Warum konnten die Sauropoden so gewaltig groß werden? Dieser Frage geht ein Forschungsprojekt mit Federführung an der Universität Bonn nach. Kein Mensch hat sie je lebend gesehen, die Riesendinosaurier oder Sauropoden. Dennoch interessiert sich die Wissenschaft noch immer für diese Tiere.
Seit 2004 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Forschergruppe aus den Fachgebieten Paläontologie, Zoologie und Biomechanik von insgesamt acht Universitäten in Deutschland und der Schweiz. Die geht der Frage nach, wie es die vor über 65 Millionen Jahren ausgestorbenen sauropoden Dinosaurier schafften, so gigantische Ausmaße anzunehmen und die Funktion ihrer Körper zu erklären.
Die Sauropoden
Sauropoden erreichten einer Körperlänge von fast 40 Metern bei einer Höhe von bis zu 17 Metern. Bis zu 100 Tonnen brachten sie auf die Waage. Sie waren die größten Landtiere, die die Erde je gesehen hat.
Dinosaurier werden sehr oft als eine Sackgasse der Evolution gesehen. Ihr Aussterben ist noch immer nicht vollends erklärt. Und deshalb wird gern postuliert, dass sie keine wirklich erfolgreiche Gruppe der Wirbeltiere waren. Doch die pflanzenfressenden Sauropoden bildeten 120 verschiedene Gattungen aus und beherrschten die Ökosysteme der Erde über 100 Millionen Jahre. Keine andere Gattung irdischer Lebewesen hat dies bisher so lange geschafft.
Professor Dr. Martin Sander von der Universität Bonn und sein Züricher Kollege Dr. Marcus Clauss berichten in Science vom 10. Oktober 2008 über ihre Forschungen. Sie fassen zusammen, warum die Sauropoden so gigantische Ausmaße schaffen konnten.
Schlucken statt kauen
Die Sauropoden hatten eine evolutionsgeschichtlich altmodische Eigenschaft. Im Gegensatz zu Säugetieren kauten sie ihr Futter nicht. Sie hatten kaum Zähne, die den Kopf mit steigendem Körpergewicht überproportional schwerer machen. Daher konnten sie auch die sehr langen Hälse ausbilden. Die Hälse der Giraffe und des Kamels sind im Vergleich zu den Hälsen von Sauropoden sehr kurz. Die Sauropoden konnten die Nahrung durch Kauen nicht aufschließen. Sondern die Verdauung musste komplett durch eine lange Verweildauer der Nahrung in ihren riesigen Därmen bewältigt werden.
Viele Nachkommen zeugen
Sauropoden hatten eine weitere altmodische Eigenart. Sie legten Eier. Das ermöglichte ein schnelles Wachstum der Population. Nach einer Naturkatastrophe konnten so wenige Elterntiere rasch dafür sorgen, dass sich die Population schnell erholte. „Dies ist ein wichtiger Grund für den langen, bisher ungebrochenen Überlebensrekord des Modells Dinosaurier“, erklärt Marcus Clauss.
Vogelartige Lungen
In einem anderen Punkt waren die Sauropoden und einige andere Dinosaurier jedoch hoch entwickelt. Ihre Lungen finden eine Entsprechung im Tierreich wohl nur bei Vögeln. Das Lungensystem von Vögeln besteht aus verschiedensten Luftsäcken unterschiedlicher Größe, die sogar in die Knochen hineinreichen und deren Gewicht so gering halten. In den Knochen der Sauropoden, vor allem in den Halswirbeln, wurden Hinweise auf eine solche „Pneumatisierung“ gefunden.
Diese hocheffektiven Lungen könnten eine hohe Stoffwechselrate, insbesondere bei jungen Tieren, möglich gemacht haben. Gleichzeitig hätten die Luftsäcke und die Pneumatisierung der Knochen den riesigen Hals leicht gemacht. Zugleich wurde die innere Oberfläche der Tiere vergrößert. Daher konnte mit der Atmung mehr Wärme abgeführt werden.
Variable Stoffwechselrate?
Eine vermeintlich hoch entwickelte Eigenschaft der Sauropoden wird diskutiert. Es geht um die Stoffwechselrate, die sich im Laufe des Wachstums des Jungtiers zum Erwachsenen verändert. Ein derartiges Beispiel ist im heutigen Tierreich nicht bekannt.
Diese Eigenschaft kann anhand fossiler Kunden nicht belegt werden. Sondern sie folgt aus einem logischen Dilemma. Denn die Wachstumsraten der Sauropoden waren enorm und sind mit denen von Säugetieren vergleichbar. Das kann aus Untersuchungen von Wachstumszonen an den Knochen geschlossen werden. Ein Schlüpfling von 10 kg erreichte innerhalb von 20 Jahren ein Körpergewicht von bis zu 30 Tonnen. Ein solches Wachstum ist nur mit einer Stoffwechselrate denkbar, die auch bei Säugetieren erreicht wird. Aber Berechnungen zeigen, dass ein ausgewachsener Sauropode bei einer solchen Stoffwechselrate überhitzen würde. „Die einfachste Erklärung wäre, dass bei diesen Tieren die Stoffwechselrate mit zunehmender Körpergröße absinkt“, sagt der Bonner Paläontologe Martin Sander.
Das Resultat der Forschungsgruppe
Der Gigantismus der Sauropoden ist durch eine Kombination von evolutiongeschichtlich alten Eigenschaften (Fortpflanzung mittels Eiern, keine Zerkleinerung der Nahrung) und sehr moderner Anpassungen (vogelartige Lunge, flexible Stoffwechselrate) erklärbar. Die Säugetiere haben eine andere Kombination von modernen Anpassungen auf (Fortpflanzung mit Lebendgeburt, hochgradige Zerkleinerung der Nahrung mittels Zähnen, hohe Stoffwechselrate). Diese Kombination beschränkt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Körpermasse der Säugetiere. So die Schlüsse der Forscher Martin Sander und Marcus Clauss.