Die Kreter haben eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung. An der „Diät“ allein kann das nicht liegen. Gesundheit ist eben mehr als gesunde Ernährung.
Die Griechen, speziell die Kreter, essen relativ viel, nicht gerade fettlos – zwar Olivenöl, das aber reichlich – und gewöhnlich auch spät am Abend, sie trinken und rauchen im europäischen Vergleich überdurchschnittlich – und dennoch wird diese „Diät“ (Mittelmeer-Diät oder Kreta-Diät) als vorbildlich bezeichnet! Allerdings nicht ganz grundlos, denn die Kreter sind immerhin Europameister der Langlebigkeit. Nur – am Essen allein kann das nicht liegen. Wer sich auf die Insel Kreata einlässt, kann auch gleich beobachten, wie sich die Eingeborenen mit ihrer „Diät“ ernähren.
Die soziale Komponente der Kreta-Kiät
Ohne die medialen Lobeshymnen auf die Kreta-Diät wäre es gar nicht so leicht zu erkennen, dass diese Essgewohnheiten tatsächlich mit Gesundheit oder gar mit Diät zu tun haben. Allein das späte Essen halten viele für Gift. Doch die Statistik spricht eine eindeutige Sprache: die Kreter erfreuen sich der längsten Lebenserwartung in Europa.
Gegessen wird hier nicht nur spät, sondern auch ausgiebig und das ohne jeden Zeitdruck. Die Mahlzeit wird hier nicht eingenommen, sondern zelebriert – und zwar in der Gemeinschaft. Nicht nur in der Familie ist das gemeinsame Essen (eine als angenehm empfundene) Pflicht, auch als Ausländer ist man in einer griechischen Taverne sofort integriert. Soziale Integration scheint hier nicht das Problem zu sein wie in Wien oder Deutschland.
Nicht nur auf das Was, auch auf das Wie kommt es an
Eine Diskussion über die Ingredienzien gesunder Ernährung, wie Antioxidantien, ungesättigte und Omega-3-Fettsäuren, Polyphenole, Lycopin, Bioflavonoide, Vitamin C und ähnlich gesunde Dinge lässt den Kreter trotz hoher Außentemperaturen ohnehin kalt. Das auffallendste an dieser „Diät“ ist auch gar nicht die Zusammensetzung, sondern die Art, wie hier das Essen zelebriert wird. Das wahrlich exakte Gegenteil von Fast Food. Jede Mahlzeit ein Fest!
Die Lektion, die man daraus lernen kann: Es kommt nicht nur darauf an, was man isst, sondern auch, wie man isst. Da bietet sich ein Verweis auf die ursprüngliche – natürlich griechische – Bedeutung des viel strapazierten Wortes „Diät“, nämlich „Diätetik“. Dazu gehört weit mehr als bloß Ernährung, nämlich auch Psychisches, Soziales bis hin zum Spirituellen.
Das soll natürlich nicht heißen, Sie können essen, was Sie wollen, wenn Sie nur relaxen. Die mediterrane Kost ist einfach eine gesunde Art zu essen. Daran sollte man sich orientieren. Das Wort „Diät“ ist daher eigentlich völlig unangebracht. Ernährungsexperten haben jedenfalls diese Ernährungsform aus gesunden, mittelmeertypischen Lebensmitteln (Gemüse, Fisch, wenig Fleisch, Olivenöl, Knoblauch, Brot und Rotwein in Maßen) als gesunde Ernährung ausgezeichnet.
Ingredienzien der Mittelmeerdiät
Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs usw. sind zu einem großen Teil durch einen falschen Lebensstil bedingt, und dieser Anteil kann durch eine gesunde Ernährung ausgeglichen werden. Insbesondere die Pflanzenwirkstoffe Resveratrol, Olivenpolyphenole und Lycopin wirken sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System, den Fett- und Cholesterinstoffwechsel aus, und sind geeignet zur Vorbeugung von Krebs, entzündlichen Prozessen und zur Lebensverlängerung von Zellen.
