Neue Reform im deutschen Personenstandsrechts. 500 Standesbeamten aus Bayern kamen zur Fachtagung nach Bad Tölz. Was wird sich durch die neue Reform in ihrer Arbeit ändern?
Alfred Hornauer ist ehrenamtlich für den Fachverband der bayerischen Standesbeamten tätig, obwohl er längst im Ruhestand steht. Früher war er Leiter des Augsburger Standesamtes, deshalb weiß er, wie wichtig die Arbeit des Verbands für seine aktiven Kollegen ist. Denn neben Kommunikation von aktuellen Themen und Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch bietet der Verband auch Aus- und Weiterbildung der Beamten. Standesbeamter kann man quasi nicht in einem Lehrberuf erlernen; sie werden in Städten und Gemeinden dazu berufen. Sie sind „Urkundsbeamte“ und wie Notare keiner fachlichen Weisungen von Vorgesetzten unterworfen. Das bleibt auch nach der neuen Reform weiter so bestehen.
Während sich der Kursaal in Bad Tölz allmählich füllt, sortiert Hornauer sorgfältig einen Stapel Unterlagen zu den wichtigsten Thema der dreitägigen Veranstaltung: Die neue Reform des Personenstandsrechts, das „digitale Standesamt der Zukunft“, Lebenspartnerschaften von Gleichgeschlechtlichen und Eheschließungen im Ausland.
Was kommt Neues auf die Beamten zu? Mit Spannung wird die Rede von Ministerialdirigent Dr. Guntram v. Scheurl, dem Leiter der Abteilung Verfassung und Staatsverwaltung im Bayerischen Staatsministerium des Innern, erwartet, den Verbandsvorsitzender Klaus Holup ankündigt.
Stürmische Zeiten im Personenstandsrecht
Seit der Einführung der zivilrechtlichen Standesämter 1876 im damaligen Deutschen Reich gibt es das Personenstandgesetz. 2009 wurde es nun wieder grundlegend reformiert. Darin ist die Arbeit eines Standesbeamten definiert, grob gesagt: das Beurkunden der wichtigsten Lebensereignisse, wie Geburt, Eheschließung und Tod. „Wir befinden uns in stürmischen Zeiten des personenstandsrechtlichen Umbruchs“, so Scheurl. Er meint damit den längst überfälligen Wechsel auf ein digitales Beurkundungsmedium. Seit 1. Januar ist nun bundesweit die elektronische Registerführung zugelassen und bis Ende 2013 müssen alle Standesämter in Deutschland papierlos arbeiten. Während in Hessen bereits über die Hälfte von 430 Standesämtern dezentral mit elektronischen Registern arbeiten, wird in Bayern ein zentrales Landessregister angestrebt. So lautet der Kabinettsbeschluss vom 12. Mai. Eine Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, ergab, dass sich mit einem zentralen elektronischen Register der Verwaltungskostenaufwand minimieren würde. Für die gesamte bayerische Verwaltung werden jährlich Gesamtkosten von rund 72 Mio. Euro für die Aufgaben des Personenstandswesens ermittelt, laut Aussage des Abschlussberichtes der Machbarkeitsstudie vom Mai 2008. Durch die digitale Umstellung auf ein zentrales Register könnten in einem Zeitraum von 10 Jahren Einsparungen von rund 21 Mio. Euro erzielt werden, so die Schätzung in der Studie.
Auch der Bürgerservice würde sich in Bayern verbessern, denn alle Standesämter haben dann Zugriff auf ein gemeinsames Register und können Informationen und Beurkundungen von dort abrufen. Walter Königbauer, Projektleiter für das Personenstandswesen bei Deutschland Online, garantiert den Schutz vor Datenmissbrauch: „Das Berechtigungskonzept, das besagt wer auf Daten zugreifen darf und wer nicht, war bisher schon sehr streng, das wird auch elektronisch nicht weicher.“ An rund 1.300 Ämtern in Bayern werden künftig die Standesbeamten ihren Computer nicht mehr nur als Schreibhilfe nutzen, sondern per webbasierten Anwendungssystem auch effizienter arbeiten können.
Im Jahr 2017 gab es in Bayern 106.870 Geburten, 57.220 Eheschließungen und 118.432 Sterbefälle zu beurkunden, laut dem Bayerischen Landesamtes für Statistik und Datenverarbeitung.
Wenn künftig alles nur noch digital registriert wird, was passiert mit den noch handschriftlichen Geburten-, Heirats- und Sterbebüchern? Hier lässt der Bund den Ländern freie Hand, ob sie die Altdaten ins digitale System nachtragen möchten. Doch Scheurl rät davon ab, denn ein Praxistest am Münchner Standesamt habe gezeigt, dass Texterkennungsprogramme bei handschriftlichen Einträgen an ihre Grenzen stoßen und Nachkorrekturen notwendig machten. „Der Aufwand ist derzeit weder personell noch wirtschaftlich zu leisten.“
Heiraten wo man will, nur nicht in der fahrenden Gondel
Viele Informationen prasseln auf die Zuhörer ein, daher wird es Zeit für ein wenig Smalltalk in der Pause. Alfred Hornauer trifft auf den Kollegen Rainer Geh vom Bobinger Standesamt. Die beiden „Herren der Urkunden“ machen ein Treffen an der Brauneck-Gondelbahn aus, denn am Abend soll es im Rahmen des Tagungsprogrammes zu einem Get-Together hinauf auf den Gipfel gehen. Apropos Gondelfahren: Erst vor Kurzem wurde in einer „Jetzt red I“-Sendung der Wunsch einer Trauungszeremonie in einer fahrenden Berggondel geäußert. Doch trotz neuer Reform, in Bayern bleibt es dabei: Trauungen finden in angemessenen Trauräumen der Gemeinden statt, nur die Ortswahl ist künftig frei wählbar. „Bei allem Verständnis, aber Eheschließungen dürfen nicht zu Gaudiveranstaltungen verkommen“, so die Meinung von Scheurl. Neu kommt auf die Standesbeamten die „eingetragenen Lebenspartnerschaften“ zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren zu, die bisher Notare vollzogen haben. Seit 2012 haben sich in Bayern 3.500 Paare für eine gemeinsame Zukunft entschieden.
Über zu wenig Arbeit müssen sich Standesbeamten nicht beklagen und Sorgen vor den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise machen sie sich keine, erklärt Rainer Geh aus Bobingen. Die Arbeit in den Standesämtern sei regional ganz unterschiedlich und von der Struktur einer Gegend abhängig. „Wir haben ein Altenheim im Ort, da sterben nun mal mehr Menschen als anderswo, egal ob mit oder ohne Weltwirtschaftskrise.“ Viel aufwendiger dagegen ist heute die Arbeit mit den Eheschließungen rund um den Erdball mit Partnern unterschiedlicher Religionen und Staatsangehörigkeiten. „Das Thema zieht sich durch bis in die kleinsten Gemeinden“, weiß Geh. Hier gibt es viel zu beachten und noch mehr zu prüfen. Jedes Land der Erde hat seine eigenen Rechtsverordnungen, seine eigenen Urkunden und seine eigene Kultur. Ein wichtiges Thema also auch auf der Bayerischen Fachtagung für die Standesbeamten. Man wird sehen, ob die digitale Zukunft ihren Arbeitsalltag auch in globaler Hinsicht erleichtern wird.