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Die Sintflut der Bibel – Mythos oder mehr?

Die Sintflut ist nach den Berichten der Genesis die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Als Strafe Gottes vernichtete sie nicht nur die sündigen Menschen, sondern „alles Leben, was sich bewegte“. Spätestens mit dem Aufkommen der modernen Naturwissenschaft beschäftigen sich Forscher mit der Frage, welches Naturereignis diese riesige Überschwemmung ausgelöst haben könnte. Die biblische Erzählung von der Sintflut mag die bekannteste sein, sie ist aber nicht die einzige. Auch in anderen Kulturkreisen finden sich ähnliche Darstellungen.

Nach dem Gilgamesch-Epos baute Ziusudra ein Boot, mit dem er und seine Angehörigen nebst einer Anzahl ausgewählter Tiere die Flutkatastrophe überlebten. In der Urform dieses Mythoses waren einige Details – etwa die Vorwarnung Ziusudras und das Dankopfer für die Errettung – vorhanden, die später in der Bibel ähnlich überliefert sind. Im sumerischen Etana-Mythos fand die „große Flut“ unmittelbar vor dem ersten irdischen König Etana statt. Die Geschichte einer weltweiten Flut wird auch in der altisländischen Prosa Edda erzählt, und aus dem chinesischen Altertum der Zeit der Kaiser Yaous gibt es Sagen, dass sich „Fluten bis zum Himmel türmen“. Auch die australischen Aborigines und die amerkanischen Indianer kennen derartige Geschichten. Auch die Flutkatastrophe der jüngsten Zeit, der Tsunami vom 26. Dezember 2004 mit nahezu einer Viertel Million Toten, wird in die Geschichte der großen Fluten dieser Erde eingehen.

Sintflut hat nichts mit Sünde zu tun

Das deutsche Wort „Sintflut“ geht auf das althochdeutsche sinvlout zurück und bedeutet so viel wie „immerwährende Überschwemmung“. Die germanische Vorsilbe sin- bedeutet „immerwährend, andauernd, umfassend“. Im 15. Jahrhundert wurde der Begriff umgedeutet in „Sündflut“ – als Flut der Sünden, die durch das Wasser hinweggespült wird. Die sündigen Menschen haben das Paradies verspielt. Sie vermehrten sich, heißt es im Alten Testament, und die „Gottessöhne“, womit die Männer gemeint sind, nahmen sich unter den schönen Menschentöchtern so viele Frauen, wie sie wollten. Gemäß Genesis 7 und 8 sollte nur Noah und seine Familie der Sintflut entkommen. Durch seinen Gehorsam wird den Menschen Rettung und ein Neuanfang ermöglicht. Das ist der moralische Kern des Sintflut-Mythoses: Nur der fromme Mensch wird überleben. Die theologische Lehre daraus: Gottes Schöpfung kann der Mensch selber nie zu Fall bringen. Aus Gnade geht Gott einen Bund mit Noah und den Menschen ein, indem er gelobte, die Menschen nie wieder durch eine Flut zu bestrafen. Das Zeichen dieses Bundes war der Regenbogen.

Wodurch die Sintflut ausgelöst worden sein könnte

Lange Zeit wurde von Wissenschaftlern die Annahme vertreten, dass alle mesopotamischen Flutmythen, auf denen die biblische Sintflutsage fußt, auf die traumatische Erfahrung der lokalen Schwemmfluten von Euphrat und Tigris zurückgehen. Doch konnte diese Annahme aus archäologischer Sicht nicht bestätigt werden. Das Gleiche gilt für einen anderen Erklärungsversuch: der Sintflut im minoischen Zeitalter, die er auf den Ausbruch des Vulkans Thera auf der Insel Santorin und den nachfolgenden Tsunami zurückführt. Diese Eruption erfolgte im Zeitraum von 1625 bis 1530 vor Christus, während die Textfunde des babylonischen Epos von der Sintflut mindestens auf das 18. Jahrhundert vor Christus datieren.

Der in der biblischen Sintflutsage angeführten „überirdischen“ Ursache kommt am besten die Theorie von Meteoriten als Auslöser nahe. Im letzten Jahrhundert wurde in der saudischen Wüste der Meteorit namens Wabar entdeckt. Sein Einschlag mit der Sprengkraft der Hiroshima-Atombombe könnte große Flutwellen ausgelöst haben. Er wurde zunächst auf 4000 vor Christus datiert; nach neuesten Untersuchungen stammt er aber erst aus dem 15. bis 18. Jahrhundert nach Christus. Damit scheidet der Wabar-Meteorit als Auslöser der großen Flut aus. Mit der Auslösung der Sintflut wurden noch weitere Theorien aufgestellt, die letztendlich keinen Aufschluss brachten. Vielleicht war die biblische Sintflut ein Wetterphänomen, wie wir heute sagen würden. Ein gewaltiges in seinem Ausmaß, das die damaligen Menschen im Sinne ihres Zeitgeistes zu klären versuchten.