozu vor allem Frauen ab 20 Jahre aufwärts zählen) hingegen leidet unter einer weniger ausgeprägten Empfindungsstörung, mit einem erhöhten Schlafbedürfnis und großem Hunger auf kohlenhydrathaltige Lebensmittel, wozu vor allem Süßes zählt.
Serotonin als Schlüssel zur Lösung der „Lichtmangel-Depression“
Weitestgehend wird angenommen, dass bei einer Winterdepression eine Störung bestimmter Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter) vorliegt, die die Stimmung beeinflussen. Zwei dieser Boten sind Melatonin und Serotonin. Da im Winter durch die Dunkelheit ein Überbedarf an Melatonin zur Verfügung gestellt wird, kann der Haushalt durch Serotonin ausgeglichen werden, das im Gehirn Glücksgefühle und Euphorie auslöst.
Es wird neben dem Verzehr von Kaffee und Süßem vor allem durch die Aufnahme von Sonnenlicht gebildet, das im Winter am meisten fehlt. Deswegen kann eine künstliche Lichttherapie angewandt werden, bei der der Leidende mit einem Licht bestrahlt wird, welches das Sonnenlicht nachahmt und eine mindestens 10-fach höhere Intensität als normales Zimmerlicht aufweist. Aber am besten hilft das Original: Ein einstündiger Spaziergang im Tageslicht hilft, die trüben Gedanken zu verjagen, egal, wie dick man angezogen ist. Denn das Sonnenlicht wird über die Augennetzhaut aufgenommen, und das auch durch eine Wolkendecke.
„Eile mit Weile“ gegen die winterliche Müdigkeit
Die Tipps zur Hilfe gegen Winterdepression reichen von Gesang und Bewegung, einer ausgewogenen Ernährung, bunten Farben für Kleidung und Umgebung bis zu belebenden Aromatherapien oder der Einnahme von Johanniskraut. Doch eine helfende Formel bei leichteren Stimmungsschwankungen liegt im Kern der Depression selbst verborgen: Meist wird mehr Energie ausgegeben, als Ressourcen vorhanden sind. Also warum nicht zwischendurch die Beine hochlegen, dem einen oder anderen Gedanken an den Sommer nachhängen, energiereiche Spekulatius knabbern und den Speicher wieder aufladen?