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Die Entwicklung der Pflege und des Klosterwesens im Mittelalter

Christliche Leitmotive führten im Hoch- und Spätmittelalter zur Entstehung von Ordensgemeinschaften, die sich der Alten- und Krankenpflege widmeten.

Die Kirche nahm seit dem Frühen Mittelalter politisch und wirtschaftlich einen hohen Stellenwert ein. Viele Dignitäre waren adligen Ursprungs und brachten ihre Reichtümer in die Kirche ein. Die prunkvolle Ausstattung der Kirchen wurde zu einer Selbstdarstellung, die in Kontrast zur asketischen Lebensweise der Mönche stand. So entwickelte sich im Laufe des Hoch- und Spätmittelalters auch das Klosterwesen in unterschiedliche Richtungen. Die Pflege Armer und Kranker machte sich aber jede Ordensgemeinschaft zur Aufgabe.

Die Position der Kirche

Der Reichtum brachte der Kirche politische Vorteile. Sie war den weltlichen Herrschern finanziell überlegen und dadurch in der Lage, ihre Bistümer auszubauen. Unter diesem finanziellen und hierarchischen Aspekt wird deutlich, dass die Kirche die Entwicklung zur feudalen Standesgesellschaft begrüßt und unterstützt hat. Neben den Bürgern mit ererbtem feudalem Stand gab es ebenfalls Bürger, die die Weiterentwicklung des Handels und die Ausweitung des Städtebaus finanziell nutzten und so durch geschickten Handel mit Gütern zu Reichtum kamen. Der Wohlstand der einen Seite hatte zur Folge, dass auf der anderen Seite eine ausgeprägte Armut herrschte.

Die Entstehung weltlicher Orden

Die gesellschaftliche Struktur bewog viele Menschen, sich wieder auf christliche und asketische Ideale wie Keuschheit, Caritas (Nächstenliebe) und Besitzlosigkeit zu besinnen und danach zu leben.

Wanderprediger zogen durch die Städte und überzeugten Menschen unterschiedlicher Stände, darunter insbesondere Frauen, dass eine christliche Lebensführung und die Fürsorge für Arme und Kranke zum “Seelenheil im Jenseits” führe. Damit wurden die weltlichen Orden zu Pflegegemeinschaften, die zwar unter dem Schutz der Kirche standen, aber nicht an sie gebunden war.

  • Franziskaner

Einer der bedeutendsten Bettelorden neben den Augustinern, Karmelitern und Dominikanern ist der Franziskanerorden (auch: Orden der Minderen Brüder). Franz von Assisi (1182-1226) lebte in Italien nach dem Vorbild Jesu Christi, pflegte Arme und Kranke und erbettelte sich seinen Unterhalt – daher die Bezeichnung „Bettelorden“. Im Jahr 1215 wurde die Gemeinschaft um Franz von Assisi als Orden anerkannt.

In Marburg nahm die ungarische Königstochter Elisabeth von Thüringen (1207-1231) mit viel Mut und Engagement Assisis Lebensführung auf. 1228 legte sie für den Franziskanerorden das Gelübde ab und widmete sich fortan der Pflege und Fürsorge kranker und notleidender Menschen.

  • Beginen

Am Ende des 12. Jahrhunderts entstand die Beginen-Bewegung in Belgien, Holland und Deutschland. Die Initiative ging vermutlich von einem belgischen Priester aus, Lambertus Begué oder Lambert li Béguin. Aus Unzufriedenheit der Kirche gegenüber gruppierten sich zunächst Frauen, um den christlichen Idealen der Keuschheit, Armut und Nächstenliebe zu folgen.

Die Beginen, später auch die männlichen Begarden, lebten in ordensähnlichen Gemeinschaften. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt mit handwerklichen Tätigkeiten wie zum Beispiel der Weberei. Kranke und gebrechliche Mitglieder wurden genauso gepflegt und versorgt wie Arme und Kranke in der Umgebung. Ab dem 14. und 15 Jahrhundert wurden die Beginenhöfe zunehmend um Spitäler herum errichtet, in denen sich die Beginen an der Pflege beteiligten.

