Knabenhafte Silhouette, tiefe Taille und Bubikopf. Ein emanzipiertes Frauenbild bestimmte die knabenhafte Damenmode nach dem 1. Weltkrieg: Die Mode zeigte sich liberaler und gewagter.
Die Emanzipation der Frau, die durch Arbeitskraftmangel während des 1. Weltkriegs bereits einen deutlichen Schub erlebt hatte, ging in den zwanziger Jahren weiter. Die neue Stellung der Frau zeigt sich ganz besonders in der Mode, die im Vergleich zur Jahrhundertwende geradezu schockierend freizügig war und auch mit den Geschlechterrollen spielte.
Der Rocksaum rutscht bis zum Knie
Die einschneidendste Neuerung war sicher die neue Rocklänge, die im Laufe der zwanziger Jahre immer höher rutschte. Zu Beginn reichte der Rock noch bis zum Fußknöchel, im Laufe des Jahrzehnts wurde er immer kürzer, bis er um 1925 das Knie erreicht hatte. Dies war ein Novum der Damenmode: Im Wilhelminischen Kaiserreich waren nackte Waden allenfalls in der Bademode geduldet. Zum ersten Mal durfte die Dame jetzt auch im Alltag Bein zeigen. Dem Strumpf kam damit eine ganz neue Bedeutung zu, denn er war zum ersten Mal wirklich sichtbar: So gab es ihn in vielen Farbschattierungen und für den Abend auch mit effektvoll-glitzerndem Lamée.
Flache Silhouette als Mode-Ideal
Nicht nur die Rocklänge hatte sich in den zwanziger Jahren geändert: Die gesamte Silhouette der Mode gab der Frau eine neue, knabenhafte Erscheinung. So wurde auf eine Betonung der Taille verzichtet und auch die Brust flach gehalten. Die Frau der zwanziger Jahre hatte sich damit vom eng geschnürten Korsett befreit, das über Jahrhunderte den Körper immer wieder in ein neues Schönheitsideal geformt hatte. Das typische Kleid der zwanziger Jahre hing fließend von den Schulter: Der Einfluss der Reformbewegungen war hier unübersehbar.
Das Auf und Ab der Taille
Charakteristisch für die Mode der zwanziger Jahre ist eine nur leicht angedeutete Taille. Diese befand sich zu Beginn des Jahrzehnts noch an der schmalsten Stelle des Oberkörpers, rutschte aber dann schon bald immer tiefer, bis sie den Oberschenkel erreicht hatte. Diese Silhouette, die um 1925 entstand, empfinden wir heute als typisch für die Mode der zwanziger Jahre. Danach ging es aber schon wieder aufwärts mit der Taille und 1930 saß sie praktisch wieder auf ihrer normalen Höhe.
Die knabenhafte Frisur: der Bubikopf
Auch bei den Frisuren zeigte sich das neue Selbstverständnis der Frau. Die Hochsteckfrisuren des Kaiserreiches wichen einer komplett neuen Haarmode, die zum ersten Mal in der Geschichte der Damenmode kurz getragen wurde: Der typische Bubikopf bestimmte die Frisur der zwanziger Jahre. Das Haar war relativ kurz geschnitten und mit einem Brenneisen in Wellen gelegt, die eng am Kopf anlagen. Diese androgyne Frisur spielte mit den Geschlechterrollen und musste sich deshalb auch starke Anfeindungen von konservativen und nationalistischen Kreisen gefallen lassen.
Passend zu dieser Frisur zeigte sich auch die Hutmode: Eng sitzende kappenartige Hüte, die meist nur eine sehr schmale Krempe hatten, rundeten den Look ab.