Hoffnungslosigkeit, Überforderung, Depression, kurz: ein Zustand der totalen Erschöpfung. So beschreiben Betroffene das Burnout-Syndrom.
Wenn Simone Kaltental* an die Zeit vor einem Jahr zurückdenkt, legt sich ein Schatten über ihre Augen. Wie ein Stromschlag durchfuhr es die 55-Jährige regelmäßig um vier Uhr morgens, zwei Stunden bevor der Wecker klingeln sollte. Herzrasen, kreiselnde Gedanken: An Schlaf war nicht mehr zu denken. Monatelang begann die Chefin eines mittelständischen Unternehmens im Allgäu ihren Arbeitstag mit dem Gefühl, nichts mehr im Griff zu haben. Die 60-Stunden-Woche – früher eine willkommene Herausforderung – war für die Unternehmerin langsam aber sicher zur Last geworden. Eine quälende körperliche und seelische Erschöpfung nagte am letzten Rest ihrer Motivation. Die Diagnose: Burnout.
Was ist Burnout?
Wurden als Burnout-Syndrom früher die Folgen von schlechten Bedingungen bezeichnet, unter denen viele Leute arbeiten müssen, gehen Experten heute davon aus, dass es sich beim Ausbrennen um einen Zustand genereller psychischer und mentaler Erschöpfung handelt, der seine Ursachen sowohl im beruflichen als auch im persönlichen Umfeld hat. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zusammen mit dem Schweizer Institut „Sciencetransfer“ hat herausgefunden, dass 70 Prozent der Manager unter dauernder psychischer und physischer Erschöpfung leiden. Dieser Prozess stellt sich schleichend ein, da die Betroffenen erste Anzeichen meist übersehen oder nicht ernst nehmen. So lässt zuerst die Konzentration nach oder die Müdigkeit will auch tagsüber nicht mehr weichen. Das führt zu einer stark eingeschränkten Leistungsfähigkeit und irgendwann reicht der Urlaub dann nicht mehr zur Erholung und Regeneration aus. Als Folge werden soziale Kontakte und Hobbys vernachlässigt. „Dafür fehlte einfach die Kraft“, sagt Simone Kaltental. „Nach außen war ich müde und abgeschlagen, innerlich aber nervös und ständig unter Spannung.“ Nicht selten drückt sich die Überforderung auch durch körperliche Krankheitszeichen aus. Diese psychosomatischen Symptome treten am häufigsten in Form von Magen/Darm-Problemen, Kopf- oder Rückenschmerzen auf. Auch hier glauben Betroffene erst nicht an einen größeren Zusammenhang mit ihrer gesamten Lebenssituation.
Was kann zum Burnout führen?
Eine abschließende Liste der Ursachen des Burnout gibt es nicht. Einig sind sich Experten jedoch darüber, dass zahlreiche Faktoren zusammenspielen, die meist im individuellen Umfeld des Betroffenen liegen. Ärzte sehen als persönliche Risikofaktoren zum Beispiel die Unfähigkeit, sich abzugrenzen, zu hohe Erwartungen an sich selbst und andere oder Beziehungskonflikte. All diese Aspekte wirken sich besonders gravierend in helfenden Berufen aus. Unter den externen Faktoren spielt am häufigsten eine hohe Arbeitsbelastung, verbunden mit schlechten Arbeitsbedingungen die wichtigste Rolle. Das können beispielsweise ein schlechtes Betriebsklima, unklare Hierarchien und Ziele, andauernder Termin- und Zeitdruck oder auch Mobbing sein.
Wer lange unter solchen Bedingungen arbeiten muss, verliert langsam das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit, langjährig erworbene Kenntnisse und Erfahrungen. Die Folge: Minderwertigkeitsgefühle und Unsicherheit machen sich breit, was zu Hoffnungslosigkeit bis hin zu depressiven Verstimmungen führen kann.
Wege aus der Krise
Die meisten Betroffenen schleppen sich durch jahrelangen Arbeits- und Freizeitstress, bevor sie überhaupt merken, dass sie Hilfe benötigen und sie dann auch suchen. Ist diese schambesetzte Hürde überwunden, helfen Therapeuten oder Coaches dabei, die Situation, die zum Burnout geführt hat, zu analysieren – und zu ändern. Eine andere Möglichkeit ist eine Auszeit in einer speziellen Burnout-Klinik. Mit dem räumlichen Abstand fällt es vielen Patienten leichter, auf ihr bisheriges Leben zu schauen und die notwendigen Änderungen in Angriff zu nehmen.
Diesen Weg hat auch Simone Kaltental gewählt. Ein mehrwöchiger Klinikaufenthalt hat ihr dafür die Augen geöffnet, wie sie ihr Leben ändern will und ihr viele nützliche Werkzeuge an die Hand gegeben, um künftig frühzeitig die Reißleine ziehen zu können und einen erneuten Burnout zu verhindern. Heute finden die Mitarbeiter an der Bürotür ihrer Chefin regelmäßig ein Bitte-nicht-stören-Schild, wenn sich die Unternehmerin für eine Stunde zurückzieht, um zu meditieren. „Ich habe mein inneres Feuer wieder gefunden und werde alles dafür tun, dass es mich nicht noch einmal verbrennt“, betont die 55-Jährige mit strahlenden Augen.