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Das Ablehnungstrauma bei Bewerbungen

Der Autor Richard Bolles weist in seinem Bestseller „Durchstarten zum Traumjob“ unter anderem auf das so genannte Ablehnungstrauma im Bewerbungsprozess hin.

Auf den Seiten 27 ff. seines in der Einleitung genannten Buches, das im amerikanischen Original „What colour is your parachute?“ heißt, behandelt Richard Bolles das so genannte Ablehnungstrauma bei Absagen auf Bewerbungen und begründet dies unter anderem damit, dass das seit Jahrzehnten aktuelle vorsintflutliche Stellensuchsystem eher für Verunsicherung und Demotivation bei Bewerbern sorgt anstatt ihnen tatsächlich zu einer neuen Stelle zu verhelfen.

Der klassische Weg der Stellensuche

Die meisten Bewerber suchen nach wie vor auf den klassischen Wegen nach einer neuen Stelle: Bewerbungen auf Inserate in Zeitungen und im Internet, Blind- und Initiativbewerbungen sowie private Arbeitsvermittler. Auch wenn diese klassischen Wege sicherlich in einer Reihe von Fällen erfolgversprechend sind, vergleicht der Autor diese Methoden eher mit dem Glücksspiel – man kann das Glück haben, in einem Casino einen Gewinn von mehreren zehntausend Euro einzustreichen, man kann aber auch alles verlieren. Ähnlich verläuft dies bei Bewerbungen: Man kann Glück haben und über das Beantworten einer Stellenanzeige eine neue Stelle finden, man kann jedoch auch über einen längeren Zeitraum leer ausgehen, wobei die Gründe für Absagen nicht immer in der Person des Bewerbers und/oder schlecht aufbereiteten Unterlagen liegen müssen.

Bolles weist darauf hin, dass das klassische, in seinem Buch als vorsintflutlich bezeichnete System der Stellensuche bei vielen Kandidaten spätestens nach der zehnten Absage zum so genannten Ablehnungstrauma führt, das sich im ungünstigsten Falle bis hin zu einer Depression ausweiten kann. Viele Bewerber bekommen irgendwann den Eindruck, mit ihnen stimme etwas nicht, vor allem, wenn die Absagen unfreundlich, unpersönlich oder standardisiert verfasst sind.

Bewerbungsunterlagen und Bewerbungserfolg

In zahlreichen Bewerbungsratgebern, egal ob im Internet oder in Buchform, wird nach wie vor die Prämisse ausgegeben, dass gute bis sehr gute Unterlagen bei entsprechender Qualifikation auch zum Erfolg führen. Dies mag sicherlich bis zu einem gewissen Grad zutreffen, aber viele Bewerber erhalten trotz optisch guter Aufmachung und der entsprechenden Qualifikation eine Absage nach der anderen. Gute Unterlagen allein sind also noch kein Garant dafür, dass jemand auch schnellstmöglich eine neue Stelle findet. Der Bewerber kann zwar alles mögliche dafür tun, nicht wegen unsauberer Kopien, qualitativ schlechtem Papier oder einer Vielzahl von Schreibfehlern aussortiert zu werden, aber es gibt auch noch die andere Seite, die die Unterlagen beurteilt – und dies nicht immer nur nach rein sachlichen Kriterien, wie auch die praktische Arbeit der Autorin in einem Outplacement-Unternehmen zeigt.

Scheinbar besonders unbeliebte Bewerbergruppen

Besonders schwierig wird der klassische Bewerbungsprozess für folgende Personen, was aber vielfach nicht in ihnen selbst begründet liegt:

  • Arbeitnehmer ab Mitte 40, insbesondere die Generation 50plus. Bewerbungen von älteren Arbeitnehmern werden fast sofort aussortiert, egal wie gut der Kandidat qualifiziert ist und wie ansprechend die Unterlagen auch gestaltet sein mögen. In Branchen wie Marketing, PR und Werbung werden vielfach sogar Bewerber von Ende 30 bereits als fast zu alt für die Branche angesehen. Manchmal scheinen Bewerbungen älterer Arbeitnehmer nur umgetütet zu werden, das heißt, nach einer kurzen Sichtprüfung mit dem Ergebnis „unpassendes Alter“ werden die Unterlagen 1 : 1 postwendend an den Absender zurückgeschickt
  • Frauen generell, unabhängig von Qualifikation, Familienstand und Anzahl der Kinder. Gerade gut qualifizierten Frauen wird in Vorstellungsgesprächen oft unterschwellig suggeriert, dass dies doch gar nicht notwendig wäre, da in vielen (männlichen) Köpfen immer noch das Vorurteil herumgeistert, dass Frauen ohnehin eines Tages heiraten und Kinder bekommen und somit dem Arbeitsmarkt nicht mehr vollumfänglich zur Verfügung stehen
  • Menschen mit ausländisch klingendem Nachnamen, insbesondere türkische oder arabische. Auch hier wird vielfach nicht mehr auf die Qualifikation und den Werdegang geschaut, es sieht vielmehr so aus, als wenn schon alleine der fremdländisch klingende Name für eine Ablehnung verantwortlich ist, auch wenn der Bewerber unter Umständen vor Jahren bereits die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat
  • auch Menschen, die aus der ehemaligen DDR stammen, unterliegen im Auswahlprozess offensichtlich einer Vielzahl von Vorurteilen und Ablehnungen
  • junge Bewerber unter 25, die nur über wenig oder keine Berufserfahrung verfügen. Der Einstieg ins Berufsleben wird somit vielfach für Hochschulabsolventen und Azubis, die nach ihrer Ausbildung ihre erste Festanstellung suchen, erschwert.

