Über das Internet-Mobbing werden von den sogenannten Bullies Aggressionen abgebaut und Druck abgelassen.
Die neue Gewaltform Cyber-Mobbing ist in der Öffentlichkeit und in den Medien zur Zeit das Diskussionsthema. Beim CyberMobbing, Internet-Mobbing, Cyber-Bullying oder Cyber-Stalking werden mit technischen Möglichkeiten andere im Internet, auf Chatrooms oder auch mittels Handy, belästigt. Im Umgang mit den Technologien wird jedoch übersehen, dass dahinter Menschen stehen.
Die Opfer von Cyber-Mobbing sind meist schwächere oder hilflose Kinder und Jugendliche, die sich auch im realen Leben schwer gegen Aggressionen wehren können und zumeist Angriffsziel von Aggressionen anderer waren. Die Kinder und Jugendlichen können sowohl Täter als auch Opfer sein. So kann ein Außenseiter in der Schule dann im Internet die Angriffsfläche für Mobbing sein, aber auch er selbst kann in die Täter-Rolle schlüpfen. Die schädigenden Handlungen der Täter, auch Bullies genannt, die als Spaß oder Scherz empfunden werden, können dramatische Folgen beim Opfer nach sich ziehen, wie soziale Isolierung, psychischer Stress bis hin zum Selbstmord.
Die Auslöser für die Schikanen im Netz
Die Auslöser für die Konflikte, Schikanen, Beschimpfungen und Erniedrigungen im Netz sind in der realen Welt zu finden: Am Schulhof oder in der Klasse. Kleine Prozesse, die im Hintergrund laufen. Umso früher diese gelöst werden, umso besser. Doch neigen die Lehrkräfte in den Schulen oder die Menschen auf den Straßen dazu, bei Gewalt wegzuschauen oder diese zu bagatellisieren. Es mangelt an Zivilcourage.
Studien über die Gewaltsituation an Schulen sprechen Bände: Zum Beispiel wurde bei der Klagenfurter Befragung von Schülern und Schülerinnen im Jahr 2003 erhoben, dass verbale Aggressionen an den Schulen fast ein Alltagsphänomen und zumeist „Startschuss“ für handgreifliche Auseinandersetzungen sind. Es wird auch ein Zusammenhang zwischen verbalen und tätlichen Aggressionen vermutet. Es besteht dringender Handlungsbedarf zur Prävention in jeglicher Form.
Die Präventionsinitiativen an den Schulen – ein Dilemma
Die Psycholgin Christiane Spiel von der Universität Wien hat im Jahr 2007 für Österreich einen Gesamtstrategieplan ausgearbeitet. Spiel ist der Meinung, dass es eine Fülle von Ansätzen und Projekten in Bereich der Gewaltprävention gibt. Dabei handelt es sich jedoch meistens um Einzelinitiativen, die kaum nachhaltig sind. Diese sind nur in Ausnahmefällen dokumentiert und fast nie auf deren Erfolg hin überprüft oder der Allgemeinheit als Wissensbasis zur Verfügung gestellt worden. Schlimmer noch: „Viele Initiativen von Lehrern (ohne dementsprechende Ausbildung) können die Bullying-Situation sogar verschärfen“. Präventionskonzepte wie Appelle oder Strafe, berücksichtigen nicht die tiefer liegenden Gründe für gewaltsames Agieren und sind daher nicht – oder nur kurzfristig – wirkungsvoll.
Druck ablassen im Cyber-Space
Konflikte entstehen unter unterschiedlichen Bedingungen. Virtuelle soziale Netze bieten Räume an, um Aggressionen abzubauen. Es besteht ein barriererfreier Zugang zur Konlfliktlösung und die technische Möglichkeit, Druck abzulassen. Jemand fällt im Facebook auf, und der andere startet den Protest aufgrund des Aussehens, der Sprache oder Herkunft. Die Opfer werden von den sogenannten Bullies durch Bloßstellung, permanente Belästigung oder die Verbreitung von Gerüchten gemobbt. Der Täter braucht im Netz seinem Opfer nicht in die Augen zu sehen. Ganz einfach, und anonym, können Beleidigungen, Beschimpfungen und Unwahrheiten ausgestoßen werden.
Bei der Ausübung von Mobbing in der virtuellen Welt, können wie im realen Leben, verschiedene Motivationen dahinter stehen, wie Anerkennungsstrebungen, einfach „cool“ zu sein. Das Bedürfnis, Prestige zu genießen oder Machtdemonstrationen mit dem Bedürfnis nach Stärke und Überlegenheit. Aber auch Angst: Um nicht selbst Opfer zu werden, will man lieber zur Gruppe dazugehören. Aus Langeweile und „Spaß“ wird ein Foto von jemandem anderen negativ bewertet. Das Über-Ich ist nicht kontrolliert. Was im anderen vorgeht, bleibt unberücksichtigt.
Die Schule ist kein Lernort mehr für Streitkultur
Die Schule ist kein Lernort mehr für Streitkultur. Sie nimmt sich auch nicht als vermittelnde Kompetenz wahr. Streitereien und Konflikte werden beflissentlich übersehen oder aufgrund institutioneller Regeln erst gar nicht zugelassen. Die Folge ist, dass von den Kindern und Jugendlichen Konflikte unterdrückt oder vermieden werden. In der virtuellen Welt kann der Konflikt dann zerstörerische Formen annehmen.
Werden Konflikte im Schulhof oder in der Klasse mit destruktiven Mitteln ausgetragen, ist das abweichende Verhalten der Normbrecher mit Sanktionen verbunden: Die geltenden Schulregeln wurden ja missachtet . Zu den Strafelementen oder Sanktionsmitteln gehören eine Reihe subtiler Verfahren, wie Schulordnung schreiben oder Nachsitzen, schlimmstenfalls der Schulausschluss. Der Besserungseffekt resultiert weniger aus der Sühne oder Reue, sondern vielmehr in der Mechanik der Zähmung. Der hohe Anteil an Ordnungsmaßnahmen, mit denen auf Gewalt ausübende Schüler reagiert wird, ist als kritisch zu bewerten.
Das Verhalten von Schülern in Konfliktsituationen wird als unrealistisch abgetan
Dadurch, dass die auftauchenden Gefühle überbetont werden, wird die Existenz des Konfliktes vernebelt. Verwundert wird danach gefragt, was denn das für Kinder und Jugendliche sind, die solche Ideen in ihren Köpfen haben. Anstatt die Aufmerksamkeit auf die Analyse der Konflikt- und Beziehungssituation zu richten, werden sie als psychiatrische Fälle stigmatisiert. Zugleich werden therapeutische Interventionen überlegt.
Zur Initiierung einer Streit- und Konfliktkultur braucht die Schule ein elastisches und belastungsfähiges Netz zur Konfliktaustragung. Nur wenn die Kinder und Jugendlichen lernen, selbst und mit friedlichen Mitteln Streitereien und Konflikte zu lösen, kann Gewalt verhindert und minimiert werden. Damit kann sich die Schule vom hierarchischen Überwachungssystem hin zu einer sozialen Lebens- und Erfahrungswelt entwickeln.