Die Entwicklung geistlicher Orden

Die von den Mönchen und Nonnen neben pflegerischen Tätigkeiten ausgeübte Heilkunde wurde durch das Edikt von Clermont von 1130 und durch spätere Beschlüsse mit Hinweis auf die geistliche Bestimmung der Ordensgemeinschaften untersagt. Die klösterlichen Gemeinschaften widmeten sich daraufhin vermehrt der Pflege und fürsorglichen Aufgaben.

In dieser Zeit traten auch sehr viele Frauen den Ordensgemeinschaften bei. Ursache für diesen Zulauf war nicht nur der Reiz, caritativ tätig zu sein, sondern der minderwertige Stand der Frau innerhalb der Feudalgesellschaft, verbunden mit dem Wunsch der Frauen nach einer sinnvollen Tätigkeit im Gegensatz zur reinen Hausarbeit.

  • Hildegard von Bingen

Bis zu ihrem Tod war die Benediktiner-Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) eine Verfechterin der an Bedeutung und Gültigkeit verlierenden klösterlichen Medizin. Die Verfasserin vieler schriftlicher Werke, darunter zahlreiche Gedichte und Kompositionen, widmete sich der auf Hippokrates beruhenden diätetischen Pflege und Lebensführung.

In ihren zwei Hauptwerken, der Physica und Causae et curae, schrieb sie ihre heilkundlichen Erfahrungen und ihr Wissen über Krankheitslehre und natürliche Arzneimittel nieder. Hildegard von Bingen geht auf die eigentliche Krankenpflege, so wie wir sie heute kennen, nicht ein. Grund dafür ist ihre ganzheitliche Sichtweise der Klostermedizin: der pflegerische Aspekt ist hier eingebunden in eine christlich-caritative Weltanschauung und ergibt sich aus der fürsorgenden, heilkundlichen Tätigkeit am Menschen.

Die Entstehung von Ritterorden

Zur Zeit der Kreuzzüge entstanden Ritterorden, die sich überwiegend der Pflege eigener Gesinnungsgenossen, insbesondere der verletzten Kreuzritter, widmeten. Zwar gab es seit geraumer Zeit Hospitäler (Xenodochien), die aber überwiegend auf die pensionsähnliche Versorgung Reisender ausgerichtet waren. Die kriegerischen Auseinandersetzungen verursachten jedoch einen erhöhten pflegerischen und medizinischen Aufwand in diesen Einrichtungen.

Die Krankenversorgung durch die Ordensbrüder der Ritterorden wurde sukzessive ausgebaut und genoss ein hohes Ansehen, weil dadurch Kreuzzüge derartigen Ausmaßes erst möglich waren.

Neben dem Templerorden, der 1312 aufgelöst wurde, entstanden zwei der bis heute bedeutsamen Orden:

  • Johanniterorden und Malteserorden

Der Orden vom Spital des Heiligen Johannes ging aus einem um 1048 errichten Pilgerhospital hervor. Unter Gerhard Sasso (1040-1120) entstand 1099 die Spitalbruderschaft des Heiligen Johannes. Die päpstliche Anerkennung des Johanniterordens erfolgte 1113.

In den folgenden Jahren breiteten sich die Johanniter über einen Großteil Europas, dem Heiligen Römischen Reich aus. Seit Anfang des 14. Jahrhunderts übernahmen die Johanniter auch die Herrschaft über die Insel Rhodos, die zum Stammsitz des Ordens wurde.

Nach zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Osmanen und aus finanziellen Gründen musste der Johanniterorden zu Beginn des 16. Jahrhunderts seinen Sitz auf Rhodos aufgeben. Ein Teil des Ordens zog sich nach Europa zurück, ein anderer Teil fand Zuflucht auf der Insel Malta. Darüber entstand der Malteserorden. Heutige Einrichtungen des Johanniter- und Malteserordens sind unter anderem die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. und der Malteser-Hilfsdienst e.V..