Der Glaube an Übersinnliches

Die Bedeutung eines mythologischen Weltbildes (Spiritismus, Okkultismus, Esoterik); der Glaube an Übersinnliches im Computerzeitalter.

In nahezu allen Kulturen der menschlichen Zivilisation gibt es den Glauben an übernatürliche, übersinnliche Kräfte und Mächte, die in das Leben der Menschen auf unvorhersehbare und unkontrollierbare Weise eingreifen. „Bevölkert“ wird dieser Bereich des Übernatürlichen und Übersinnlichen von Engeln als den „Mächten des Guten“ einerseits und Teufeln und Dämonen als den „Mächten des Bösen“ andererseits. In diesem Artikel soll gezeigt werden, wie beharrlich dieser Glaube an Übernatürliches und Übersinnliches bisher allen Aufklärungs- und Widerlegungsversuchen getrotzt hat.

Engel und Dämonen als gute und böse Geister

Engel sind in den monotheistischen Weltreligionen Wesen, die zwischen Gott und den Menschen vermitteln, also den Menschen die Botschaften Gottes verkünden und ihnen hilfreich zur Seite stehen.

Nach christlicher Lehre sind die Dämonen einst Engel gewesen, die Gott dienten, bis sich der erstgeschaffene Engelfürst Luzifer gegen Gott auflehnte, um ihn zu stürzen und sich an seine Stelle zu setzen. Gott war jedoch stärker und verbannte Luzifer und seine Anhänger auf die Erde, wo sie seitdem die Menschen unsichtbar, aber dafür umso wirksamer bedrängen und zum Bösen verführen. Aus dem „gefallenen Engel“ Luzifer wurde also die Gestalt des Teufels oder Satans als Inbegriff des Bösen. Und dieser Glaube an die Existenz des Teufels, der gegen Gott und die christlichen Gläubigen arbeitet, trug in der frühen Neuzeit, also vom Ende des 15. bis ins 18. Jahrhundert hinein, wesentlich zur Hexenverfolgung bei und war im 20. Jahrhundert auch eine der Ursachen desHolocaust.

Die Unterteilung des Übersinnlichen in Engel und Dämonen ist zur Unterscheidung zwischen „guten“ und „bösen“ Geistern generalisiert worden, wobei „Geist“ mit der „Seele“ eines Verstorbenen gleichgesetzt wird.

Mythologisches Weltbild, Spiritismus, Okkultismus, Esoterik

Die Vorstellung, dass übernatürliche Kräfte in den Lauf der Dinge eingreifen, dass die Welt vom Bösen und seiner Armee, den Dämonen, regiert wird, insbesondere die Vorstellung, dass übernatürliche Kräfte in das Innenleben der Seele eingreifen, dass also der Mensch von bösen Geistern besessen werden kann, ist Ausdruck eines mythologischen Weltbildes, das in enger Verbindung steht zu den geistigen Strömungen des Spiritismus, des Okkultismus und der Esoterik.

Spiritismus bezeichnet die Lehre und Praxis der Beschwörung von Geistern, die sich mit Hilfe eines Mediums sinnlich wahrnehmbar mitteilen sollen. Okkultismus ist ein Sammelbegriff für als magisch geltende Rituale und Praktiken, die übersinnliche, naturwissenschaftlich nicht erklärbare bzw. noch nicht naturwissenschaftlich erklärte Phänomene zum Gegenstand haben. Unter dem Begriff Esoterik werden unterschiedliche Weltanschauungen subsumiert, die die Auffassung teilen, dass die Naturwissenschaft und die Religion die Welt nur unvollständig darstellen und erklären können, da Erscheinungen existieren, die mit den Messmethoden der Wissenschaft nicht feststellbar sind.

Die Wiederkehr des Geisterglaubens im Computerzeitalter

Nachdem infolge des Zeitalters der Aufklärung – das einherging mit der Entstehung der modernen Naturwissenschaft, mit Entmythologisierung und Religionskritik – der Stellenwert des Glaubens an Engel, Teufel und Dämonen im Kontext offizieller kirchlicher Lehrmeinungen rapide abnahm und sich ein entsprechender Mentalitätswandel zumindest der Menschen in Europa zu vollziehen schien, kehrt im 21. Jahrhundert der Glaube an Übernatürliches, Übersinnliches in massiver Form zurück. Und dies ist umso erstaunlicher, weil im Zeitalter der Computertechnologie die Vernunft, die Ratio, endgültig über das Irrationale gesiegt zu haben schien.

So gibt es inzwischen wieder Hexen oder auch Magier im eher alten, abergläubischen Sinn, die behaupten, mit Geisterkräften die Zukunft voraussagen oder Wünsche wahr machen zu können. Das Internet bietet inzwischen unzählige Seiten mit Tipps und Anweisungen zum erfolgreichen Anrufen der Totengeister. Abenteuerlustige gehen nachts in alten Schlössern auf Geisterjagd. Bücher über Spiritismus, Okkultismus und Esoterik finden reißenden Absatz. Filme, in denen übersinnliche Phänomene thematisiert werden, sind Kassenschlager.

Eine Gegenbewegung zur Aufklärung

Man könnte als Antriebskraft hinter der Renaissance des Geisterglaubens eine Gegenbewegung, eine geheime Rebellion, gegen die alle Lebensbereiche erfassende Dominanz der Ratio vermuten, wie sie in der umfassenden Computerisierung des menschlichen Daseins zum Ausdruck kommt, die die Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts kennzeichnet. Hinzu kommt, dass der Beginn des 21. Jahrhunderts durch große Krisen und Umbrüche geprägt ist, die bei vielen Menschen existenzielle Unsicherheit und vielleicht sogar eine Erschütterung des modernen wissenschaftlichen Weltbildes nach sich ziehen.

Und je mehr das Vertrauen der Menschen in die Fähigkeit moderner Wissenschaft und Technik schwindet, die Probleme der Gegenwart lösen zu können, desto eher nehmen sie Zuflucht zu überwunden geglaubten magischen Praktiken und Ritualen, in der Hoffnung, hier zumindest Anhaltspunkte und Orientierung für ihren weiteren Lebensweg finden zu können.

Die Schattenseiten des modernen Geisterglaubens

Problematisch werden die modernen Praktiken des Glaubens an Übersinnliches, wenn Menschen, die sich die Zukunft voraussagen lassen oder mit dem Jenseits in Verbindung treten wollen und sich dabei der Hilfe eines „Magiers“ oder „Mediums“ bedienen, die Fähigkeit zu autonomem, selbstbestimmtem Handeln verlieren oder ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen, da insbesondere bei psychisch labilen Menschen der angebliche Kontakt mit den Seelen Verstorbener zu Wahnvorstellungen führen kann.

Fazit

Insgesamt gesehen macht die Renaissance des Geisterglaubens deutlich, dass auch im 21. Jahrhundert unterschwellig viele Menschen vermuten oder sogar davon überzeugt sind, dass es noch eine andere Dimension der Wirklichkeit gibt, die mit rationalen Mitteln nicht zu erfassen ist.

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