Kreisläufe sind uns geläufig: ob Blut, Wasser, Jahreszeiten oder Pfandflaschen – alles zirkuliert in stets wiederkehrenden Bahnen. Kaum bekannt, da der direkten Wahrnehmung verborgen, ist jedoch, dass selbst der feste Grund, auf dem wir stehen und auf dem wir unsere Dörfer und Städte bauen, in einem ungeheuren Recyclingprozess umgewälzt wird.
4,5 Milliarden Jahre Erdgeschichte
Um dies zu verstehen, müssen wir den Faktor Zeit mit anderen als den uns vertrauten Maßstäben betrachten. Das „Leben“ unserer Erde begann vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Ein Menschenleben ist nach erdgeschichtlichem Maßstab aber nur ein kaum messbarer Augenblick. Würde man die Erdgeschichte auf ein Jahr verkürzen, begänne die Menschheitsgeschichte nur wenige Minuten vor Mitternacht des 31. Dezember. Erdgeschichtliche Prozesse wie die Erosion und die Gesteinsneubildung laufen hingegen so quälend langsam ab, dass sie selbst im Lauf eines Menschenlebens kaum wahrgenommen werden können.
Die Geburt der Ur-Erde
Unser Planetensystem ist vor 4,6 Milliarden Jahren aus einer interstellaren Materiewolke entstanden. Ihre Schwerkraft zog diese Wolke aus Gas, Staub und Gesteinsbrocken zu klumpigen Vorformen der Planeten zusammen. Auch die Proto-Erde entstand durch das Verschmelzen mehrerer solcher „Embryos“, wobei verschmelzen durchaus wörtlich zu verstehen ist. Denn durch die enorme Reibungswärme verflüssigte sich das Material zu einem glühenden Gesteinsbrei. Während des hunderte Millionen Jahre währenden Abkühlungsprozesses im vorgeologischen Zeitalter entmischten sich die Bestandteile der Schmelze: Die schweren Elemente wie Eisen und Nickel sanken in die Tiefe und bildeten den metallischen Erdkern. Auf der glutflüssigen Oberfläche erstarrten die ersten Bruchstücke der mineralischen Erdkruste. Das geologische Zeitalter begann.
Mit dem Präkambrium beginnt die geologische Ära
Noch während des vorgeologischen Zeitalters veränderte sich die stoffliche Zusammensetzung der Erde durch die Einschläge von unzähligen Meteoriten ständig. Ein Teil des irdischen Wassers gelangte in Form von Kometeneinschlägen auf die Erde. Mit dem vor 4 Milliarden Jahren einsetzenden Erdzeitalter Präkambrium kühlte sich die Erdoberfläche so weit ab, daß sich größere Krustenteile bilden konnten (man findet sie heute noch in Kanada ). In einem hundert Millionen Jahre andauernden Prozess kristallisierten sich die Kerne der späteren Kontinente heraus. Wie Eisberge im Wasser trieben sie auf der glutflüssigen Erdoberfläche. Ihre Ausdehnung entsprach jedoch nur rund einem Drittel der heutigen Festlandsmasse.
Das Wetter setzt den Kreislauf der Gesteine in Gang
Aus der Gesteinsschmelze austretender Wasserdampf und andere Gase sorgten für die Entstehung der heißen Uratmosphäre. Als sich vor ca. 3,9 Milliarden Jahren die Oberflächentemperatur so weit abkühlte, dass der atmosphärische Wasserdampf kondensieren konnte, setzte ein Millionen Jahre dauerndes, weltumspannendes Gewitter mit unvorstellbaren Niederschlagsmengen ein. Die weitere Abkühlung der Erdoberfläche war nun nicht mehr aufzuhalten.
Die Wassermassen füllten die tiefer liegenden, aus dichteren und schwereren Gesteinen bestehenden Senken rund um die leichteren Festlandskerne. Gleichzeitig setzten sie den Prozess der Abtragung (Erosion) in Gang, der durch den Kreislauf des Wassers und durch Witterungseinflüsse bis heute in Gang gehalten wird. Auch die geologischen Kräfte wie die Erdwärme spielten – und spielen – bei der Gestaltung der Erdoberfläche eine entscheidende Rolle. Vulkane fördern 1200 bis 1650°C heiße Gesteinsschmelze aus dem flüssigen Erdmantel zu Tage. An den Rändern der Kontinentalkerne setzte die Gebirgsbildung ein. Gewaltige Erdbeben erschütterten die junge Erdoberfläche. Große Mengen Abtragungsschutt wurden vom Festland in die Urmeere gespült.
