Eltern wissen das sie ihr Kind zur Selbstständigkeit erziehen wollen. Doch welche Ziele sind es im einzelnen. Die professionelle Pädagogik gibt die Antworten.
Eltern wollen in der Regel ihre Kinder zur Selbstständigkeit erziehen. Die meisten machen sich keine genauen Gedanken über die Ziele, die sie dabei verfolgen. Selbstständigkeit ist ein großer Begriff und beinhaltet vieles. Wäsche bügeln können, Kochen können, Geld verdienen und Entscheidungen für die Zukunft treffen. Nur einige von vielen Fähigkeiten, die es zu entwickeln gilt. Doch im wesentlichen lassen sich all diese Fähigkeiten auf drei große Erziehungsziele beschränken, die eng miteinander verwoben sind: Bildung – Mündigkeit – Emanzipation.
Das Ziel Bildung
Bildung – Ein Begriff, der immer wieder durch die Medien geistert. Hierbei geht es darum, was in der Schule gelernt werden soll und was nicht. Es sollen die Voraussetzungen für die Zukunft im Beruf geschaffen werden.
Pädagogisch gesehen, ist diese Reduktion allerdings nicht haltbar. Bildung ist ein Begriff, der alles umfasst, was jemals gelernt worden ist. Wie eine Flasche geöffnet wird ist genauso Bildung, wie das kleine Einmaleins. Jeder Mensch hat Bildung, auch wenn er in theoretischen Dingen nicht bewandert ist.
Die Schule gibt in Deutschland vor, was Bildung ist. Erst in den letzten Jahren haben die Bildungseinrichtungen den pädagogischen Kern wiederentdeckt. Bildung ist hiernach abhängig vom Individuum und nicht allgemeingültig. Das heißt, wie sich ein Mensch bildet, bleibt deshalb ihm überlassen. Gerade im Jugendalter sehen viele Eltern mit Besorgnis, dass ihr Kind sich mehr für seine Hobbys interessiert, als für die schulischen Inhalte. Viele Erwachsene halten deshalb das Wissen für nutzlos. Es kommt aber auf den Standpunkt an, denn unnützes Wissen gibt es nicht und auch das Gelernte in Bezug auf das Hobby stellt Bildung dar.
Das Ziel Mündigkeit
Mündigkeit ist nichts weiter, als die Fähigkeit, sich bewusst für oder gegen eine Sache zu entscheiden. Dabei ist es egal, welche Sache gemeint ist. Seien es die Bundestagswahlen, seien es die Chipstüten, immerzu muss sich ein Mensch zwischen verschiedenen Dingen entscheiden. Mündigkeit ist genau diese Fähigkeit: Sich entscheiden zu können. Bei der Entscheidung gibt es kein Richtig oder Falsch. Entscheidung bleibt Entscheidung. Das Problem dabei ist die Begründung: Bei verschiedenen Chipssorten kommt es auf den Geschmack an. Bei der Bundestagswahl sind andere Dinge ausschlaggebend.
Das Ziel Emanzipation
Emanzipation hat pädagogisch gesehen nur bedingt etwas mit Mann und Frau zu tun. In diesem Kontext ist es ein Ausschnitt des Erziehungsziels. Emanzipation bedeutet im eigentlichen Sinn, die Aufhebung von Herrschaftsverhältnissen von Menschen über Menschen.
Mann und Frau ist ein Thema, das sicherlich dazugehört, aber nicht das Einzige. Wenn uns eine politische Entscheidung nicht gefällt, dann haben wir das Recht etwas dagegen zu tun. Wir können Demonstrieren, wir können Klagen. Ob es etwas ändert, ist dabei zweitrangig. Das Ziel besagt nur, dass die Herrschaftsverhältnisse unter Menschen aufgehoben werden sollen.
Die Zusammenhänge – ein komplexes Gebilde
Die drei Ziele sind eng miteinander verbunden. Sie stehen in einem Dreiecksverhältnis und das eine Ziel ist ohne das andere Ziel nicht erreichbar. Würde nur eines der Ziele fehlen, wären die anderen beiden kaum oder gar nicht zu realisieren.
Bildung ist die Voraussetzung für Mündigkeit und Emanzipation. Wenn ich über ein Thema nichts weiß, ist es schwer sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Und ohne die nötige Bildung sind viele Entscheidungen falsch und haben große Nachteile. Emanzipation setzt ebenfalls Bildung voraus. Wie sollten Herrschaftsverhältnisse aufgehoben werden, wenn der Gegenüber einen Bildungsvorsprung hat und die Fakten so hinbiegt, wie er sie braucht, damit der Andere tut, was er gesagt bekommt? Umgekehrt sind Mündigkeit und Emanzipation die Voraussetzung dafür, wie man sich bildet. Aufgrund von der vorhergegangenen Bildung entscheidet der Mensch darüber, was er lernt, wie er sich weiterbildet. Und will ich mich nicht beherrschen lassen, dann wähle ich aus emanzipatorischen Gründen meine Bildung aus.
Mündigkeit ist aber auch die Voraussetzung für Emanzipation. Wenn niemand in der Lage ist, sich bewusst für oder gegen eine Sache zu entscheiden, dann kann er auch nicht entscheiden, ob er jemandem folgt. Er würde nicht erkennen, ob die Anweisung richtig oder falsch ist und würde unter Umständen einen großen Fehler machen. Umgekehrt muss ich emanzipiert sein, um mündig zu sein oder zu werden. Niemand sollte sich vorschreiben lassen, was er zu lernen hat, denn ansonsten hat er unter Umständen eine einseitige Bildung, die einem anderen Menschen die Herrschaft ermöglicht.
Die Alltagskonsequenz
Stellt man Überlegungen zu diesen Umständen an, dann lassen sie sich auf alle Gegebenheiten des Alltags beziehen. Wie kaufe ich ein? Wie komme ich zu meiner Arbeitsstelle? Viele Fragen, die durch die drei Bildungsziele erklärt und gemeistert werden können.
Will ich meinen Jugendlichen zur Selbstständigkeit erziehen, dann muss ich auf diese Ziele hinarbeiten. Ich muss aber auch in kauf nehmen, dass das Kind nicht immer auf mich hört und nicht immer meiner Meinung ist. Und ab und zu muss ich damit rechnen, dass der Teenager macht, was er will – weil er es für richtig hält.