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Die psychische Entwicklung nach Piaget

Das Individuum passt die Umwelt an sich an und sich an die Umwelt.

Jean Piaget (1896-1980) hat seine Forschungen auf die kognitive Entwicklung von Kindern gerichtet. Fast 50 Jahre hat er sich der kindlichen Denkentwicklung gewidmet. Diese Denkentwicklung meint vor allem die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten. Piaget beobachtete die Veränderung der Erkenntnisprozesse und des Wissens. Unter diese beiden Aspekte fallen die menschlichen Konzepte des Denkens, der Wahrnehmung, der Vorstellung und des Problemlösens. Piagets Untersuchungen bezogen sich auf die kognitiven Fähigkeiten und darauf, wie sich diese im Kindesalter entwickeln.

Die Anpassung als Grundlage der Entwicklung

Piaget hat erkannt, dass die kognitive Entwicklung vor allem von zwei Prozessen gesteuert wird: von der Assimilation und von der Akkommodation. Beide Prozesse beschreiben zwei verschiedene Formen der Anpassung, welche als Adaption bezeichnet wird. Bei der Anpassung geht es darum, dass sich ein Individuum bestimmten Begebenheiten anpassen kann, um bestmöglich mit diesen umgehen zu können. Die kognitiven Strukturen sind notwendige Voraussetzungen für die Anpassung und zugleich das Ergebnis der Adaption.

Assimilation und Akkommodation

Die Grundlage der Anpassungsfähigkeit sind Schemata beziehungsweise Begriffe, mit denen das Individuum die Umwelt erkennen und ordnen kann. Spezifische Schemata werden als kognitive Schemata bezeichnet, über diese verfügt bereits der Säugling. Die Fähigkeiten des Säuglings, zu saugen und zu greifen werden als Saugschema beziehungsweise als Greifschema bezeichnet. Diese beiden Schemata sind dem Bereich der Handlungsschemata zuzuordnen.

Bei der Assimilation geht es darum, dass die Informationen, die vom Individuum aufgenommen werden, so verändert werden, dass sie in bereits vorhandene Schemata eingeordnet werden können. Bei der Akkommodation werden nicht die Informationen verändert, sondern die vorhandenen Schemata den Informationen angepasst. Dieses Verfahren ist notwendig, um einen Widerspruch zwischen mehreren Schemata oder der Gesamtstruktur zu verhindern. Beide Anpassungsformen folgen dem Gleichgewichtsmodell, welches auch als Äquilibrationsprinzip bezeichnet wird.

Das Prinzip des Gleichgewichts

Das Äqilibrationsprinzip beschreibt die Richtung der geistigen Entwicklung. Es begrenzt zudem das Ausmaß der Strukturveränderung. Nach Piaget bedeutet Entwicklung einen kontinuierlichen Wechsel von Gleichgewichtszuständen und Zuständen des Ungleichgewichts. Ein Ungleichgewicht wird stets von einem Gleichgewicht abgelöst und damit auf ein höheres Niveau geführt. Entweder stehen einzelne Schemata im Ungleichgewicht beziehungsweise Gleichgewicht zueinander oder aber Schemata und Informationen sind ungleichmäßig beziehungsweise gleichmäßig.

Ein Beispiel einer geistigen Entwicklung

Die Prinzipien der Assimilation und der Akkommodation können am folgenden Beispiel veranschaulicht werden: der Übergang des Kindes vom Trinken an der Mutterbrust hin zum Trinken aus der Flasche und hin zum Trinken aus einer Tasse. Das Saugen ist ein Reflex des Kindes. Während sich das Kind an die Flasche gewöhnt, kann es noch immer viele Teile dieser Reaktionssequenz in unveränderter Weise benutzen. Das Kind assimiliert die Flasche an das Saugschema, welches sich durch das Saugen an der mütterlichen Brust entfalten konnte. Es muss jedoch zusätzlich noch lernen, die Flasche in einem bestimmten Winkel zu halten. Dies ist die Akkommodation. Der Schritt von der Flasche zur Tasse erfordert noch mehr Akkommodation, basiert aber immer noch auf der alten Fähigkeit, Flüssigkeit zu saugen und zu schlucken. Für Piaget ist die kognitive Entwicklung das Ergebnis eines ständigen Wechsels von Assimilation und Akkommodation.