Transsexualität, Tourette-Syndrom, Multiple Persönlichkeit – sind das nur Stoffwechselstörungen des Gehirns?
Sir John C. Eccles, Hirnforscher und Nobelpreisträger, distanzierte sich in der letzten Phase seiner Forschertätigkeit von der vorherrschenden materialistischen Auffassung, das Bewusstsein sei nur eine Begleiterscheinung der komplexen Hirnfunktion. Zusammen mit dem Philosophen Sir Karl Popper ging er davon aus, dass es einen „sich selbst bewussten Geist“ gibt, der das Gehirn von außen steuert. Bildlich: Der Geist ist der Pianist, das physische Gehirn ist das Klavier.
Die bedrohte Identität
Der Leib-Seele-Dualismus von Eccles sollte die Psychiater in Verlegenheit bringen, wenn sie alle bizarren Phänomene ihres Fachgebietes lakonisch und nichtssagend lediglich auf biochemische Entgleisungen des Hirnstoffwechsels zurückführen.
Beispiel: Transsexualität
Ein Mensch befindet sich im falschen Körper. „Conundrum“ (Rätsel), diesen Titel gab Jan Morris der Geschichte seiner Geschlechtsumwandlung, der Anpassung seines Körpers an seine Identität. Gibt es hormonelle Ursachen? Frau Morris hatte einen sportlich-maskulinen Körper. Läßt sich seine Transsexualität psychoanalytisch erklären? Frau Morris wuchs auf in einem, wie er schreibt, wunderbaren Elternhaus. Alles nur Stoffwechselstörung des Gehirns?
Beispiel: Tourette-Syndrom, benannt nach dem französischen Psychiater Georges Gilles de la Tourette
Die Symptome: Eine Salve von krampfartigen Attacken, ungewolltes Herausschleuder von aggressiv-obszönen Wörtern. Die Krampfsalven mag man vielleicht noch ganz gerne auf biochemische Entgleisungen zurückführen, aber die wesensfremden Inhalte der Flüche, der Beschimpfungen, der Obszönitäten verlangen nach einer anderen Erklärung.
Beispiel: Multiple Persönlichkeit
Der Psychotherapeut hat mehrere Patienten in einer Person. Ulla Fröhling beschreibt in ihrem Buch „Vater unser in der Hölle – Durch Inzest und Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele“ den Lebensweg einer Multiplen Persönlichkeit. Rätselhaft sind die Beobachtungen bei therapeutischen Sitzungen: „Da war nicht nur die Mimik, der Muskeltonus, die Art zu lächeln, die Gesten, sie hatte auch unterschiedlichen Körpergeruch bemerkt, zum Beispiel, wenn ein halbstarker Jugendlicher auftauchte. Mehr noch: Wespenstiche verschwanden von einer Sekunde auf die andere, Erdbeerallergien, Heuschnupfen, Erkältungen, tauchten genau so schnell auf, wie sie plötzlich nicht mehr vorhanden sein konnten. Brillenstärken wechselten von kurz – bis weitsichtig“ Die Vermutung, dass die Multiple Persönlichkeit nur durch Aufspaltung einer Identität entstanden ist, ist unwahrscheinlich.
Das Zentralnervensystem ist nur ein flüchtiger Arbeitsspeicher
Gemäß Leib-Seele-Dualismus im Sinne Eccles wäre das physische Gehirn das Klavier, auf dem der körperunabhängige Geist spielt. Eine Analogie aus der Computer-Technik drängt sich auf. Man stelle sich vor, das Zentralnervensystem sei nur der Arbeitsspeicher, dann wäre der „sich selbstbewusste Geist“ in einer Dimension angesiedelt, die man mit einer kollektiven, außerkörperlichen Festplatte vergleichen könnte, in der die „Daten“ allerdings nicht geschützt sind.
Hat Wahn Sinn?
Transsexualität, Tourette-Syndrom und Multiple Persönlichkeit wären dann das Resultat von Turbulenzen, Vertauschungen und Invasionen anderer Identitäten – eine beunruhigende Hypothese, die Russel Targ und Keith Harary, Psychologen am renommierten Stanford Research Institut (SRI), in ihrem Buch „Mind Race“ nicht ausschließen wollen. Ist dann auch der Wahn des Paranoikers eine verzweifelte Abwehr fremder Identitäten?