Der Siegeszug einer Nutz- und Genusspflanze. Über Geschichte, Verwendung und Wirkungen einer verbotenen Pflanze
Cannabis sativa ist der lateinische Name der Hanfpflanze. Die getrockneten und geschnittenen Blüten und Blätter werden „Marihuana“ oder „Gras“ genannt, das Harz der Pflanze wird in gepresster Form als „Haschisch“ bezeichnet. Cannabis kann entweder mit Zigarettentabak vermischt und geraucht werden („Joint“) oder in vielfältigster Form gegessen (z. B. als „Space-Cakes“) oder als Tee aufgebrüht und getrunken werden. Als hauptsächlich wirksame Substanz der Pflanze gilt das THC (genauer: Delta-9-Tetrahydrocannabinol), das in unterschiedlichen Mengen in Marihuana und Haschisch vorkommt.
Lange und turbulente Geschichte
Die Geschichte des Hanfes als Droge reicht ähnlich der des Alkohols schon in Urzeiten zurück. Cannabis ist somit nicht nur eine der gebräuchlichsten sondern auch eine der ältesten bekannten Drogen der Menschheit. Hinweise auf den Gebrauch der (zunächst gleichsam als Nebenprodukt der Hanfproduktion für die Herstellung von Seilen anfallenden) Pflanzenteile als Medizin finden sich schon vor knapp 5000 Jahren im Arzneimittelbuch des chinesischen Kaisers Shen-Nung. Erste Hinweise auf eine Verwendung als Droge tauchen bei den Skythen (asiatisches Reitervolk) und Thrakern auf (ca. 800 bis 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung) und ziehen sich quer durch Geschichte und Erdteile (belegt bspw. in Nepal, Marokko, Afrika, Haiti, Iran z. Zt. der Assassinen, medizinisch und kultisch in Indien, bei den Rastafari in Jamaica, zu religiösen Zwecken in Süd- und Mittelamerika, als Genussdroge in West- und Mitteleuropa etc.).
Nicht kulturfremd, aber dennoch verfolgt
Bei dem noch als Redensart erhaltenen „starken Tobak“ handelte es sich offenbar ebenfalls um eine Mischung aus Tabak und Cannabis, was zeigt, dass die Droge im deutschsprachigen Kulturraum schon seit langem verwendet wurde und somit ihre Etikettierung als „kulturfremde Droge“ – auch in Anbetracht der heutigen Verbreitung – nicht haltbar ist.
Die Verfolgungsgeschichte der Cannabisdroge beginnt in unseren Breiten im Jahr 1912 in Den Haag. In den USA entstand während der dreißiger Jahre ebenfalls im Rahmen der „Mäßigkeitsbewegungen“ aufgrund herausgegriffener Einzelfälle eine Hetzkampagne gegen Cannabis, wobei die Droge als besonders aggressiv und mörderisch charakterisiert wurde („Reefer madness“). Inzwischen ist aber erwiesen, dass diese Behauptung einer statistischen Überprüfung nicht standzuhalten vermag. Ähnlicher Verfolgung waren Hanfkonsumenten in den USA während der McCarthy-Ära ausgesetzt. Der Trend der Verteufelung des Hanfes wurde 1961 in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation im Rahmen des „Single Conventions Treaty“ festgeschrieben. Demnach sollten alle Hanfpflanzen der Welt ausgerottet werden.
Boom trotz Verbot
Die Aufbruchsstimmung der Jugendlichen der 1960er Jahre des vergangenen Jahrhunderts haben jedoch trotz Illegalisierung und Kriminalisierung zu einem erneuten Boom der Droge geführt, der bis heute anhält. Die Legalisierungsdiskussion in Europa trägt neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen über die vergleichsweise Harmlosigkeit der Droge und ihre medizinisch-therapeutischen Einsatzmöglichkeiten Rechnung. Aus der gesellschaftlichen Realität Europas ist Cannabis trotz Kriminalisierung und Verfolgung ohnehin nicht mehr wegzudenken.
Vergleichsweise harmlos, aber nicht unschädlich
Auch wenn die Folgen eines Dauerkonsums von Cannabis im Vergleich zu denen des Alkohols als relativ harmlos eingestuft werden können, sollten körperliche und psychische Wirkungen dennoch nicht unterschätzt werden. An körperlichen Nebenwirkungen sind, wie bei allen anderen Drogen auch, Stoffwechselveränderungen feststellbar (Neurotransmitter, Limbisches System). Weiterhin erhöhen sich beim Cannabisrausch Pulsschlag und Herzfrequenz, was für herz- und kreislaufkranke Menschen riskant werden kann. Aufgrund des hohen Teergehalts (deutlich höher als Tabak) kann die Lunge beeinträchtigt werden.
Die psychischen Wirkungen beschränken sich größtenteils auf die Dauer des Rausches an sich (ca. 2 – 4 Stunden), in denen Raum- und Zeitgefühl verloren geht, alle Sinneseindrücke intensiver und vielfältiger werden, die Gedanken unkoordiniert verlaufen und deren Richtung oft nicht mehr gesteuert werden kann. Häufig kommt es während des Rausches zu Heißhungerattacken und zu einem gesteigerten Durstgefühl. Bei entsprechend disponierten Menschen können Psychosen ausgelöst werden.
Andere in der Literatur erwähnte Auswirkungen konnten bislang wissenschaftlich nicht bestätigt werden – einen mäßigen Konsum vorausgesetzt. Hierzu zählen das sogenannte „Amotivationale Syndrom (AMS)“, das nur bei exzessivem Missbrauch und bestehendem Suchtverhalten auftritt (zur Leistungsfähigkeit von regelmäßigen Cannabis-Konsumenten siehe bspw. Behr, Hans-Georg: „Von Hanf ist die Rede“, Frankfurt: Zweitausendeins 1995), wie das Gerücht des Flashback, das gerade im Zusammenhang mit dem Führerscheinentzug von Cannabiskonsumenten in Deutschland oft angeführt wird. Hanfkonsum macht weder aggressiv noch körperlich abhängig; Todesfälle durch eine Überdosierung sind ebenfalls nicht bekannt. Eine eigens von der WHO angefertigte Studie belegt die relative Harmlosigkeit des Cannabiskonsums im Vergleich zu Alkohol oder Nikotin; die Publikation der Ergebnisse wurde jedoch aus politischen Gründen zunächst blockiert; sie sickerten dennoch durch und wurden im englischen Wissenschaftsmagazin NEW SCIENTIST Nr. 2122 vom 21.02.1998 veröffentlicht (siehe da 3 f., 24 – 31).