Anonyme Bewerbungen als Abhilfe?

Um zu verhindern, dass bestimmte Bewerbergruppen aufgrund von Alter, Aussehen, Geschlecht oder Nationalität gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden, wird seit Herbst 2010 das Konzept der anonymen Bewerbung erprobt, das heißt, die Bewerbungsunterlagen enthalten keine Angaben über Name, Geschlecht, Alter, Nationalität, Familienstand. Möglicherweise greifen hierdurch wieder sachliche Beurteilungskriterien wie Qualifikation oder Berufserfahrung, dennoch kann es weiterhin dazu kommen, dass manche Menschen arbeitslos bleiben, denn spätestens im Vorstellungsgespräch sieht der Personaler, ob er einen Arbeitnehmer 50plus oder einen jungen Mann türkischer Herkunft vor sich hat. Unter Umständen, wenn das Unternehmen Vorbehalte gegenüber älteren Arbeitnehmern oder ausländischen Arbeitskräften hat, erfolgt die Absage also nicht schon direkt nach der Bewerbung, sondern lediglich zeitlich verschoben nach dem Vorstellungsgespräch, unabhängig von dessen Verlauf.

Das Ablehungstrauma als solches

Auch wenn viele Bewerber sicherlich mit der Arbeitsmarkt- und Personalpolitik zu kämpfen haben und Absagen in vielen Fällen nicht auf mangelnde Qualifikation oder Branchenkenntnis zurückzuführen ist, setzt nach einer gewissen Anzahl von Absagen der Punkt ein, wo jeder Bewerber an sich und seiner Person zu zweifeln beginnt, insbesondere wenn die Arbeitslosigkeit länger andauert. Schließlich haben bereits viele andere vor ihm eine Stelle über ein Inserat gefunden und nur ihm scheint dies nicht zu gelingen. Im ungünstigsten Fall weitet sich dieses Ablehnungstrauma zu einer Depression aus.

Alternativen der Stellensuche

Richard Bolles weist in seinem Buch nicht nur darauf hin, dass das derzeitige klassische System der Stellensuche bei vielen Menschen zu Angst und Unsicherheit führt, er zeigt auch alternative Wege auf, bei denen der Kandidat nicht nur auf offizielle Ausschreibungen reagiert, sondern auch selbst aktiv wird. Beispielhaft seien hier genannt: informelle Quellen wie Freunde, Bekannte, frühere Kollegen und Vorgesetzte, die eventuell etwas von offenen Stellen in einem Unternehmen wissen oder auch die aktive telefonische Recherche bei Unternehmen, die den Bewerber aufgrund seiner persönlichen Neigungen und Vorbildung interessieren. In der Praxis zeigt sich, dass ungefähr 45 Prozent der Stellensuchenden hierüber eine neue Stelle finden – und zwar eine, die sie wirklich interessiert anstatt eine, die sie nur aus der Not heraus nehmen und um Arbeitslosigkeit zu verhindern. Durch persönliche Empfehlungen und Eigeninitiative haben auch vermeintlich nicht so gefragte Bewerbergruppen eine größere Chance, eine neue Arbeitsstelle zu finden.

Wichtig ist in jedem Fall die vorherige telefonische Kontaktaufnahme zu den Unternehmen, die einen Bewerber interessieren. Das Versenden reiner Blindbewerbungen auf gut Glück ist noch weniger erfolgversprechend als die Versendung von Unterlagen auf ein konkretes Stellenangebot. Unverlangt eingesandte Bewerbungen gehen entweder in der E-Mail-Flut unter oder landen in Mappenform unbeachtet auf irgendwelchen Ablagestapeln.