Jeder vierte Mensch hat chronische Schmerzen, die aber oft nicht ernst genommen und adäquat behandelt werden.
Chronischer Schmerz ist für viele Menschen ein täglicher Begleiter, an den man sich nicht gewöhnen kann – und auch nicht sollte. An erster Stelle rangiert der Rückenschmerz, danach folgt der Kopfschmerz. Viele Schmerzpatienten fühlen sich allerdings von der Ärzteschaft im Stich gelassen.
Alarmsystem Schmerz
Genau genommen hat der Schmerz eine bedeutende Funktion. Er ist etwas Positives, da er den Menschen vor einer Bedrohung im und auf dem Körper warnt. Dieses Alarmsystem sollte ernst genommen werden. Da fangen die Vorurteile zum Thema Schmerz an. Schmerzen sind vorerst zu erdulden. Daher beginnen Schmerzpatienten oft mit einer „Eigentherapie“, nicht zuletzt aufgrund des Drucks, in der Arbeit oder im sozialen Leben mitzuhalten. Viele Schmerzmittel sind in Apotheken rezeptfrei erhältlich und werden zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Lebens.
Die Warnung vor der Selbsttherapie
Treten Schmerzen auf, für die es keine rationale Erklärung gibt und die länger anhalten, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Der Anästhesist und Intensivmediziner Wilfried Ilias, Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft, dazu :“Es ist eine Notwendigkeit, dass Menschen erkennen: Eine Schmerztherapie und die Einnahme von Schmerztherapeutika bedarf einer ärztlichen und pharmazeutischen Expertise“. Zudem kann sich der Schmerz, wenn er andauert, „verselbstständigen“. Denn die für die Schmerzvermittlung eingeschalteten Nerven, Synapsen und Rezeptoren gleichen sich an den Schmerz an und reagieren empfindlicher. Die Schmerzwahrnehmung wird dadurch verstärkt.
„Damit müssen sie leben“
Vielen Schmerzpatienten fehlt allerdings oft das Vertrauen in Ärzte. Betroffene beklagen, dass sie oftmals von Ärzten nicht ernst genommen werden. Schmerzen werden kleingeredet, sie werden auf Wehleidigkeit, bei Frauen sogar auf Hysterie oder die Hormone reduziert. Dieses Problem kennt auch der Allgemeinmediziner Hans-Joachim Fuchs :“Schmerzen sind nach relativ kurzer Zeit eine eigene Krankheit“. Daher ist das Erdulden von Schmerzen falsch. Denn es gibt bisher keine zufriedenstellende Definition des Begriffes „Schmerz“.
Schmerz ist immer subjektiv
Die internationale Gesellschaft zum Studium des Schmerzes – IASP – definiert Schmerz folgendermaßen: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit einer echten oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder als solches beschrieben wird. Schmerz ist immer subjektiv“. Daher ist Schmerz nicht messbar. Für die Entstehung, insbesondere die Aufrechterhaltung chronischer Schmerzzustände spielen neben genetischen auch soziale und psychologisch prädisponierende Faktoren – zum Beispiel Stress – eine besondere Rolle. Neben Belastungsfaktoren können auch ungünstige Verhaltensgewohnheiten zu Dysregulationen eines Körperbereichs führen.
Akuter und chronischer Schmerz
Der akute Schmerz hat eine sinnvolle und lebenserhaltende Funktion. Er ist ein Alarmsignal und dient dazu, Beschädigungen des Organismus zu verhindern. Solche Schmerzwahrnehmung löst entsprechende Schutzreaktionen aus, zum Beispiel das Wegziehen der Hand von einer heißen Herdplatte. Der chronische Schmerz hingegen hat diese sinnvolle Melde-, Schutz- und Heilfunktion verloren, er wird zu einem Dauerbegleiter mit weitreichenden Folgen. Wird die Weiterleitung schmerzhafter Reize nicht durch eine ausreichende Behandlung unterdrückt, so wird die körpereigene Schmerzabwehr überfordert und verliert die Kontrolle über das Geschehen. Die Schmerzverarbeitung hat sich verändert, das System hat „Schmerz gelernt“.