Menschen mit Depression rauchen häufig, Depressive Raucher, Raucher neigen zu Depressionen, dies sind nur einige Überschriften von Artikeln, die über Studien berichten, die den Zusammenhang zwischen Nikotin, Nikotinentzug und Depression belegen.
Volkskrankheit Depression
Von depressiv sein wird in der Umgangssprache häufig geredet, wenn sich jemand niedergeschlagen oder traurig fühlt. Wenn jedoch die entsprechenden Symptome diagnostiziert werden, wird die Depression den affektiven Störungen zugeordnet und als Krankheit betrachtet. Die Depression allein tritt als unipolare Störung auf, meist in Form von wiederkehrenden depressiven Störungen oder als ein Pol der bipolaren Störung, in der depressive und manische Zustände wechseln können. Dass die Zahl der an Depression erkrankten Personen inzwischen so hoch ist, dass in der Presse schon von einer Volkskrankheit gesprochen wird, liegt zum Teil darin begründet, dass die Depression erst seit einigen Jahren als Krankheit anerkannt und statistisch erfasst wird.
Die Ursache für das Auftreten dieser Krankheit liegt – neben umweltbedingten Einflüssen – offenbar in einer krankhaften Veränderung des Botenstoffhaushaltes. Die Botenstoffe (Neurotransmitter) Noradrenalin und Serotonin und die Empfindlichkeit und Dichte der Rezeptoren spielen hierbei eine wesentliche Rolle.
Die Wirkung des Nikotins
“Nikotin ist eine der am schnellsten süchtig machenden Substanzen.“ Diese Ansicht vertritt der Suchtexperte Lutz Schmidt. Nikotin ähnelt dem Botenstoff Acethylcholin und dockt an den Rezeptoren an, die die Ausschüttung von Neurotransmittern wie Dopamin, Serotonin und Noradrenalin anstoßen. Diese wiederum beeinflussen das dopaminerge Belohnungssystem sowie das Belohnungsareal der Großhirnrinde, wodurch angenehme Gefühle ausgelöst werden. Für den depressiv Erkrankten, bei dem gerade dieses Zusammenspiel gestört ist, ähnelt diese regulierende Wirkung der eines Antidepressivums. Das Wohlgefühl, das durch das Nikotin, verstärkt durch die orale Befriedigung beim Rauchen, sehr schnell eintritt, verdrängt nach und nach die Fähigkeit der Rezeptoren auf andere Reize ebenso positiv zu reagieren.
Depressive Raucher
Neuere Studien lassen den Schluss zu, dass sich unter depressiven Patienten überdurchschnittlich viele Raucher befinden. Deren Anteil an bipolar Erkrankten ist noch höher. Da die Wirkung des Nikotins von ihnen als antidepressiv erlebt wird, dient das Rauchen teilweise – möglicherweise auch unbewusst – der Selbstmedikation. Dementsprechend kann der Entzug die Symptome der Krankheit verstärken. Selbst Raucher, die vor dem Rauchstopp nicht depressiv waren, können in der Anfangsphase der Abstinenz depressiven Episoden ausgesetzt sein.
Wenn auch unterschiedliche Zahlen über die Rückfallquote depressiver Raucher im Umlauf sind, scheint doch erwiesen zu sein, dass sie wesentlich höher ist als bei nicht depressiven. Das kann zum einen daran liegen, dass ehemals depressive Raucher während des Entzugs erneut depressiv werden, zum anderen, dass Menschen mit einer Veranlagung zur Depression – unbewusst – an ihrer Abstinenzfähigkeit zweifeln.
Depressive Raucher können trotzdem den Ausstieg aus der Nikotinabhängigkeit schaffen, wenn sie sich darüber klar sind, dass sie dafür stärkere innere Widerstände überwinden müssen als andere Raucher, die nicht an einer psychischen Störung leiden, und diese Tatsache akzeptieren. Sie sollten beim Auftreten depressiver Episoden – eventuell auch schon früher – ärztliche Hilfe, in Form von Medikamenten, in Anspruch nehmen oder das Gespräch mit einem Psychotherapeuten suchen.
Es kommt vor, dass in Gruppen oder Foren, die den Rauchstopp zum Ziel haben, von einigen Mitgliedern die Krankheit Depression nicht ernst genommen, sondern mit depressiver Verstimmung gleichgesetzt wird, die nahezu jeder, der mit dem Rauchen Schluss macht, erlebt, und die nach einiger Zeit vergeht. Davon sollte sich niemand, der die Anzeichen der Depression bei sich verspürt, beeinflussen lassen und auf professionelle Hilfe verzichten.