Missverständnisse entstehen oft, weil wir etwas anderes in einen Satz hinein interpretieren, als damit gemeint ist. Schulz von Thun schuf hierzu ein Modell.
Friedemann Schulz von Thun hat es schon vor Jahren richtig erkannt: Die menschliche Kommunikation steckt voller Missverständnisse, denn so ziemlich jeder Satz, den wir mit unserem Gegenüber wechseln, kann auf vier verschiedene Arten gemeint und auf ebenso viele unterschiedliche Arten verstanden werden. Schulz von Thun entwickelte auf dieser Erkenntnis das vier-Ohren-vier-Zungen-Modell. Hierbei ging er von den mittlerweile weit verbreiteten vier Ebenen der Kommunikation aus.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Die Sachebene enthält nur Informationen
Ein Ehepaar fährt gemeinsam Auto. Die Frau sitzt am Steuer und der Herr des Hauses auf dem Beifahrersitz. Das Paar nähert sich einer Kreuzung mit Ampelschaltung. Der Beifahrer sagt: “Da vorne ist grün“. Laut Schulz von Thun kann allein dieser Satz vom Ehemann auf vier verschiedene Arten gemeint gewesen sein. Und auch die Ehefrau kann diesen Satz völlig losgelöst davon, wie der Satz wirklich gemeint war, auf vier verschiedenen Ebenen verstehen. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass der Mann mit vier Zungen sprechen und die Frau mit vier Ohren zuhören kann. Spricht der Ehemann mit der Sachzunge, will er mit diesem Satz nur Daten und Fakten vermitteln. Im vorliegenden Beispiel wäre dies lediglich, dass die Ampel auf grün steht. Wenn die Frau dann wirklich nur mit ihrem Sachohr zuhört, nimmt sich auch nur diese Information wahr, ohne irgendeine Wertung dahinter zu vermuten.
Die Appellebene fordert zu etwas auf
Spricht der Mann mit der Appellzunge, will er damit etwas erreichen. In vorliegendem Beispiel könnte dies sein, dass er seiner Gattin klar machen will, dass sie schneller fahren soll, bevor es rot wird. Hört die Ehefrau dann auch mit dem Appellohr hin, wird sie dementsprechend handeln und Gas geben, um wirklich noch bei Grün über die Kreuzung zu kommen.
Die Beziehungsebene sagt etwas darüber aus, wie wir den anderen sehen
Vielleicht glaubt der Mann auch, seine Frau habe die Ampel gar nicht gesehen oder sie nicht beachtet und fühlt sich deshalb dazu berufen, sie darauf aufmerksam zu machen. Als Retter seiner scheinbar überforderten Frau erklärt er ihr nun hilfsbereit, dass dort eine Ampel steht, die momentan grün anzeigt. Ist das Beziehungsohr der Partnerin aktiv, kann sie die Hilfe des Partners erkennen und dankend annehmen. Möglich ist aber auch, dass sie sich von ihrem Beifahrer bevormundet fühlt, denn schließlich hat sie die Ampel selbst schon längst gesehen. Mitunter reagiert sie dann gereizt und entgegnet genervt „jaaaaa!“. Somit sorgt also gerade die Sachebene für manchen Streit.
Die Selbstkundgabe soll sagen, was wir möchten
Wenn der Mann an diesem Tag einen wichtigen Termin hat, kann es genauso gut sein, dass er es gerade sehr eilig hat. Er macht dann seine Frau auf die grüne Ampel aufmerksam, um Zeit zu sparen. So muss die Fahrerin nicht erst kurz abbremsen, sondern kann zügig die Kreuzung überqueren. Weiß die Ehefrau um den Termindruck, wird es ihr ein Leichtes sein, das Ohr für Selbstkundgabe anzuschalten und entsprechend zu handeln.
Graue Theorie – verwirrende Praxis
Dieses vier-Ohren-vier-Zungen-Modell hört sich einfach an. Dies könnte es auch sein, wenn sichergestellt wäre, dass jeder in einem Gespräch mit denselben Zungen spricht und den entsprechenden Ohren hört. Doch leider kommt es immer wieder vor, dass der eine Gesprächspartner sich auf der Sachebene bewegt und der andere auf der Beziehungsebene zuhört. Missverständnisse und emotionale Verletzungen können so leicht entstehen und jede weitere Kommunikation erschweren.
Das Bewegen auf den vier verschiedenen Ebenen führt seltener zu Schwierigkeiten, je besser sich die Gesprächspartner kennen. Denn kann können sie Gesten, Mimik und Tonfall des Gegenübers leichter interpretieren, was die richtige Zuordnung der Ebene erleichtert.