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Das Krankenaus der Zukunft betreut auch Hund und Kühlschrank

Das Krankenhaus der Zukunft wird anders sein als heute. Es wird quasi zum Generalmanager für den Patienten. Die Visionen eines Experten.

„Bloß nicht ins Krankenhaus, dort wird man nur kränker“ und „Deutschland ist eben eine Servicewüste“ sind hinreichend bekannte Urteile oder Beschwerden. Dem setzt, was das rein Medizinische betrifft, genauer: das Krankenhaus der Zukunft, ein Experte entgegen: „Der Patient von heute hält nicht mehr demütig und dankbar alles aus, sondern er fordert Höchstleistungen in allen Belangen. Wir müssen dankbar ein, dass er uns aufsucht und sich uns anvertraut“.

Patient soll am Entlassungstag gefüllten Kühlschrank zu Hause antreffen

Das sagt Dr. Markus Müschenich (49), Kinderarzt und Gesundheitswissenschaftler sowie Mitbegründer von ConceptHospital, einer Organisation, die sich mit futuristischen Szenarien der Medizin, speziell mit dem „Krankenhaus von morgen“ beschäftigt. Klingen schon in seinem ersten Zitat geradezu neue Töne an, so kommen diese im folgenden regelrecht ins Schwingen: „Ein Patient kommt nicht nur mit seiner Erkrankung in die Klinik, sondern auch mit einer Biografie beruflicher und privater Hintergründe. Die gilt es zu erkennen, erst ernst zu nehmen und dann im Sinne des Patienten zu berücksichtigen. Der Alltag draußen schließlich läuft weiter. Was würde deshalb dagegen sprechen, wenn das Krankenhaus sich um die zu Hause gebliebenen Angehörigen kümmert, die Kinderbetreuung oder das Ausführen des Hundes übernimmt, vielleicht sogar Wohnungsrenovierungen durchführen lässt. Wenigstens aber am Entlassungstag für einen gefüllten Kühlschrank, die Lieferung der notwendigen Medikamente und das Terminmanagement beim Hausarzt sorgt“.

2 000 Ärzte in 42 Krankenhäusern

Das alles klingt natürlich sehr futuristisch, aber die entsprechenden Worte dieses Dr. Markus Müschenich gewinnen an Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass er Krankenhaus-Experte ist, nämlich Medizinischer Vorstand der Sana Kliniken AG. Das ist eine 1976 gegründete private Krankenhausgruppe, die aber auch gesetzlich versicherte Patienten betreut – deren Anteil lag 2007 bei immerhin 89 Prozent. Um trotzdem zu erwartende Einwände zu entkräften, sei aus dem neuen „Blaubuch“ des Unternehmens zitiert: „Wir behandeln sowohl gesetzlich wie privat versicherte Patienten“. Das geschieht in 42 Krankenhäusern aller Versorgungsstufen. Sana – von lat. sanare = heilen, gesund machen – beschäftigt 19 000 Mitarbeiter, darunter 2 000 qualifizierte Ärzte und über 1 000 Auszubildende. Jährlich werden weit über eine Million Patienten versorgt. 18 000 Kinder kommen bei Sana jährlich zur Welt.

Eine Lebensgesundheitsakte für das Neugeborene

Das mit „Gassi führen“ und „Kühlschrankfüllen“ erläutert Dr. Müschenich im „Blaubuch“ noch näher: „Die Medizin im Krankenhaus der Zukunft wird eine andere sein, und zuständig ist dafür auch nicht mehr nur exklusiv der Arzt“. Der aber, so geht die Sana-Vision von morgen und übermorgen weiter, wird sein Berufsbild, so wie er es heute deutet, gründlich auf den Kopf gestellt bekommen. So ist Dr. Müschenich beispielsweise davon überzeugt, dass die Informationstechnologie „auf dem Weg ist, das Skalpell als wichtigstes Werkzeug der Medizin zu ersetzen“, und für ihn ist „die wahrscheinlich innovativste Idee in diesem Zusammenhang die Lebensgesundheitsakte – man stelle sich vor: Jedes Baby verlässt das Krankenhaus mit einem hoch gesicherten elektronischen Dokument im Internet, in dem alle medizinischen Informationen der ersten Lebenstage gespeichert sind. Hinzu kommen die Ergebnisse der ersten Untersuchungen und natürlich der Impfausweis. Immer, wenn später eine Impfung fällig wird oder eine Versorgungsuntersuchung ansteht, erhalten die Eltern eine E-Mail inklusive Terminvorschlag beim Kinderarzt ihrer Wahl.“

Das elektronische „Stammbuch“ hilft auch im Urlaub

Diese „Baby-Akte“ wird dann, so die weitere Vision, zum „medizinischen Lebensbegleiter“, im wahrsten Sinne „von der Wiege bis zur Bahre“: In dieses elektronische „Stammbuch“ wird in Folge jede Untersuchung, jede Diagnose, jede Behandlung einschließlich Medikamentenverabfolgung eingetragen. Selbst an einem Urlaubsort kann ein dort aufgesuchter Arzt Einsicht nehmen – in seiner Sprache, wenn nötig, denn die Übersetzung der Patienten-„Lebensakte“ wird automatisch mitgeliefert. Das alles geschieht selbstverständlich auf freiwilliger Basis – und da sind der weiteren Vernetzung in Zukunft keine Grenzen gesetzt. So ist es denkbar, dass Röntgenbefunde der Wirbelsäule etwa nach einem Bandscheibenvorfall direkt an die Hersteller von Autositzen oder Fernsehsesseln geschickt werden – zur besseren, schnelleren, sehr exakten Anpassung an die Bedürfnisse des Patienten.

100-Jährige und Übergewichtige als Zielgruppen

Die Bevölkerung vor allem Deutschlands, so die wissenschaftlichen Prognosen, wird immer älter. Also wird es in Zukunft zu den herkömmlichen medizinischen Fachrichtungen auch eine Altersmedizin geben. Und Disziplinen wie Chirurgie und Orthopädie wie auch die Hals-Nasen-Ohren-Ärzte werden sich darauf einstellen müssen, immer mehr 100-Jährige unter ihren Patienten zu haben. Das gleiche gilt für Übergewichtige, bedenkt man, dass „die Bevölkerung in Deutschland bereits heute 300 000 Tonnen Übergewicht auf die Waage bringt und jeden Tag um weitere 30 unnötige Tonnen wächst“, stellt Dr. Müschenich fest. Für das Krankenhaus der Zukunft wird der Übergewichtige eine wichtige Zielgruppe.