Oft maskieren sich Depressionen als körperliche Erkrankungen. Genaues Nachfragen und intensives Zuhören helfen bei der Diagnose und Auswahl der richtigen Therapie bei Depressionen.
In Krankenhäusern werden die Patienten, nicht zuletzt aufgrund des knapp bemessenen Zeitbudgets der Ärzte und des Personals, häufig nicht nach ihrer psychischen Befindlichkeit befragt. Aber auch im niedergelassenen Bereich stehen Fragen wie: „Haben Sie sich in letzter Zeit oft antriebslos gefühlt?“ oder „Haben Sie noch an den gleichen Dingen Freude wie früher?“ nicht zum Standardrepertoire des Hausarztes oder Internisten, der einen Diabetiker, einen Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, Nierenproblemen oder anderen chronischen Krankheiten behandelt. „Patienten erkennen oft selbst nicht, dass sie an einer Depression leiden“, merkt der Leiter der Psychiatrischen Abteilung am Krankenhaus Neunkirchen, der Psychiater Univ.-Prof. Dr. Christian Simhandl an. „Ein Nachfragen nach der Befindlichkeit durch den Arzt ist daher, gerade bei chronischen Erkrankungen, unbedingt notwendig.“
Wichtigkeit der Diagnose psychischer Erkrankungen
Ein einfacher, in wenigen Minuten in der Ordination durchzuführender Test zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vorliegen eines depressiven Syndroms an. Eingeteilt werden depressive Störungen in drei Schweregrade: die leichte, die mittelschwere und die schwere (sogenannte „Major“) Depression. Eine Depression liegt dann vor, wenn mindestens zwei Grund- und ein oder mehrere Zusatzsymptome vorliegen. Wurde eine leichte oder mittelschwere Depression diagnostiziert, steht einer Behandlung in der allgemeinmedizinischen oder internistischen Praxis eigentlich nichts im Wege. „Nur bei schwerer Antriebslosigkeit und Suizidgefahr sollte der Patient auf jeden Fall zu einem Psychiater und eventuell in stationäre Behandlung überwiesen werden“, so Simhandl weiter.
Gespräch und Medikamente
Wichtig bei einer antidepressiven Behandlung durch den Internisten sind laut Psychiater Christian Simhandl mehrere Faktoren: „Depression ist ein klares Krankheitsbild, und das ist auch klar zu kommunizieren.“ Eine ausreichende Information über die Symptome, die Therapie und notwendige Veränderungen im Lifestyle gehören ebenso zu einer erfolgreichen Behandlung der Depression, sei es jetzt durch den Internisten oder, in schweren Fällen, durch den Psychiater. Die gute Nachricht ist dabei: Die Depression ist heute eine sehr gut behandelbare Erkrankung.
Mit der richtigen Medikation und einer klaren Zielformulierung wird der Patient schon nach wenigen Tagen Erleichterung spüren. „Das Ziel ist natürlich, dass der Patient innerhalb mehrerer Wochen völlig symptomfrei wird“, hält Simhandl fest. Zielvereinbarungen, wie etwa die regelmäßige Einnahme der antidepressiven Medikation, das ebenso regelmäßige Erscheinen in der ärztlichen Ordination, sowie eventuell notwendige Umstellungen im Lebensstil müssen immer gemeinsam mit dem Patienten getroffen werden. „Nur dann kann die notwendige Compliance des Patienten erreicht werden“, sagt Simhandl.
Erste Wahl: Antidepressiva
Liegt ein depressives Syndrom vor, sind Antidepressiva laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) Mittel der ersten Wahl. Dazu gehören etwa Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), die den Vorteil haben, dass sie nicht müde machen: „Diese Medikamente wurden für Menschen entwickelt, die im Arbeitsleben stehen“, erläutert Simhandl. „Patienten, die mit einem SSRI, therapiert werden, können Auto fahren und an Maschinen arbeiten. Ihre Konzentrationsleistung ist nicht beeinträchtigt.“
SSRI wirken aktivierend, stimmungsaufhellend und angstlösend. „Wichtig ist, den Patienten darauf aufmerksam zu machen, dass er ein bisschen Geduld haben muss“, so Simhandl weiter. „SSRI schaffen zwar bereits in wenigen Tagen Erleichterung, die volle Wirkung tritt allerdings erst nach einigen Wochen ein.“ Diese Substanzgruppe beeinflusst zudem das Körpergewicht positiv. „Das erleichtert die Gewichtsreduktion für Patienten mit Metabolischem Syndrom und Diabetes mellitus Typ 2“, so der Stoffwechselspezialist und Internist Univ.-Prof. Dr. Bernhard Ludvik von der Universitätsklinik für Innere Medizin III am AKH Wien. Weitere medikamentöse Therapiemöglichkeiten sind Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer sowie ältere Substanzen, wie etwa trizyklische Antidepressiva.
Langsam auftitrieren
Bei leichten und mittelschweren Depressionen sollte mit einer möglichst niedrigen Dosis begonnen und dann täglich bis zur wirksamen therapeutischen Dosis gesteigert werden. „Der Patient merkt selbst recht schnell, wann eine Besserung auftritt“, bricht Simhandl noch einmal eine Lanze für eine gute Arzt-Patienten-Kommunikation. Wirkt das Medikament auch nach vier Wochen noch nicht, sollte ein Wechsel zu einer anderen Substanz überlegt werden.