Vom Gefängnis bis zum Kindergarten, von der Marina bis zum Biomassekraftwerk: Investoren helfen der öffentlichen Hand.
So manche Gemeinde in Stormarn (Schleswig-Holstein) möchte sich autark von externen Energiekosten machen, findet aber keinen Weg, die anfänglich hohen Projektkosten aufzubringen. Sprenger Bürger hatten schon fast eine Machbarkeitsstudie beauftragt, vom Sinn des Projekts überzeugt, Bürgermeister Hoch denkt für Grande über ein Biomassekraftwerk nach, Stapelfeld hat schon das Wärmenetz, muss aber bald selbst für die Wärme sorgen, weil die Müllverbrennungsanlage (MVA) möglicherweise stillgelegt wird. In Stapelfeld setzte sich Bürgermeister Jürgen Westphal durch und ließ eine Studie für ein Geothermiekraftwerk erstellen. Bürgermeister Heino Dose hörte sich Vorträge zu Möglichkeiten der autarken, klimafreundlichen Energieversorgung in Sprenge an, erklärte dann lapidar: „Wenn die das wollen, hab ich nichts dagegen. Aber die Gemeinde hat kein Geld“. Letztlich ist es die Sorge um die Finanzierung, die diese Entwicklung hemmt.
Contracting oder Genossenschaft, die Bürger haben die Wahl
So genannte Contractoren bieten nun Gemeinden an, für sie die erforderlichen Anlagen und das Wärmenetz zu erstellen und liefern sodann die erzeugte Wärme auf mindestens zehn Jahre, zu immerhin konstanten Kosten an die Bürger. Die Refinanzierung erfolgt in der Regel über den gleichzeitig erzeugten elektrischen Strom, den der Contractor in das lokale Netz einspeist, bestenfalls nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) vergütet. Investoren sind sicher keine Wohltäter, die auf Gewinne verzichten. So liegen die erwarteten Renditen der Geldgeber wesentlich über den Erträgen, die man bei einer Bank oder gar an der Börse erzielen kann, dazu noch auf 20 Jahre garantiert. Diese möglichen Einnahmen entgehen natürlich der Gemeinde und ihren Bürgern. Die Gemeinden Klinkrade, Honigsee und Jühnde kassieren lieber selbst und finanzieren damit eigene kommunale Projekte. Hier haben sich die Bürger in einer Genossenschaft zusammengeschlossen und das Projekt selbst finanziert.
Contractoren achten auf den Profit, nicht unbedingt auf Nachhaltigkeit
Contractoren achten nicht immer darauf, dass die Ökoenergie wirklich ökologisch sinnvoll und vielleicht besonders effizient erzeugt wird. Ihre Vertreter verhalten sich da sehr konservativ, allein auf die sichere Rendite bedacht. So bieten RWE, Shell und Veolia kommunale Contractingmodelle an, greifen dabei gern auf Holz als Brennstoff zu, das dann aber nicht unbedingt aus der Region kommt, sondern dorther, wo es eben langfristig billig ist. Andere setzen einfach Erdgas ein, zwar immerhin in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK), die die eingesetzte Energie wenigstens zu fast 90% nutzen. Andere Unternehmen lassen immerhin eine Beteiligung der Gemeinde oder einzelner Bürger zu, streben gar ein Genossenschaftsmodell an. Optimal ist ein Partner, der auf lokale Rohstoffe zurückgreift und eine Beteiligung zulässt. So kann auch langfristig das Geld im Ort bleiben, entsteht eine neue Wertschöpfung in der Gemeinde. Jedes Dorf hat in der Regel genügend Rohstoffe zur Verfügung, um sich selbst mit Wärme und Strom zu versorgen, von Pferdemist über Gülle, Wald- und Knickholz und zuletzt auch Energiepflanzen vom Acker.
Aufklärung, Information tut Not
Das nötige Geld können sich Gemeinden über verschiedene Finanzierungsprogramme speziell für Kommunen beschaffen, die die Bundesministerien für Umwelt und für Landwirtschaft aufgelegt haben. Auch die deutsche Umwelthilfe unterhält eine spezielle Internetseite zur Information und Förderung von Bioenergiedörfern. Doch die Information über vorhandene Möglichkeiten fließt sehr spärlich und das Bewusstsein um die Chancen über die Energieautarkie hinaus ist selten vorhanden. Vielen Bürgermeistern und Gemeinderäten fehlt auch oft der Mut, derartig langfristige Projekte anzugehen und schon die erste Kritik im Ort wird zum Anlass genommen, die Idee ad acta zu legen. Selbst die immer wieder in den Medien gezeigten Beispiele erfolgreicher Gemeinden können die notorischen Zweifler nicht überzeugen. Diese Aufklärung von privatwirtschaftlicher Seite zu leisten ist problematisch, weil die misstrauischen Gemeinderäte jedem Vortragenden zuerst einmal wirtschaftliche Eigeninteressen unterstellen. Sodann ist plötzlich jeder Zuhörer auch Fachmann, will sich nicht Unwissenheit nachsagen lassen. Das Interdisziplinäre Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Universität Göttingen (IZNE) hat mit der Projektgruppe Bioenergiedörfer fünf Jahre gebraucht, um die Bürger des Dorfes Jühnde, bei Göttingen zu überzeugen. Soziologen und Psychologen haben in fast wöchentlichen Sitzungen, aufgelockert mit Interaktionsspielen, gearbeitet. In 2006 ging dann endlich das Biomassekraftwerk ans Netz, inzwischen sind fast 80% der Gebäude an die Wärmeleitung angeschlossen. Die Wärmekosten liegen nun fast 40% unter den Kosten einer Ölheizung, die Zusatzeinnahmen aus der Stromeinspeisung betragen bis zu 750.000,00€ jährlich (siehe: Bioenergiedorf Jühnde).
Contractor oder Genossenschaft, Nachhaltigkeit ist das Ziel
Ob ein Bioenergiedorf vorerst mit Hilfe eines externen Investors mit einem Energiecontractingmodell zu einer autarken Gemeinde wird, oder gleich den Weg einer Genossenschaftlichen Betreibergesellschaft wählt, solange dabei auf Nachhaltigkeit geachtet wird, ist eine zukunftsfähige Energieversorgung sicher gestellt. Auch der Contractor muss dafür sorgen, dass die Bürger überhaupt Interesse haben, sich an das Wärmenetz anschließen zu lassen. Das geht in der Regel nur über den Wärmepreis, der spürbar unter den Kosten für die vorhandene Heizung liegen muss. Der Weg der Überzeugungsarbeit zur Gründung einer Genossenschaft ist oft langwierig, doch sind auch hier die finanziellen Argumente letztlich schlagend. In diesem Fall profitieren die Bürger mehrfach: Sie erhalten die günstige Biowärme, erhalten die Dividende, die sonst der externe Investor einstreicht und die Landwirte, Waldbesitzer, lokalen Betriebe verdienen an der Rohstofflieferung und dem Anlagenbetrieb.