Jugendsprache: kreativ, lebendig und mit eigenen Gesetzen. Aus ihrem aktuellen Lebensgefühl heraus kreieren Jugendliche neue Wortschöpfungen und Redewendungen. So grenzen sie sich ab von den Alten und (er)finden ihre eigene Welt.
Jugendsprache: Zeitspiegel einer neuen Generation
Jede Generation hat ihre eigene Sprache. Fragte man in grauer Vorzeit „Was machst’n?“, so heißt es heute „Was geht?“. Man hängt nicht mehr ab, sondern man chillt. Auf die Frage „Alles klar?“ antwortet ein Jugendlicher nicht mehr mit einem simplen „Ja“, sondern mit einem simplen „Muss“ oder „Ja, bei dir?“ Eine Freundin ist eine Perle oder eine Ische. Und wenn etwas besonders gut gelaufen ist oder jemand sehr großzügig oder, altmodisch gesagt, anständig war, lautet der Kommentar: „Korrekt.“
Jugendsprache ist frisch, lebendig und kreativ. Sie spiegelt die aktuelle Lebenswelt und das Lebensgefühl der neuen Generation. Sie wird von Generation zu Generation neu kreiert – spontan, individuell und oft sehr aufschlussreich für die Elterngeneration. Zeigt sie doch, dass da eine neue Generation heranwächst, allmählich erwachsen wird und eine eigene Welt mit eigenen Werten und Gesetzen schafft. Als Eltern, als Erwachsener fühlt man sich da ganz schön out und ganz schön alt.
Und genau das ist auch beabsichtigt: Die Wortschöpfungen der Jugend sollen Erwachsene ausschließen.
Jugendsprache: Ausdruck für ein eigenständiges Leben(sgefühl)
Fragt man Jugendliche, warum sie sich so merkwürdig ausdrücken, diese für Erwachsenen manchmal so unverständlichen Wortschöpfungen erfinden und benutzen, erhält man z. B. folgende Antworten:
- Wir wollen nicht so sprechen wie Erwachsene.
- Die verstehen das dann nicht.
- Das schockiert die.
- Man ist dann wer (Besonderes).
- Man fällt auf.
- Es macht Spaß, neue Ausdrücke zu erfinden.
- Man wird dann von den Kleinen bewundert.
Der besonderen Sprache der Jugend liegt also ein Code zugrunde, sie ist verschlüsselt und wird nur von Eingeweihten verstanden.
Die Jugendlichen grenzen sich u. a. auf diese Weise von den Erwachsenen ab, demonstrieren Identifikation und Zugehörigkeit zu der eigenen Gruppe von Gleichaltrigen und Gleichgesinnten.
Einen Code kann man grundsätzlich auch entschlüsseln, sich die Sprache aneignen bzw. lernen. Aber wehe dem Erwachsenen, der glaubt, sich mit diesem Lern- und Anwendungsprozess die Zuneigung Jugendlicher zu erschleichen oder sich Jugendlichkeit zurückerobern zu können. Jugendliche empfinden dieses Verhalten eher als Anbiederung.
Und schlimmer: Erwachsene nehmen ihnen so die Möglichkeit, einen wesentlichen, eigenen Entwicklungsschritt zu tun. Denn die Jugendsprache hat eine wichtige Funktion.
Jugendsprache: Geheimcode für neue Werte
Sie beinhaltet Kritik an Erwachsenen, nach dem Motto: Die Alten sind out, es lebe die junge Generation! Das Eigene wird betont – die eigene Kultur, die eigene Meinung, die eigenen Werte und die Eigenständigkeit.
Mehr oder weniger deutlich kratzen Jugendliche an der Autorität der Erwachsenen: Sie genießen nun ihr eigenes Prestige oder besitzen einen besonderen Status.
Und sie zeigen sich mit Hilfe ihrer besonderen Sprache widersetzlich, im wahrsten Sinne des Wortes: alte, verstaubte Regeln und Gesetze werden außer Kraft gesetzt. Jugendliche befreien sich von Abhängigkeit und Fremdbestimmung – und machen ihre eigenen Gesetze.
Jugendsprache ist ein uneinheitlicher, spontan-individueller Code, aber eben auch ein Geheimcode. Ein Code, der sehr kritisch, anschaulich, manchmal zynisch, manchmal liebevoll die Dinge beim Namen nennt.
Geheim deshalb, weil er Erwachsene ausschließen soll, um im geschützten Rahmen von Gleichgesinnten bzw. Eingeweihten eine eigene Lebensansicht zu entwickeln, zu finden – und zu äußern.