X

Der Bachelor aus der Innenperspektive

Ursachen und Gründe für die aktuellen Studentenproteste. Der Bachelor ist anstrengend, teuer und verlangt nahezu übermenschliche Leistungen. Ein Leistungsdruck der sich nun in einer umfangreichen Protestbewegung manifestiert.

In den Medien wird von Demonstrationen und Hörsaalbesetzungen berichtet. Studenten protestieren für eine Veränderung der Bachelorstudiengänge und für freie Bildung für alle. Die Studiengebühren sollen wieder abgeschafft werden, die Regelstudienzeiten verlängert. Doch kann kaum jemand, der nicht gerade studiert, viel mit solchen Forderungen anfangen. Im Gegenteil: Oft stoßen studentische Anliegen auf die Unbill der Bevölkerung. Meistens aber auch nur, weil der Mythos vom angenehmen Studium oder dem faulen Studenten fest in den Vorstellungen der Menschen verankert ist. Was es wirklich bedeutet in der heutigen Zeit zu studieren, soll dieser Artikel darum klarstellen.

Zeitmanagement im Studium

Ein von Dozenten gern hoch gehaltener Begriff ist das Zeitmanagement. Man soll sich einen strikten Zeitplan machen, wann welche Texte bearbeitet werden, in welcher Reihenfolge die Materialen für verschiedene Kurse abgearbeitet werden. Vor- und Nachbereitung eines einzelnen Seminars nehmen pro Tag ca. 1,5 bis 2 Stunden Zeit ein. Daher wird seitens der Studienberatungen empfohlen, pro Semester nicht mehr als 4 Seminare in den Stundenplan zu stecken. Um den Bachelor in der Regelstudienzeit abschließen zu können, bleibt es allerdings nicht aus, dass 11 bis 14 Seminare im Stundenplan auftauchen. Wobei hier ebenfalls die Empfehlung der Studienberatungen lautet, nicht mehr als 10 Veranstaltungen pro Semester zu besuchen. Das es damit unrealistisch ist, jeden Kurs und jedes Seminar gleichberechtigt zu behandeln und gewissenhaft vor- und nachzubereiten, liegt auf der Hand. Nicht umsonst werden Beschwerden seitens der Dozenten laut, dass sich die meisten Teilnehmer der Seminare nicht oder nur unzureichend vorbereitet hätten. Um dies zu fördern, werden z. B. Vorbereitungen also „aktive Teilnahme“ gewertet – was zur Folge hat, dass der Druck noch weiter steigt, da es zwingend notwendig ist, sich auf die meisten Kurse im überfüllten Stundenplan umfangreich vorzubereiten. Darunter leidet dann in jedem Falle die Qualität der Arbeit – und damit auch die Qualität des Studiums an sich.

Das Problem der Finanzierung

In den seltensten Fällen reicht BAföG zur Finanzierung eines Studiums aus, sofern man nicht gerade aus einem finanzstarken Elternhaus entstammt und dementsprechend von den Eltern unterstützt werden kann. Hier muss aus dem ohnehin schon geringen Angebot an Nebentätigkeiten gewählt werden. Oft handelt es sich dabei um Minijobs, die in Abend- oder Nachtschicht und am Wochenende ausgeübt werden, da ansonsten keine Zeit vorhanden ist. Nicht selten geraten Arbeitszeiten mit Vorlesungszeiten in Konflikt. Für die meisten Veranstaltungen gilt jedoch, dass die Anwesenheit Pflicht ist – eine Entschuldigung ist nur möglich, wenn man aus wichtigen Gründen, wie Krankheit, nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte. In erster Linie ist man Student und damit der Uni verpflichtet. Ob man arbeiten muss oder nicht, spielt dabei keine Rolle – so argumentieren die Lehrenden. Der wiederholte und nachdrückliche Hinweis, dass der Kurs als nicht bestanden bewertet wird, wenn zwei Seminare nicht besucht werden, erhöht dabei den Druck nur noch mehr, zumal nicht bestandene Kurse zur Exmatrikulation führen können (was jedoch je nach Studienordnung verschieden ist).

Grenzen der psychischen Belastbarkeit

Zusätzlich zum zeitlichen Druck, der durch die Organisationsstrukturen ausgelöst wird, steigt die Belastung noch zusätzlich durch die Notwendigkeit, das Studium vermittels Arbeit zu finanzieren. Nicht ohne Grund, steigen die Zahlen der diagnostizierten Depressionen unter Studenten und der Hilfesuchenden bei der psychologischen Studienberatung. Ein Großteil der Studenten leidet an Existenzängsten, ausgelöst durch die Tatsache, dass es unmöglich ist, die notwendigen Kurse in der vorgegebenen Zeit abzuschließen. Die Furcht vor Arbeitslosigkeit, der Wirtschaftskrise und die fehlenden Perspektiven tragen das Ihrige dazu bei. Schlussendlich manifestieren sich die aufgestauten Ängste und Aggressionen, die durch den Stress des Bachelorstudiums ausgelöst werden, in Protesten. Positiv zu bemerken ist, dass diese zu einem Umdenken in der Politik geführt haben. Und zu der Hoffnung, auf Seiten der Studenten, dass man ihre Sorgen ernst nimmt.