Im Herbst ziehen die Vögel mit Zwischenstopps gen Süden, die Laubblätter verfärben sich, und die Spinnen überziehen Wiesen und Gärten mit silbrigen Fäden.
Im Herbst bereitet ein Spaziergang in der Natur besonders viel Freude. Kraniche und andere Zugvögel machen sich auf den Weg in wärmere Gefilde. Dabei legen sie Zwischenstopps ein, um sich zu stärken. Die zuvor grünen Blätter der Bäume und Sträucher verfärben sich gelb und rot, und der Morgentau glitzert und funkelt in den vielen Netzen der Spinnen.
Vogelzug mit Zwischenstopps
Wer gern wandert, legt dann und wann eine Pause ein, um sich zu stärken. Genauso machen es viele Zugvögel auf ihrem beschwerlichen Weg in ihr Winterquartier. Seevögel profitieren vom reich gedeckten Tisch des Wattenmeeres, Kiebitze suchen auf abgeernteten Feldern nach Essbarem, und Rauchschwalben rasten auf ihrem Flug nach Afrika im Schilfgürtel größerer Teiche und Seen.
Auch die majestätischen Kraniche, die Vögel des Glücks, müssen auf ihrer kräftezehrenden Reise von Finnland und Schweden nach Südspanien oder Nordafrika „auftanken“. Viele von ihnen finden sich deshalb im Herbst auf einem der großen Kranichrastplätze Mitteleuropas im Nordosten Deutschlands ein. Bis zu 40.000 der prächtigen Großvögel versammeln sich im Nationalpark „Vorpommersche Boddenlandschaft“ und bieten dort Naturfreunden ein imposantes Naturschauspiel.
Den Tag verbringen die Kraniche auf abgeernteten Feldern in der Nähe von Groß Mohrdorf bei Stralsund. Sie stärken sich dort mit Mais, Gerste- und Haferkörnern, die bei der Ernte übriggeblieben sind. Am Abend heben sie dann wieder ab, um zu ihren Schlafplätzen im seichten Küstenwasser der Ostsee zu fliegen. Wer dies einmal erlebt hat, wird es nie wieder vergessen: Dicht über die Baumwipfel streichen Tausende der eleganten Vögel in kürzeren oder längeren Ketten hinweg. Deutlich sind das Rauschen der Flügel und die lauten Trompetentöne zu hören. Über den Flachwasserzonen der nahen Ostsee setzen die langbeinigen Flieger dann zur Landung an. Hier nächtigen sie im Wasser stehend – zum Ärger der Füchse, die sie dort nicht erwischen können.
Verfärbung der Blätter
Statt Grün bestimmen im Herbst gelbe, orangefarbene und rote Farbtöne das Aussehen von Gärten, Parks und Wäldern. Laubgehölze werfen im Herbst die Blätter ab, um sich vor winterlichem Wassermangel zu schützen. Sie verdunsten nämlich ständig einen großen Teil des durch die Wurzeln aufgesogenen Wassers über ihre Blätter. Wenn im Winter der Boden gefriert, können die Bäume und Sträucher aber kein Wasser mehr aufnehmen, sodass der Nachschub unterbrochen wird. Die Pflanzen würden langsam vertrocknen, wenn sie nicht die „ideale Idee“ gehabt hätten, einfach ihre Blätter abzuwerfen, um dadurch die Wasserabgabe wirksam zu stoppen.
Doch bevor die Blätter von den Bäumen und Sträuchern fallen, zeigen sie noch ihre schönsten Farben: Pappeln werden goldgelb, Ahornblätter leuchten in Gelb und Orange, und Roteichen fallen durch ihr Feuerrot auf. Die verschiedenen Farbtöne sind das Ergebnis einer Änderung des Mengenverhältnisses der Blattfarbstoffe. Im Frühling und Sommer überwiegt der grüne Blattfarbstoff, das Chlorophyll. Er überdeckt die anderen Pigmente. Um einen Verlust dieses für die Pflanze sehr wichtigen Farbstoffes zu minimieren, zieht sie ihn im Herbst vor dem Blattabwurf fast vollständig aus dem Blatt heraus und deponiert ihn bis zum nächsten Frühjahr, wenn er von der neuen Blattgeneration wieder benötigt wird, im Stamm oder in den Zweigen. Durch den Wegfall der grünen Pigmente können die anderen Farbstoffe voll zur Geltung kommen: Karotinoide (gelb, orange, rot), Xanthophylle (gelb) und Anthocyane (blau, violett).
Silbrig glänzende Netze der Spinnen
Wer im Herbst an einem sonnigen Morgen im Park spazieren geht oder aus dem Fenster in seinen Garten schaut, fühlt sich in eine märchenhafte Welt versetzt.: Auf Wiesen, im Blumenbeet oder in Sträuchern glitzern zarte, mit Tauperlen benetzte Spinnweben im frühen Sonnenlicht. Es sind die kunstvoll geflochtenen Radnetze der Kreuzspinnen und die horizontal angelegten Gespinste der Baldachinspinnen. Wenn man genau hinsieht, erkennt man auch in der Luft segelnde Spinnfäden – silbrig glänzend wie weißes Greisinnenhaar: Es ist Altweibersommer.
Zwischen Mitte September und Mitte Oktober gibt es oft die für diese Zeit typischen schönen, warmen Sonnentage. Junge Spinnen begeben sich dann auf ihren „Segeltörn“ hinein ins selbständige Erwachsenenleben. Sie klettern bis zur Spitze eines Grashalms, Zaunpfahls oder Busches, recken den Hinterleib in die Höhe und lassen einen zarten Spinnfaden aus den Spinndrüsen austreten. Ein leiser Windhauch genügt dann schon, und die reiselustigen Spinnen werden an ihren langen Flugfäden auf und davon getragen. Auf diese Weise können sie Entfernungen von mehr als 100 Kilometern zurücklegen. Bei günstigen Aufwinden erreichen manche der Jungspinnen dabei sogar Flughöhen von fast 4.000 Metern.
Was für die Jungspinnen ein nützliches und bequemes „Luftkissen“ ist, hatte für die Urahnen der Menschen eine geheimnisumwitterte Bedeutung: Die für den Altweibersommer so bezeichnenden Spinnfäden waren in der mythologischen Vorstellungswelt der Germanen die Schicksalsfäden, die von den Nornen, den Schicksalsgöttinnen, gesponnen wurden.