Anfangs hatte Waltraud P. (54) die Veränderungen kaum bemerkt. „Aber auf einmal musste ich fast jede halbe Stunde zur Toilette“, verrät sie. Wenn Waltraud dem ständigen Harndrang nicht sofort nachgab, verlor sie oft auch etwas Urin. „Das war mir immer furchtbar peinlich“, erinnert sie sich. „Theaterbesuche oder längere Einkäufe, ein Gang über den Weihnachtsmarkt – das war einfach nicht mehr drin!“
Etwa vier Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einer überaktiven Blase, auch Reizblase genannt. Wenn jüngere Frauen davon betroffen sind, ist das Leiden eher nervöser Natur. „Diese Patientinnen klagen dann beispielsweise darüber, dass sie die Symptome unter der Woche, nicht aber am Wochenende haben,“ erklärt Dr. Ingeborg Reckel-Botzem, Gynäkologin aus Hainburg. „Meist stecken Probleme im Job oder Stress dahinter.“
Ab 40 wird die Blase schwach
Mit zunehmenden Alter wird eine Reizblase häufiger – und zwar sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Bei Frauen ist sie meist eine Begleiterscheinung der Menopause. „In dieser Zeit produzieren die Eierstöcke immer weniger Östrogen“, so die Frauenärztin. „Fehlt dieses Hormon, bilden sich die Schleimhäute der Scheide und Blase zurück. Das kann die Beschwerden auslösen.“
Medikamente mit anticholinergischer Wirkung können sowohl bei der Reizblase des Mannes als auch der Frau helfen. Dabei handelt es sich um Substanzen, die die Blasenfunktion harmonisieren. Auch verschiedene pflanzliche Mittel können die Reizblase beruhigen. Im Handel gibt es Mittel, die Sägepalmen-Früchte, Brennnesselwurzeln, Goldrutenkraut oder Kürbiskerne enthalten. „Sie wirken allerdings nur in leichten Fällen und erst recht spät“, weiß die Gynäkologin.
Tipps der Frauenärztin bei einer Reizblase
„Meine erste Empfehlung bei einer Reizblase ist die lokale Östrogenisierung“, so Dr. Reckel-Botzem. Sie verschreibt ihren Patientinnen daher Scheidenzäpfchen, die Östriol enthalten. „Es handelt sich dabei um eine Östrogenvariante, die direkt an Ort und Stelle wirkt. Diese Therapie hat kaum Nebenwirkungen und kann daher langfristig gegeben werden. Meist normalisiert sich damit nicht nur der Harndrang innerhalb von wenigen Wochen, sondern auch andere menopausale Beschwerden im Intimbereich.“
Wer unter einer überaktiven Blase leidet, sollte zudem viel trinken. „Das mag paradox klingen, aber wenn die Ausscheidungsstoffe im Urin zu konzentriert sind, reizen sie die Blase zusätzlich“, so Dr. Reckel-Botzem. Auch Beckenbodengymnastik und Übungen, den Harn einzuhalten, empfiehlt die Gynäkologin. Ihr Rat: „Versuchen Sie einfach, dem Drang immer länger standzuhalten und nicht gleich nachzugeben. So trainieren Sie ihre Blase!“
Blasenprobleme bei Männern
Bei etwa 20 Prozent der Männer über 40 Jahren ist die Blase überaktiv. „Das ist für die Betroffenen äußerst lästig“, weiß der Dr. Friedrich Douwes, Internist aus Bad Aibling. „Aber man kann sie gut mit Anticholinergika behandeln!“ Nykturie, Harnträufeln, Inkontinenz: Das sind die Beschwerden, über die die Männer klagen. Meist denken Ärzte in solchen Fällen an die Prostata, doch oft steckt nur eine überaktive Blase dahinter. „Eine anticholinerge Therapie wird Männern bisher aus Sorge vor Harnverhalt und Restharnbildung meist vorenthalten, insbesondere dann, wenn sie an einer Prostatavergrößerung leiden. Diese Vorsicht ist nach unseren Erfahrungen aber nicht gerechtfertigt. Wenn es keine Hinweise für obstruktive Probleme gibt, sollten Männer genauso behandelt werden wie Frauen.“