Weißes Pulver mit gesundheitlichen Risiken. Die Substanz Kokain wurde zunächst als medizinisches Wundermittel hoch gelobt, bald aber auch als Droge mit hohem Risiko erkannt
Während die Coca-Pflanze von den Indios in Südamerika schon seit Jahrtausenden wegen ihrer angenehm anregenden Wirkungen und ihrer äußerst nahrhaften Zusammensetzung verwendet wurde (bislang älteste Hinweise deuten auf ca. 3000 v. u. Z.), beginnt die Geschichte des Kokainkonsums in der westlichen Welt erst mit der Isolierung des Hauptalkaloids der Coca-Pflanze durch Albert Niemann im Jahr 1860 in Göttingen.
Hochgelobtes Arzneimittel
Die Wirkungen des Kokains wurden zunächst von allerlei bekannten Persönlichkeiten, insbesondere aus der medizinischen Fachwelt als Heilmittel und Stimulans hoch gelobt und gepriesen. In diesem Zusammenhang begann sich auch Sigmund Freud erstmals einen Namen zu machen, mit der Veröffentlichung seiner umfassenden Publikation „Über Coca“ (1884), in welcher er die vielfachen therapeutischen und psychiatrischen Anwendungsmöglichkeiten von Kokain lobt. Sein Freund und Kollege Carl Koller entdeckte die Nutzbarkeit des Kokains als örtliches Betäubungsmittel und ermöglichte so dessen „beispiellosen Siegeszug durch die gesamte Heilkunde“ – und zwar als Lokalanaesthetikum allgemein, bei Wehenschmerzen, bei Keuchhusten, Syphilis, Schnupfen, Heiserkeit, Asthma, Zahnextraktionen, bei Kindern (!) zur Behebung von Magen- und Darmkrankheiten, Erschöpfungszuständen aller Art, bei nervösen Beschwerden, Menstruationsschmerzen, Seekrankheit, Schwangerschaftserbrechen und immer wieder zur Behandlung der Morphin- und Alkoholsucht. (Scheerer, Sebastian / Vogt, Irmgard (Hg.): Drogenpolitik – Ein Handbuch, Frankfurt am Main: Campus 1989)
Kommerzielle Nutzung und Abhängigkeitspotential
Zu dieser Zeit begann auch die kommerzielle Nutzung von Kokain: Eine breite Palette kokainhaltiger Produkte, von Tonika und Softdrinks über Nasensprays, Zäpfchen und Pastillen bis hin zu Wein und Zigaretten eroberte nun den Markt. Der Import von Cocablättern in den Hamburger Hafen erhöhte sich zwischen 1883 und 1886 von 5000 kg auf 86600 kg. Diese erste Blütezeit dauerte jedoch nur kurz. Nachdem 1885/86 erstmals Warnungen vor Kokainismus (Kokainabhängigkeit) bekannt wurden, verschwand Kokain recht schnell wieder aus der Öffentlichkeit. Erst nach dem ersten Weltkrieg tauchte es als Modedroge der zwanziger Jahre vor allem in den Kreisen der Bohême, aber auch in der Halb- und Unterwelt, sowie in höheren Gesellschaftsschichten wieder auf. Die Umbewertung des Kokains zu einer besonders gefährlichen Droge begann mit der Einführung der Opiumgesetzgebung und damit, dass sich vor allem Ärzte als „Moralunternehmer“ hervortaten und den Kokainkonsum und somit die Konsumenten öffentlich attackierten und entsprechende polizeiliche und juristische Maßnahmen erwirkten.
Die Verwendung als illegale Droge
Das aus der südamerikanischen Coca-Pflanze gewonnene Alkaloid Kokain taucht in unseren Breiten heute in drei Formen auf dem illegalen Markt auf: als Kokainhydrochlorid (durchscheinendes, kristallines Pulver), als free-base und als Crack (von Hydrochlorid und Verschnittmitteln gereinigte, hochaktive Formen). Kokain wird zumeist geschnupft oder intravenös injiziert, free-base und Crack dagegen vor allem geraucht.
In Deutschland tauchte Kokain erst in den 1970er Jahren wieder auf und wurde in den 80er und 90er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zunächst zu einer (geschnupften) Modedroge in der sogenannten Yuppie-Szene und später – bedingt durch fallende Preise auf dem Schwarzmarkt – dann mit steigender Tendenz in der Heroinszene, wo es vor allem intravenös oder mit Ammoniak zu free-base aufgekocht und geraucht wird.
Wirkungen und Nebenwirkungen
Kokain wird vor allem wegen seiner euphorisierenden, leistungssteigernden und geselligkeitsfördernden, aber auch wegen aphrodisierender Effekte verwendet. In der Medizin wird es auch heute noch als Lokalanästhetikum eingesetzt; es ist das älteste und einzige natürlich vorkommende örtliche Betäubungsmittel der Medizingeschichte und diente als Vorbild für die inzwischen zahlreich entwickelten synthetischen örtlichen Betäubungsmittel.
An unerwünschten Nebenwirkungen können bei Überdosierung Erbrechen und Übelkeit, Kopfschmerzen, Fieber, Koordinationsstörungen, Tremor und schwere Krämpfe bis hin zu epileptischen Anfällen und Ohnmacht auftreten. Auch von Atemstillstand, Herzstillstand, zerebralen Krämpfen oder gar Hirnblutungen als Folge eines übermäßig hohen Blutdrucks wird berichtet. Die Wirkungen einer Kokaindosis halten nur kurz an (zwischen wenigen Minuten beim Rauchen und Spritzen bis zu 20 – 90 Minuten beim Schnupfen).
Die körperlichen Folgen chronischen Gebrauchs variieren je nach Implikationsform von Lungenschädigungen beim Rauchen bis zu chronischen Entzündungen der Nasenschleimhäute und sogar Geschwürbildungen und Perforationen der Nasenscheidewand beim Schnupfen. Unabhängig von der Aufnahmeform wurden Appetitverlust, Abmagerung, allgemeine Erschöpfungszustände, Schlaflosigkeit und Impotenz beobachtet. Psychische Folgen eines hochdosierten Dauergebrauchs von Kokain reichen von leichten depressiven Verstimmungen über akute Angstzustände zu paranoiden und halluzinatorischen Zuständen bis hin zu sogenannten „Kokainpsychosen“. Überdosierungen können tödlich sein. (ebd. 354 –359)