Neue Gesteine entstehen
Diese Prozesse brachten unterschiedliche Gesteinsarten hervor. Neben den magmatischen Urgesteinen (Plutonite) der frühen Erdkruste finden wir nun auch vulkanische Gesteine, Sedimentgesteine und metamorphe Gesteine:
- Vulkanite/Magmatite (Erstarrungsgesteine)
Vor 3,8 – 2,5 Milliarden Jahren beförderte reger Vulkanismus sogenannte basische und saure Gesteinsschmelzen an die Oberfläche, wo sie zu Basalt beziehungsweise zu Granit erstarrten und neue Landschaften formten. Die Oberfläche, noch bar jeder schützenden Vegetationsdecke, war der Erosion unmittelbar ausgesetzt.
- Sedimentgesteine (Ablagerungsgesteine)
Die bei der Verwitterung entstehenden Lockermaterialien wie Geröll, Kies, Sand und Ton lagerten sich in den Tiefen der Ozeane ab. Durch den enormen Druck der über Jahrmillionen ständig anwachsenden Sedimentschichten verfestigte sich das Sediment und die darin enthaltenen Gesteinstrümmer zu Trümmergestein (Brekzie). Durch Hebungsprozesse vor ca. 3,8 – 2,5 Milliarden Jahren gelangten diese neuen Gesteinsschichten wieder an die Oberfläche und bildeten neue Gebirgsformationen.
- Metamorphite (Umwandlungsgesteine)
Wenn die Sedimentserien der Erdkruste mit der heißen Gesteinsschmelze (Magma) des Erdmantels in Kontakt kommen, werden ihre mineralischen Bestandteile durch die Einwirkung von Hitze und Druck umkristallisiert. Aus ursprünglich tonigen Ablagerungen entstanden so harte, kompakte Schiefer und Gneise. Im Zuge der Gebirgsbildung gelangten sie an die Erdoberfläche, wo sie dem Erosionsprozess ausgesetzt waren und erneut zur Sedimentbildung beitrugen.
Das Leben greift in den Gesteinskreislauf ein
Nach der Entstehung des Lebens vor ca. 3,5 Milliarden Jahren änderten sich die Verhältnisse radikal. Fotosynthese treibende Bakterien ließen den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre stetig ansteigen. Dies beschleunigte die Entstehung immer neuer Organismengruppen. Vor circa 2,7 Milliarden Jahren begannen einige von ihnen Kalziumkarbonat aus dem Meerwasser auszufällen. Die ersten großen Kalkablagerungen (Riffkalke) entstanden. Durch Einlagerung von Magnesium an Stelle des Kalziums wandelte sich der biogene, d.h. von Lebewesen erzeugte Kalk zu Dolomitgestein um.
Fossilhaltige Gesteine entstehen
Die mehrzelligen Korallen gingen vor ca. 1 Milliarde Jahre dazu über, ihren weichen Körper mit einem harten Kalkpanzer zu schützen. Mit den (heute ausgestorbenen) Armfüßern, mit den einzelligen Kammerlingen oder Foraminiferen und mit den Weichtieren (Muscheln, Schnecken, Tintenfische) tauchten vor ca. 625 Millionen beziehungsweise vor ca. 545 Millionen Jahren weitere Kalkproduzenten auf. Sie trugen mit ihren über hunderte von Millionen Jahren abgelagerten Kalkschalen zur Entstehung von mächtigen Kalksedimenten bei. Auch diese biogenen Ablagerungen wurden nach Jahrmillionen durch Faltungen und Hebungen als neues Gebirge in die Höhe gedrückt. Die in dem verfestigten Sedimentgestein konservierten Abdrücke ihrer Kalkskelette (Fossilien) sind nicht nur bei Geologen begehrte Sammelobjekte.
Die Akropolis ist ein Resultat des Gesteinskreislaufes
Wenn die biogenen Kalke in der Erdkruste durch sehr hohe Drücke und Temperaturen beansprucht werden, wandelt sich der ehemals feinkörnige Kalkstein durch Umkristallisation in ein grobkörniges metamorphes Gestein von hohem ästhetischen Wert um: Marmor. Da durch die Metamorphose auch der Fossilieninhalt zerstört wird, entsteht ein gleichförmiges, körniges Gefüge, welches bereits die antiken Bildhauer und Baumeister zu schätzten wussten.
Der Kreislauf der Gesteine dreht sich noch immer, angetrieben von den gleichen Kräften im Erdinnern, die auch die Alpen „wachsen“ oder die Kontinente driften lassen – selbst wenn alles statisch zu sein scheint.