Resveratrol ist wegen seiner positiven Wirkungen und nicht zuletzt wegen des „french paradoxon“ bekannt. Auch die Franzosen haben trotz hohem Konsum von gesättigten Fettsäuren und Nikotin eine wesentlich geringere Rate an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, was auf den regelmäßigen Genuss von Rotwein zurückzuführen ist, der Resveratrol und andere Polyphenole enthält. Ein Gläschen Rotwein pro Tag wird daher zur Gesundheitsvorbeugung empfohlen.
Olivenpolyphenole im (kaltgepressten, nicht raffinierten) Olivenöl haben vielfältige positive Einflüsse auf Herz, Gefäße und Stoffwechsel. Der Olivenbaum wird nicht umsonst seit der Antike als Lebensbaum bezeichnet. Olivenöl hat den höchsten Gehalt an einfach ungesättigten Fettsäuren. Diese vermindern das Gesamt- und LDL-Cholesterin und beeinflussen das HDL-(das „gute“)Cholesterin kaum.
Das reichhaltig in Tomaten enthaltene Lycopin ist ein Radikalfänger. Lycopin wirkt positiv auf Herz und Gefäße. Ein hoher Lycopinspiegel ist mit einem deutlich geringeren Risiko für Magen-, Speiseröhren-, Brust- und insbesondere für Darm-, Prostata- und Gebärmutterhalskrebs verbunden. Allerdings muss man dazu wirklich regelmäßig Tomaten essen, mit hin und wieder kann man sich nicht aus der Affäre ziehen.
Gesunder Lebensstil ist mehr als gesund essen
Das ist aber noch lange nicht alles! Um sich gesund zu ernähren und den heute so modernen Anti-Aging-Effekt (der kein Anti-, sondern ein Pro-Aging oder Successful Aging-Effekt ist), zu beanspruchen, ist die mediterrane Kost oder Kreta-„Diät“ nur eine Grundlage. Denn es geht nicht nur um die Nahrungsaufnahme, sondern um einen gesunden Lebensstil. Die Ernährung wird zum Teil überschätzt – so wichtig sie auch ist, das darf natürlich nicht vergessen werden – das zeigt das „french paradoxon“, das sich im „greek paradoxon“ vor allem der Kreter fortsetzt.
Ein etwas „ungesünderes“ Essen kann in einem insgesamt – alle Ebenen menschlichen Seins umfassenden – gesunden Lebensstil durchaus kompensiert werden. Dazu gehört nicht nur der Rotwein in Frankreich, sondern auch das Zelebrieren des Essens auf Kreta. Das wären nur zwei, allerdings wichtige Faktoren für einen gesunden Lebensstil.
Gesundheit umfasst alle Dimensionen menschlichen Seins
Ein anderes „Paradoxon“ ist die Tatsache, dass Japaner, die in die USA auswandern und sich dem amerikanischen Lebensstil anpassen, sich damit auch die weit höhere amerikanische Herzinfarktrate einhandeln. Diejenigen aber, die sich ihre traditionelle Kultur erhalten, behalten auch die gewohnt niedrige japanische Herzinfarktrate bei, und das trotz der angenommenen amerikanischen Ess- und Rauchgewohnheiten inklusive erhöhtem Cholesterinspiegel.
Der Mensch besteht eben aus Körper, Seele und Geist und ein gesunder Lebensstil muss alle Bereiche menschlichen Seins einbeziehen. Die Ernährung ist wichtig, aber Entspannung, Abstand gewinnen, Sozialkontakte (Verbundenheit mit anderen) und Spiritualität (Verbundenheit mit einer geistigen Dimension) mindestens ebenso. Dem kann im Wesentlichen auch Prof. Markus Metka, Präsident der Österreichischen Anti-Aging-Gesellschaft, zustimmen: „Die fünf Säulen des Anti-Aging sind: Ernährung, Bewegung, Umwelt, Hormone und vor allem aber auch die Spiritualität. Stichwort: Positive Stressbewältigung.“
Bekanntlich ist der Mensch nicht perfekt – auch das gehört zu seiner Menschlichkeit – aber er kann sich so manche (wenige) ungesunde Faktoren leisten, wenn er diese durch entsprechende Gesundheitsfaktoren in anderen Bereichen kompensieren kann.